Karin Seywald-Czihak, MBA. Die Geschäftsführerin der ÖBB Werbung zeigt, wie man Werte in eine glaubwürdige Markenkommunikation übersetzen kann.
Die ÖBB steht wie kaum ein anderes Unternehmen für Mobilität und Nachhaltigkeit in Österreich. Wie gelingt es Ihnen als Geschäftsführerin der ÖBB Werbung, diese gesellschaftlichen Werte in Ihrer Markenkommunikation glaubwürdig zu transportieren und zugleich wirtschaftlich attraktive Werbeflächen zu vermarkten?
Als Mitglied des ÖBB-Konzerns sehen wir es als unsere Verantwortung, Nachhaltigkeit auch in unserer Markenkommunikation erlebbar zu machen. Unsere Werbeflächen befinden sich schließlich genau dort, wo sich Menschen umweltfreundlich fortbewegen: in Bahnhöfen, Zügen und auf dem Weg dorthin. In unserer Kommunikation achten wir darauf, diese Haltung authentisch zu vermitteln, ohne sie zu instrumentalisieren. So entstehen Kampagnen, die Haltung zeigen und wirtschaftlich überzeugen, weil sie relevant, glaubwürdig und nah an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden sind.
Sie haben das landesweite „Railscreen Station“ DOOH‑Netz mit 4K‑Bildschirmen, Interaktivität und programmatischer Buchung maßgeblich vorangetrieben. Wo sehen Sie die größten Potenziale für OOH im Mediamix?
Das größte Potenzial von OOH – insbesondere DOOH – im Mediamix liegt in seiner Fähigkeit, hohe Sichtbarkeit mit Interaktivität und Relevanz zu verbinden. Über digitale Netze können Inhalte dynamisch, kontextsensitiv und in Echtzeit ausgespielt werden. Die Verknüpfung mit mobilen Endgeräten, Social Media oder QR-Code-Mechaniken ermöglicht eine dialogfähige und messbare Ansprache. So wird aus klassischer Außenwerbung ein interaktiver Touchpoint, der nicht nur Aufmerksamkeit generiert, sondern auch Engagement fördert und damit eine Brücke zwischen Online- und Offlinewelt schlägt.
„Unsere Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind kein Marketing-Add-on, sondern fester Bestandteil unseres Produktportfolios.“
ÖBB Werbung setzt auf CO₂‑reduzierte Formate, zertifizierten Ökostrom, LED‑Technik, „Schienenbienen“, etc.. Wie lassen sich diese Nachhaltigkeitsinitiativen zum glaubwürdigen Bestandteil Ihrer Markenkommunikation machen und wie unterscheiden sie sich von purem Greenwashing?
Unsere Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind kein Marketing-Add-on, sondern fester Bestandteil unseres Produktportfolios. Wir nutzen Ökostrom, setzen auf LED-Technik, forcieren CO₂-reduzierte Werbeträger und unterstützen Naturschutzprojekte. Wichtig ist uns, dass wir nicht nur das Ergebnis, sondern auch den Weg dorthin kommunizieren – transparent und nachvollziehbar. So schaffen wir Vertrauen bei unseren Kundinnen und Kunden. Greenwashing entsteht schließlich nur dort, wo Versprechen nicht mit Taten übereinstimmen.
Bei der Bonusprogrammkampagne zur ÖBB Vorteilscard nutzen Sie 360°‑Medienmix mit Mixed‑Reality DOOH‑Elementen. Wie beeinflusst Bewegtbild‑Storytelling an Bahnhöfen die emotionale Bindung der Kund*innen im Vergleich zur klassischen OOH?
Bahnhöfe sind emotionale Orte voller Bewegung, Begegnungen und individueller Geschichten. Bewegtbild ermöglicht es Marken, in diesem emotionalen Moment authentisch präsent zu sein. Durch Mixed-Reality-Elemente und dynamische Inhalte wird Aufmerksamkeit generiert und eine emotionale Verbindung aufgebaut. Das stärkt die Markenwahrnehmung und wirkt sich positiv auf das Markenimage und die Kaufbereitschaft aus – insbesondere bei jüngeren Zielgruppen.
„Führung ist heute weniger Hierarchie, sondern vor allem Haltung und Authentizität.“
Mit der Lehrlingskampagne „Go big. Bigger. ÖBB.“ haben Sie gezielt auf die Generation Alpha gesetzt und mit TikTok-Codes, Fashion-Ästhetik und Empowerment-Narrativen gearbeitet. Was waren die wichtigsten Learnings bei der Entwicklung dieser Kampagne und wie gelingt es Ihrer Meinung nach, im schnellen Social-Media-Takt nicht nur Aufmerksamkeit zu gewinnen, sondern echte Wirkung bei einer zunehmend werbekritischen Zielgruppe zu erzeugen?
Unser Ziel war es nicht, einfach nur Aufmerksamkeit zu erzeugen, sondern echte Relevanz bei einer jungen, zunehmend werbekritischen Zielgruppe zu schaffen. Das ist nur möglich, wenn man ihre Lebenswelt wirklich versteht und respektiert. Unsere wichtigsten Erkenntnisse dabei waren: Authentizität ist sehr wichtig. Denn junge Menschen merken sofort, ob man sie ernst nimmt. Deshalb haben wir den echten Lehralltag inklusive ihrer Sprache in den Mittelpunkt gestellt.
Haltung schlägt Hochglanz. Uns ging es nicht um eine perfekte Inszenierung, sondern um eine klare Botschaft: „Du kannst bei uns groß denken, groß werden – aber vor allem du selbst bleiben.“ Diese Art von Empowerment kommt an, weil sie echt ist und weil sie etwas bewegt.
Plattformgerechtigkeit zählt. TikTok folgt völlig anderen Regeln als klassische Werbung. Wir haben mit TikTok-Codes wie Trends, Challenges und Fashion-Vibes gearbeitet und nicht versucht, althergebrachte Inhalte in ein junges Format zu pressen. Das hat für organische Aufmerksamkeit gesorgt.
Wirkung braucht Beteiligung. Die Generation Alpha will nicht nur konsumieren, sondern mitgestalten. Deshalb haben wir bewusst Formate gewählt, die Interaktion ermöglichen und in denen sich junge Menschen wiederfinden – und idealerweise mitmachen können.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung von DOOH – technisch, inhaltlich und strategisch – in den nächsten Jahren?
Digitale Außenwerbung steht am Beginn einer spannenden Transformationsphase. Wir erwarten mehr verfügbares Inventar, präzisere Ausspielungen durch Data-Targeting sowie eine stärkere Integration von Sensorik und KI. Inhaltlich wird Relevanz zur Währung: Wer es schafft, zur richtigen Zeit den richtigen Inhalt am richtigen Ort auszuspielen, wird gewinnen. Strategisch wird DOOH noch enger mit Online- und Mobile-Kanälen verschmelzen – darauf freue ich mich als Werberin ganz besonders.
Sie führen ein Unternehmen, das sich im Spannungsfeld zwischen klassischer Außenwerbung und digitaler Innovation bewegt. Was ist Ihnen in Ihrer Führungsrolle besonders wichtig, um Kreativität, Innovation und Kundenorientierung miteinander zu verbinden?
Führung ist heute weniger Hierarchie, sondern vor allem Haltung und Authentizität. Für mich bedeutet gute Führung auch, den Teams den nötigen Freiraum zu geben, damit sie sich entfalten und mutig Neues ausprobieren können. Denn Kreativität kann nur entstehen, wenn Menschen spüren, dass sie Freiraum haben. Innovation gelingt, wenn Vielfalt gelebt wird und wir eine offene Fehlerkultur pflegen, in der aus Fehlern gelernt werden darf. Echte Kundenorientierung beginnt für mich mit aufrichtigem Zuhören. Denn Erfolg entsteht, wenn Kundenbedürfnisse verstanden und mit passenden Lösungen erfüllt werden.
Foto: ÖBB/Knopp