Es gibt Momente, in denen sich die Gegenwart als Farce der Vergangenheit offenbart – und das, was sich in den Vorstandsetagen österreichischer Unternehmen abspielt, gehört zweifellos in diese Kategorie grotesker Anachronismen. Während Europa längst verstanden hat, dass Diversität keine modische Laune, sondern eine ökonomische Notwendigkeit ist, verharrt Österreich in einer selbstgefälligen Trägheit, die hierzulande gerne als Besonnenheit ausgegeben wird.
Die Zahlen sprechen eine unmissverständliche Sprache: Nur 13,8 Prozent der Vorstandsposten in börsennotierten Unternehmen sind mit Frauen besetzt, es gibt keine einzige weibliche CEO und 57 Prozent der WBI-Unternehmen haben nicht einmal eine Frau im Vorstand. Da ist man geneigt zu fragen, ob unser Land die Gleichstellung verschlafen oder gar aktiv sabotiert hat. Die Antwort liegt vermutlich irgendwo dazwischen – in jener Zone bequemer Ignoranz, die Veränderung stets als Zumutung begreift.
Dabei liefert die Empirie den schlagenden Beweis: Wo gesetzliche Quoten greifen, geschieht das vermeintliche Wunder. In den Aufsichtsräten kletterte der Frauenanteil seit Einführung der Quote von 22,4 auf 38 Prozent. Für die Vorstände, wo die eigentliche Macht residiert, fehlt jedoch diese heilsame Verpflichtung. So vegetiert die Gleichstellung in einem Dämmerzustand dahin, den man euphemistisch als „organische Entwicklung“ bezeichnet. Die EU-Richtlinie „Women on Boards“ hätte längst umgesetzt sein müssen. Österreich hat die Frist mit jener Nonchalance versäumt, mit der man einen unbequemen Brief ungeöffnet lässt. Das Land hat pflichtgemäß ein Vertragsverletzungsverfahren kassiert und wird Ende 2025 immer noch keinen Beschluss präsentieren. Ein Trauerspiel. Doch eines mit System.
Die Ursachen dieser hartnäckigen Misere sind hinlänglich bekannt: homosoziale Reproduktion in hermetischen Zirkeln, die asymmetrische Last der Care-Arbeit, Teilzeitfallen und strukturelle Benachteiligung. Obwohl österreichische Frauen häufiger akademisch gebildet sind als Männer, leisten sie täglich fast zwei Stunden mehr unbezahlte Arbeit. 74 Prozent der Mütter mit Kindern bis 15 Jahren arbeiten in Teilzeit – und Teilzeit bedeutet das Ende jeder Karriereambition.
Diese Ausgabe benennt die Barrieren, analysiert das Versagen und macht deutlich: Österreichs Wirtschaft verschwendet Talent in einem Ausmaß, das nicht nur ungerecht, sondern auch absurd ist. In Zeiten des Fachkräftemangels leistet sich das Land eine Ressourcenverschwendung, die man getrost als dekadent bezeichnen darf. Umso notwendiger erscheint es, jene Frauen zu würdigen, die es trotz allem an die Spitze geschafft haben.
In unserer Austrian Business Woman Jahresausgabe stellen wir traditionell die 100 wichtigsten Frauen Österreichs vor: Persönlichkeiten, die zeigen, dass weibliche Führung möglich ist und erfolgreich sein kann. Die Frauen sind längst bereit. Die Strukturen sind es (noch) nicht. Es ist Zeit, dass sich das ändert. Meint
Ihre
Barbara Mucha
