Mag. Astrid Steharnig-Staudinger, CEO der Österreich Werbung, zeichnet im ABW- Interview ein lebendiges Bild der Trends, die das Land als Reiseziel international weiter stärken sollen.
Welche wesentlichen Trends und Herausforderungen prognostizieren Sie für den österreichischen Tourismussektor in den kommenden Jahren?
Die beiden großen Dauerbrenner sind Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Es geht um Themen wie KI-Nutzung, die komplette Guest Journey digital abzubilden, Aktivitäten zentral buchbar zu machen oder durch Bündelung von verschiedensten Daten von innerhalb und außerhalb des Tourismus innovative Anwendungen und Services aufzusetzen.
Im Bereich der Nachhaltigkeit sehen wir, dass nachhaltige Angebote von unseren Gästen immer öfter eingefordert werden. Sie sind in Zukunft wettbewerbsrelevant. Was wir auch seit einigen Jahren beobachten, ist die steigende Bedeutung der Nebensaison. Die Hauptsaison verlängern sich, die Übergänge zwischen den Saisonen werden fließender.
Das ist gut, weil sich die Besucherströme zeitlich besser verteilen und abseits der Hauturlaubszeiten Wertschöpfung in die Regionen kommt. In der Österreich Werbung denken wir in Bezug auf unser Marketing daher auch nicht mehr strikt getrennt in Sommer- und Wintersaison, sondern in Ganzjahresthemen. Einer unserer Schwerpunkte, der das ganze Jahr über Relevanz hat, ist die Kulinarik. Erst vor kurzem ist uns gemeinsam mit den Landestourismusorganisationen geglückt, den Guide MICHELIN zurück nach Österreich zu holen. Bei der Präsentation der Österreich Selektion gab es einen wahren Sterneregen. Das bringt Österreich als Kulinarikdestination international auf die Landkarte.
„In unserer Kommunikation setzen wir auf das typisch österreichische Lebensgefühl.“
Wie vermitteln Sie Nachhaltigkeitsstrategien an internationale Gäste – und welche Resonanz beobachten Sie dabei?
Im Sustainable Travel Index von Euromonitor belegt Österreich den exzellenten dritten Platz, von 99 untersuchten Ländern weltweit. Das ist eine tolle Leistung, darauf können wir stolz sein. Unseren Gästen ist das aber vielfach gar nicht bewusst, wie nachhaltig Urlaub in Österreich ist. Es ist unser aller Job, das zu ändern.
Was wir als Österreich Werbung tun, ist, dass wir Best-Practice-Beispiele verstärkt vor den Vorhang holen und die Branche in ihrer Kommunikation zu unterstützen. Wir stellen zum Beispiel einen Leitfaden für die Green-Claims-Kommunikation zur Verfügung und haben eine Publikation mit nachhaltigen Best-Practice-Beispielen veröffentlicht. Wir ermutigen die Branche, sich und ihre nachhaltigen Angebote in die Auslage zu stellen. Nachhaltigkeit ist zunehmend ein Wettbewerbsfaktor. Unsere Gäste erwarten entsprechende Angebote und sind auch bereit, für Nachhaltigkeit zu bezahlen, das zeigen unsere Studien.
„Es ist wichtig, dass wir bei Nachhaltigkeit nicht nur an Ökologie denken, sondern auch an sozio-kulturelle und ökonomische Themen.“
Was bedeutet für Sie persönlich nachhaltiges Reisen?
Es ist wichtig, dass wir bei Nachhaltigkeit nicht nur an Ökologie denken, sondern auch an sozio-kulturelle und ökonomische Themen. Eine Grundvoraussetzung für den anhaltenden Erfolg von Österreich als Urlaubsland ist, dass Geschäftsmodelle auch ökonomisch nachhaltig sind und dass Tourismus in gutem Einvernehmen mit der örtlichen Bevölkerung stattfindet – Stichwort Tourismusgesinnung. Für mich persönlich bedeutet nachhaltiges Reisen bewusst unterwegs zu sein, mit Respekt für die Natur, die Kultur und die Menschen vor Ort. Es geht darum, lokale Betriebe zu unterstützen, sanft zu reisen und das Tempo manchmal bewusst zu drosseln, um echte Begegnungen zu ermöglichen.
Gibt es bereits Projekte oder Kooperationen, bei denen KI eingesetzt wird, um nachhaltige Angebote für Reisende zu entwickeln oder zu verbessern?
KI ist eine Technologie, mit der sich die Österreich Werbung früh beschäftigt hat. Wir haben bereits vor über anderthalb Jahren unseren Österreich Concierge gelauncht. Der Chatbot beantwortet auf unserer B2C-Website Gästefragen zu Urlaub in Österreich – auch zu nachhaltigem Urlaub – und das 24 Stunden am Tag in so gut wie allen Sprachen.
Generell gehen Digitalisierung und Grüner Wandel Hand in Hand. Echtzeit-Mobilitätsdaten können bei der räumlichen und zeitlichen Verzerrung von Besucherströmen helfen. Dazu hat die Österreich Werbung bereits ein sehr erfolgreiches Projekt im Rahmen des Tourism Data Space durchgeführt. Wenn man Mobilitätsdaten von Handyanbietern mit POI-Daten, Wetterdaten und ähnlichem verknüpft – anonymisiert und unter Berücksichtigung aller Datenschutzbestimmungen –, dann kann man Gästen passende Schlechtwetterprogramme vorschlagen, oder Alternativen zu gerade gut besuchten Sehenswürdigkeiten. Auf KI basierte digitale Assistenten dürften hier in Zukunft auch eine immer größere Rolle spielen.
„Generell gehen Digitalisierung und Grüner Wandel Hand in Hand.“
Wie planen Sie, Österreich als Reiseziel im internationalen Wettbewerb zu positionieren, insbesondere in Bezug auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit?
In unserer Kommunikation setzen wir auf das österreichische Lebensgefühl: Die Gelassenheit, Leichtigkeit und die ganz besondere Einstellung zum Leben, die man nur bei einem Urlaub in Österreich erleben kann. Nachhaltigkeit und Digitalisierung nehmen wir als Chancen wahr, die wir nutzen, indem wir als Branche gemeinsam agieren und kooperieren.
Viele Player im Tourismus – von Betrieben über Tourismusverbände bis zu Landestourismusorganisationen, stehen vor denselben Herausforderungen. Daher ist sinnvoll, sich auszutauschen und Themen gemeinsam anzupacken. Die Österreich Werbung hat im vergangenen Jahr die Initiative „Change Tourism Austria“ (CTA) gelauncht, eine Austauschplattform, um Innovatoren von innerhalb und außerhalb des Tourismus zusammenzubringen. Hier entstehen viele spannende Projekte und Innovationen. Kooperationen in der Branche zu fördern, ist uns ein großes Anliegen und eine Grundlage für den anhaltenden touristischen Erfolg unseres wunderschönen Urlaubslandes.
Zur Person
Astrid Steharnig-Staudinger leitet seit dem Mai 2023 die Österreich Werbung. Die gebürtige Kärntnerin blickt auf eine lange Karriere in unterschiedlichsten Bereichen der Tourismusbranche zurück. Aufgewachsen in einer Kärntner Land- und Gastwirtschaftsfamilie, absolvierte sie zunächst die Kärntner Tourismusschulen und ein Wirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Zentral- und Südosteuropa, bevor sie ihre ersten beruflichen Erfahrungen im Marketing und Vertrieb internationaler Hotelgruppen sammelte. Im Jahr 2003 zog es sie in die Bundeshauptstadt, wo sie beim WienTourismus für das Destinationsmarketing in den CEE-Märkten und Skandinavien verantwortlich war. 2008 gründete sie dann Linking Brands, eine international ausgerichtete Agentur, die Marken- und Wirtschaftskooperationen zwischen Tourismuspartnern und namhaften Consumer Brands etabliert. Bis April 2023 führte Astrid Steharnig-Staudinger Linking Brands über einen Zeitraum von 15 Jahren.
Foto: ÖW/Levi Renger