Ihr Leben als „femina politica“ begann in den 1960er Jahren. Damals war sie eine berufstätige Mutter und merkte, wie schwierig sich das Leben und die Karriere für Frauen gestalteten.
Das wollte sie ändern und ging in die Politik.
Bitte erzählen Sie uns etwas über Ihre politischen Anfänge.
Als ich eine junge Mutter war, orientierte sich die Politik an völlig veralteten Rollenbildern – ohne Zustimmung meines Mannes hätte ich gar nicht arbeiten dürfen! Dass mit Grete Rehor 1966 erstmals eine Frau Ministerin wurde, war für uns Frauen ein Meilenstein. Mir wurde klar, dass nur Frauen, die aktiv in der Politik mitmischen, etwas an der Gesellschaft ändern konnten.
Natürlich profitierte ich auch von der grundsätzlichen Aufbruchstimmung dieser Zeit, in der die Frauenbewegung wieder an Bedeutung gewann. Damit begann mein politisches Leben, das mich über den Betriebsrat und die Kammer für Arbeiter und Angestellte bis in den Nationalrat führte. Mein ursprünglicher Anspruch, als Frau Beruf und Familie vereinbaren zu können, selbstbestimmt über das eigene Leben verfügen zu können, die stark patriarchalisch bestimmten Strukturen aufzubrechen, blieb über die Jahre eigentlich unverändert.
Was schätzen Sie besonders an der politischen Arbeit?
Von Chateaubriand stammt der Satz „Die politische Unbeweglichkeit ist unmöglich, man muss mit der menschlichen Intelligenz vorwärts gehen“. In der Politik besteht also nicht nur die Möglichkeit, sondern die Pflicht zu gestalten, da die Welt permanent mit Veränderungen konfrontiert ist. Auf sie zu reagieren bzw. zu beeinflussen, welche Richtung eine Gesellschaft nimmt, macht für mich die Faszination der Politik aus.
Gewählt zu werden heißt, Verantwortung dafür zu übernehmen, dass sozial gerechte und global verträgliche Entscheidungen getroffen werden. Das ist eine der spannendsten Aufgaben, die ich mir vorstellen kann. Vermutlich halten mich dieser Wille nach Veränderung und der Wunsch mitzugestalten schon so lange in der Politik.
Haben Frauen es in der Politik schwerer als Männer?
Ja. Die gläserne Decke gibt es hier wie in allen anderen Berufen auch noch immer. Es beginnt bei Banalitäten – wer kommentiert den Anzug eines Politikers? Jede Politikerin muss hingegen die Erfahrung machen, dass ihr Aussehen öffentlich besprochen wird. Oder denken Sie an die Bezeichnung „Mutti Merkel“, die selbst in Qualitätsmedien auftaucht.
Niemand, außer vermutlich seinem Sohn, kam auf die Idee, Helmut Kohl „Vati“ zu nennen. Wir Frauen müssen auch in der Politik beweisen, dass wir „gut genug“ sind, dass wir mit den Männern mithalten können. Das sind jahrhundertealte Stereotype, die hier zu überwinden sind. Aber wir kämpfen uns vorwärts und die Situation wird besser – langsam aber doch.
Wie weckt man Interesse an der Politik?
Durch Bildung und Transparenz. Ich halte es hier mit Ralf Dahrendorf, der ohne Gleichheit der Bildungschancen die soziale Rolle des Staatsbürgers für nicht durchsetzbar hält. Wer um das Wesen der Demokratie Bescheid weiß, gestattet es sich, nicht politikverdrossen zu sein.
Wer die Grundregeln des kritischen Denkens gelernt hat, kann sich mit gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Fragen differenziert auseinandersetzen und fällt weniger leicht auf fake news rein. Politik aktiv mitzugestalten, z.B. durch Teilnahme an Wahlen, ist in der Demokratie ein Recht. Wer darauf verzichtet, muss sich im Klaren sein, damit auf ein wesentliches Mittel der Mitbestimmung zu verzichten. Und von Seiten der Politik muss für größtmögliche Transparenz gesorgt werden. Entscheidungen müssen für die Bürger durchschaubar und nachvollziehbar sein.
Die Themen Ihrer politsichen Arbeit?
Mein Fokus liegt noch immer bei Frauenthemen. Daher gehört die Gleichstellung und Gleichbehandlung von Frauen zu meinen wesentlichen politischen Zielen. Eng damit verbunden ist auch mein Anliegen, Altersarmut zu verringern, denn ihr Gesicht ist leider noch immer meist das einer Frau. Und dann geht es mir auch darum, dass die Menschen in Österreich sich als Citoyens begreifen, als Bürger im besten Sinn des Wortes, für die das Gemeinwohl im Zentrum des Handelns stehen sollte und Zielvorgabe für die Politik ist.
Foto: Österreichischer Seniorenbund