Nicole Schlögl-Slavik im ABW-Interview über eine Zeit, in der digitale Reize sekündlich um unsere Aufmerksamkeit buhlen und in der das gedruckte Wort ein bemerkenswertes Comeback erlebt.
Printmailings und physische Werbung haben auch in der digitalen Welt nach wie vor eine starke Relevanz. Wo sehen Sie aktuell die größten Stärken physischer Werbeformate — gerade im Vergleich zur digitalen Flut an Botschaften?
„Print wirkt“ – und zwar multidimensional. Physische Werbeformate wie adressierte Werbebriefe oder das Kuvert in Österreich können nach wie vor hohe Aufmerksamkeit erzielen. In einer Zeit, in der digitale Kanäle mit Werbebotschaften überflutet sind, heben sich Printmailings als haptische, persönliche und vertrauenswürdige Alternative ab. Das belegen auch die jüngsten Ergebnisse der österreichischen Werbemarktstudie, die Ende Juni erschienen ist.
Konsumentinnen und Konsumenten empfinden Printmailings darin als hochwertiger und glaubwürdiger als noch im Vorjahr. Acht von zehn Empfängern (79 Prozent) nutzen sogar Angebote aus persönlich adressierter Werbepost. Die Post selbst und viele Werberinnen und Werber nutzen diese Stärke gezielt in hybriden Kampagnen.
„Personalisierung wird immer wichtiger, ist online jedoch auch immer schwieriger umzusetzen.“
Die Österreichische Post ist im Dialogmarketing führend. Wie verändert sich die Erwartungshaltung der Kundinnen und Kunden? Welche Trends bestimmen derzeit den Markt?
Werberinnen und Werber sehen sich einer Fülle von Werbekanälen gegenüber und sind oftmals überfordert, die richtigen Medien auszuwählen. Ständig kommen neue hinzu, während die Budgets gekürzt werden. Der Druck, messbare Ergebnisse der Marketing-Kampagnen vorzulegen, steigt. Personalisierung wird immer wichtiger, ist online jedoch auch immer schwieriger umzusetzen.
Werberinnen und Werber bauen ihre eigenen CRM-Systeme auf und aus, um ihre bestehenden Kunden besser halten und Cross- und Upselling betreiben zu können. Unsere neueste Werbemarkt-Studie zeigt, dass der Trend zu persönlicheren, „menschlicheren” Werbeformen geht, z. B. zu Werbung am POS, Sponsorings oder Messen. Auch online versucht man, das Menschliche durch erhöhte Ausgaben im Bereich Influencer-Marketing in den Vordergrund zu stellen. Podcasts erleben ebenfalls einen Aufschwung. Wir sehen uns als Berater und Werbeanbieter – analog wie digital. Mit der adverserve haben wir eine Full-Service-Agentur für technologische, analoge und digitale Fragen. Wir stellen uns auch produktseitig breit auf und bieten einen Mix aus klassischer Werbepost, digitaler Außenwerbung (DOOH), E-Mail-Marketing sowie Plattformen wie Aktionsfinder oder Shöpping.at.
Auch der klassische Brief muss heute nachhaltiger gedacht werden. Wie begegnet die Post dem wachsenden Bewusstsein der Kundschaft für Umwelt- und Klimaschutz in der Werbekommunikation?
Nachhaltigkeit ist für uns ein zentrales Anliegen. Seit 2011 stellt die Post CO₂-neutral zu und entwickelt laufend neue Lösungen, wie etwa wiederverwendbare Verpackungen (Post Loop) oder eine klimafreundliche Zustelllogistik.
Zudem produzieren wir „Das Kuvert“ seit drei Jahren nach den strengen Richtlinien des „Österreichischen Umweltzeichens“ und unterstützen unsere Kundinnen und Kunden dabei, ihre Flugblätter umweltfreundlich zu drucken. All das spiegelt sich in unseren Werbekampagnen und unserer Employer-Branding-Kommunikation wider. Wir setzen dabei stark auf direkte Kundenkommunikation und unsere eigenen Kanäle. Auch unsere Kundinnen- und Kundenevents sind zertifizierte Green Events.
„Nachhaltigkeit ist uns ein zentrales Anliegen.“
Gerade im adressierten Werbemarkt spielen Datenqualität und Zielgruppengenauigkeit eine zentrale Rolle. Wo liegt Ihrer Meinung nach die richtige Balance zwischen effektiver Zielgruppenansprache und verantwortungsvollem Umgang mit Kundendaten?
Die Post steht für hohe Datenqualität, und wir verpflichten uns zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Kundendaten. In unseren eigenen Kampagnen – wie zuletzt der Kampagne „40 Jahre E-Mail“ – wurde strikt nach Consent-Stufen segmentiert. Empfänger, die ihre Zustimmung gegeben hatten, erhielten digitale Mailings, alle anderen wurden postalisch mit einer Postkarte kontaktiert. Diese Trennung zeigt, dass Datenschutz und effektive Zielgruppenansprache Hand in Hand gehen können.
Die Post entwickelt sich immer stärker zu einem Technologie- und Logistikunternehmen. Wie verändert sich dadurch Ihre Arbeit im Produktmanagement und Marketing? Welche Rolle spielen Innovationen wie hybride Werbeformen oder programmatische Printkampagnen?
Einerseits geht es immer mehr darum, die Kundenbrille aufzusetzen und die Relevanz sowie den Nutzen der Produkte hervorzuheben. Andererseits wird unsere Arbeit immer prozess- und datengetriebener. Produkte und Services müssen so konzipiert werden, dass sie digitale und analoge Nutzer ansprechen.
Im Marketing sind gute Partnerschaften wichtig, um die richtigen Medien mit dem richtigen Content zur richtigen Zeit für die richtige Zielgruppe zu nutzen. Die Anzahl der Partner wird tendenziell steigen, da das spezifische Wissen nicht mehr von einem Partner abgedeckt werden kann. Intern ist Upskilling ein ganz wichtiges Thema: Künstliche Intelligenz, neue Werbeformen und -kanäle „lernen” und viel ausprobieren. Nur so finden wir heraus, welche Trends für uns funktionieren und welche nicht.
„Manchmal braucht es mehr Mut und Selbstbewusstsein, um sich großen Herausforderungen zu stellen.“
Welche Argumente sprechen heute aus Unternehmenssicht noch für klassische Kanäle wie den adressierten Brief oder unadressierte Haushaltswerbung? In welchen Branchen funktionieren physische Kanäle heute besonders gut?
Trotz der fortschreitenden Digitalisierung ist der adressierte Brief nach wie vor ein starker Kommunikationskanal, insbesondere in Branchen mit hohem Vertrauensbedarf und Themen, die wichtige Lebensbereiche wie Finanzen, Energie, Gesundheit oder den öffentlichen Sektor betreffen. Unadressierte Werbung in Form von Flugblättern ist in vielen Bereichen des täglichen Lebens sehr erfolgreich.
Lebensmittel-, Drogerie-, Möbel-, Bau- und Gartenmärkte werben sehr erfolgreich in diesen Medien. Erstaunlich ist, dass neun von zehn Empfängern Flugblätter mindestens einmal pro Woche aktiv lesen. Flugblätter sind mit Abstand das kaufanregendste Werbemedium – und ihre Beliebtheit wächst noch.
Sie selbst stehen an der Spitze eines strategisch wichtigen Bereichs. Wie erleben Sie die Entwicklung weiblicher Karrieren in der Marketingbranche – und was braucht es aus Ihrer Sicht, um noch mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen?
Im Marketing gibt es viele starke und erfolgreiche Frauen. Allein bei der Post werden mehr als 50 Prozent der Führungspositionen im Marketing von Frauen bekleidet.
Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, sind neue Bewertungskriterien für Leistung und Erfahrung wie Care-Kompetenz, Reflexionsfähigkeit und kooperative Führung sicherlich hilfreich. Wichtig ist auch, dass Frauen (aber auch Männern) der Rücken freigehalten wird, wenn sie Care-Verpflichtungen haben, und dass nicht nur Sichtbarkeit und Aufopferung als (Führungs-)Stärke gesehen werden. Und es braucht Vorbilder. Manchmal braucht es mehr Mut und Selbstbewusstsein, um sich großen Herausforderungen zu stellen und darauf zu vertrauen, dass alles gut wird.
Foto: Sabine Klimt