Sie ist Director People & Culture bei ISS Österreich, dem erfolgreichen Marktführer für integrierte Facility Services. Ein ABW-Interview über die Rolle von Führungskräften und warum ohne strategisch verankertes HR kein Unternehmen zukunftsfähig bleibt.
Wenn Sie an Ihre berufliche Laufbahn zurückdenken: War es Zufall oder Überzeugung, dass Sie im HR-Bereich gelandet sind?
Ich bin überzeugt, dass nichts im Leben reiner Zufall ist. Ich glaube, dass sich Gelegenheiten bieten, die frau erkennen und nützen muss. Ich habe sehr früh in meiner Karriere erkannt, dass es der HR-Bereich ist, in dem ich arbeiten möchte.
Schon als Jugendliche habe ich im Familienunternehmen gesehen, dass in erster Linie die Mitarbeitenden dazu beitragen, wie erfolgreich ein Unternehmen ist. In den ersten Rollen nach Abschluss des Studiums habe ich dann erkannt, dass ein Unternehmen das entsprechende Umfeld, die Kultur und die Entwicklungsmöglichkeiten schaffen muss, damit die Mitarbeitenden ihren Beitrag leisten können und wollen. Für mich war früh klar: HR ist mein Weg – und die Gelegenheiten, die sich boten, habe ich ergriffen.
Was bedeutet für Sie persönlich der Begriff People & Culture und worin unterscheidet sich dieser Zugang vom klassischen Personalmanagement?
Ganz allgemein gesprochen: Die Funktion hat sich in den letzten Jahrzehnten gewaltig verändert. Ich erinnere mich noch daran, dass Mitarbeitende in erster Linie ins „Personalbüro“ gegangen sind, wenn sie einen Krankenschein brauchten oder um einen Urlaubsantrag auszufüllen. Das hat sich zum Glück komplett geändert und spiegelt sich auch in den verschiedenen Bezeichnungen wider, die die Funktion über die Jahre hatte.
Bei ISS heißt die Abteilung schon lange People & Culture – weil wir früh erkannt haben, dass es um weit mehr geht als um administrative Prozesse. Natürlich müssen Payroll und Vertragsmanagement fehlerfrei laufen, das ist die Basis. Aber heute verstehen wir uns als gleichwertiger, strategischer Partner im Unternehmen – eng verzahnt mit der Unternehmensstrategie.
Das ist besonders bei uns, einem Dienstleistungsunternehmen, dessen Services ausschließlich von Menschen erbracht werden, essenziell. Unser Auftrag ist es, die gesamte „People Journey“ – egal ob Bewerberinnen und Bewerber, Mitarbeitende oder ehemalige Mitarbeitende - positiv zu gestalten: vom Employer Branding über Recruiting, Onboarding, Training & Development bis hin zum Offboarding. Entscheidend sind Erlebnisse, die zählen – durch effiziente Prozesse, einfache Tools, offene Kommunikation, Entwicklungsmöglichkeiten, Flexibilität und Führung auf Augenhöhe.
„Ich bin überzeugt, dass nichts im Leben reiner Zufall ist.“
ISS Austria zählt zu den größten Dienstleistungsunternehmen des Landes. Wie gestaltet man in einem so großflächigen, vielfältigen Unternehmen eine einheitliche Kultur oder ist gerade Vielfalt Teil der Kultur?
Wir sind Marktführer, größter Arbeitgeber in unserer Branche und einer der größten Arbeitgeber Österreichs. Das verpflichtet uns, eine klare, einheitliche Kultur im Sinne von gemeinsamen Werten vorzuleben. Gleichzeitig ist Vielfalt Teil unserer Identität und genau das, was uns ausmacht und wovon wir profitieren: Wir beschäftigen über 90 Nationen. Diese Diversität bringt unterschiedliche Perspektiven, aber natürlich auch Arbeitsweisen und Herausforderungen mit sich.
Wir machen sie sichtbar und erlebbar, etwa bei unserem Nationentag, wo Mitarbeitende landestypische Speisen mitbringen oder ihre Bräuche vorstellen. So fördern wir Bewusstsein für Unterschiede – und zeigen, dass Vielfalt uns stärker macht.
Neben der Vielfalt an Nationalitäten zeichnet uns auch aus, dass wir beinahe zu drei Viertel Frauen beschäftigen. Darauf sind wir stolz und treiben aktiv Themen wie Vermeidung von Altersarmut, Kinderbetreuungsangebote und Wiedereinstiegsmöglichkeiten nach der Karenz voran, mit dem Ziel langfristig als einer der frauenfreundlichsten Arbeitgeber in der Branche wahrgenommen zu werden.
Sie sind Teil des Leadership-Teams. Wie wichtig ist es für Sie, dass HR nicht „mitläuft“, sondern strategisch mitgestaltet?
Auf einer Skala von 1 bis 10: eine klare 10! HR ist kein Mitläufer im Hintergrund, sondern ein entscheidender Gestalter unserer Zukunft – von Kultur und Leadership über Talentmanagement bis hin zu Transformationen. Ohne strategisch verankertes HR lassen sich Unternehmensziele nicht nachhaltig erreichen. Genau das leben wir bei ISS mit unseren aktuellen strategischen Initiativen bereits intensiv vor.
„Wertschätzung muss also auf allen Ebenen gelebt werden.“
In einer Organisation mit tausenden Mitarbeitenden: Wie schafft man es, dass sich jeder Einzelne gesehen und wertgeschätzt fühlt?
Das ist in der Tat eine große Herausforderung – bei 7.000 Mitarbeitenden, für mehr als 1.600 Kunden an rund 5.000 Standorten in ganz Österreich. Es ist nicht allein die Größe unseres Unternehmens, sondern auch die Tatsache, dass unsere Mitarbeitenden weit verstreut tagtäglich agieren und dabei auch die DNA unserer Kunden bestmöglich verstehen sollen und möchten.
Hier kommt den direkten Vorgesetzen eine ganz zentrale Verantwortung zu und nehmen eine Schlüsselrolle ein: Sie müssen vor Ort sein, zuhören, Feedback geben und Wertschätzung ausdrücken. Auch unsere Kunden tragen dazu bei. Es macht für Mitarbeitende einen großen Unterschied, ob sie tagsüber sichtbar sind und Teil der Kundenorganisation werden oder ob sie in Randzeiten arbeiten, wo ihre Leistung unsichtbar bleibt. Wertschätzung muss also auf allen Ebenen gelebt werden.
Wenn Sie den Satz „Gute Unternehmenskultur beginnt für mich bei …“ vervollständigen müssten – wie würde er lauten?
…beim Vorleben an der Unternehmensspitze.
Und abschließend: Welche Eigenschaften braucht eine HR-Führungskraft in der heutigen Zeit unbedingt und welche darf sie ruhig über Bord werfen?
Unverzichtbar sind unternehmerisches und strategisches Denken, Flexibilität, Durchhaltevermögen, Neugierde und Offenheit für Neues – insbesondere im Hinblick auf Digitalisierung und den Einsatz von KI. Nur wer technologische Entwicklungen versteht und integriert, kann moderne People-&-Culture-Arbeit gestalten. Im Umkehrschluss sollte die Beschäftigung mit administrativen Aufgaben reduziert und so effizient wie möglich gestaltet werden und das Denken in starren Strukturen und Abläufen über Bord geworfen werden. Der Fokus gehört auf die Gestaltung der Zukunft.
Foto: Sandra Oblak