Claudia A.Figl, MAS. Die Bank Gutmann Partnerin und Leiterin des Bereichs Private Clients über Vertrauen, Stabilität und individuelle Bedürfnisse.

 

Seit ihrer Gründung im Jahr 1922 hat sich die Bank Gutmann AG mit einem klaren Bekenntnis zu Stabilität, Vertrauen und persönlichem Service einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Dieser traditionsreiche Hintergrund wird durch eine konsequente Ausrichtung auf moderne Entwicklungen ergänzt. „So gelingt es der Bank, die Werte eines etablierten Familienunternehmens – Integrität, Diskretion und individuelle Betreuung – mit zeitgemäßen Technologien zu verbinden. Kundinnen und Kunden profitieren damit von einer reibungslosen Verzahnung bewährter Prinzipien und innovativer Lösungen, was dem Haus große Flexibilität bei der Anpassung an veränderte Bedürfnisse ermöglicht“, sagt Claudia A. Figl.

 

„Die zentrale Aufgabe besteht darin, Frauen zu ermutigen, ihre Finanzen aktiv zu gestalten und ihnen die passenden Lösungen für ihre jeweiligen Ziele aufzuzeigen.“

 

Langfristige Partnerschaften

Ein zentraler Pfeiler dieser Ausrichtung ist die Verlässlichkeit im Asset Management. Bank Gutmann setzt auf jahrzehntelange Erfahrung, fundierte Expertise und ein starkes Fundament in ihrer eigenen Kapitalanlagegesellschaft. „Transparenz spielt hierbei eine entscheidende Rolle: Regelmäßige, umfassende Informationen über Marktbewegungen und persönliche Anlagestrategien sind essenziell. Hinzu kommt die sorgfältige Auswahl und laufende Überwachung von Investmentlösungen, um das Vermögen der Kundinnen und Kunden zu schützen und Risiken zu minimieren. Nicht zuletzt stehen langfristige Partnerschaften im Fokus. Durch eine kontinuierliche, anpassungsfähige Betreuung und die Berücksichtigung individueller Lebenssituationen kann eine nachhaltige Entwicklung von Vermögen gelingen“, so Figl.

Reagieren auf Veränderungen

Gerade in volatilen Marktphasen wird der persönliche Dialog besonders wichtig. „Zu Beginn jeder Geschäftsbeziehung nehmen wir uns bewusst Zeit für eine genaue Analyse der Wünsche, Ziele und Risikotoleranzen. Diese detaillierte Bestandsaufnahme bildet das Fundament sämtlicher Investitionsentscheidungen“, sagt die Finanzexpertin. Gleichzeitig bleibt die langfristige Perspektive entscheidend: Selbst wenn kurzfristige Marktschwankungen auftauchen, orientiert sich die Bank an den übergeordneten Zielen ihrer Kundinnen und Kunden. Um auf veränderte Gegebenheiten zu reagieren, werden Portfolios regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst, ohne jedoch überstürzt auf jede kurzfristige Volatilität zu reagieren.

 

„Unsere Beratung orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen oder Kundinnen und Kunden.“

 

Über Geld sollte man sprechen

Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Thema Vermögensnachfolge und Familienabsicherung. Hier setzt man auf sensibel geführte Gespräche und ein sorgfältig aufgebautes Netzwerk von Steuer- und Rechtsberatern. Ziel ist, Kundinnen und Kunden für diese oft unbequemen Fragen zu öffnen und auch die nächste Generation frühzeitig einzubeziehen. So können Vermögensübergänge rechtssicher, steuerlich optimiert und in einem vertrauensvollen Rahmen erfolgen.

Besonders bei der Betreuung vermögender Menschen in Österreich unterstreicht Claudia A. Figl, dass es keine speziellen „Frauenprodukte“ braucht, sondern vielmehr eine Beratung, die sich an den individuellen Bedürfnissen orientiert. „Die zentrale Aufgabe besteht darin, Frauen zu ermutigen, ihre Finanzen aktiv zu gestalten und ihnen die passenden Lösungen für ihre jeweiligen Ziele aufzuzeigen“, so Figl. Dazu zählt auch die Veranstaltungsreihe „MoneyTalks“, die Interessierten eine Plattform für Austausch und Inspiration bietet. Auf diese Weise schafft die Bank Gutmann einen Raum, in dem Frauen wie Männer gleichermaßen fundierte finanzielle Entscheidungen treffen und langfristig Werte aufbauen können.

Foto: Bank Gutmann

Zitate:  

 

 

 

Worauf Frauen bei der Veranlagung achten sollten und was mit dem Mentoring-Programm „Female Empowerment“ bewirkt werden soll.

 

Angesichts der jüngsten wirtschaftspolitischen Entwicklungen in Europa und global –– welche Trends beeinflussen Ihre strategischen Entscheidungen und wie reagieren Sie darauf?

Kundenorientierung und persönliche Betreuung sind und bleiben auch in Zukunft und abseits von Trends der Kern des Geschäftsmodells der Raiffeisenlandesbank OÖ. Ziel ist es, Unternehmen, Institutionen und Privatkunden umfassend zu begleiten und sie als stabiler Partner bei ihren Vorhaben zu unterstützen. Neben dem klassischen Bankgeschäft forciert die Raiffeisenlandesbank OÖ auch weiterhin die Bereitstellung von Eigenkapital. Unsere Beteiligungen sind und bleiben ein wesentliches strategisches Standbein und unterscheiden uns maßgeblich von anderen Banken.

Um unsere Marktposition zu stärken, investieren wir gezielt in digitale Technologien und innovative Finanzprodukte. Durch Effizienzsteigerungen und Kostenoptimierungen wollen wir unsere Ertragskraft erhöhen und unsere starke Kapitalbasis weiter ausbauen. Nachhaltigkeit ist ebenfalls ein zentraler Bestandteil unserer Strategie. Wir verfolgen konsequent unsere ESG-Ziele und fördern grüne Finanzierungen, um einen positiven Beitrag zur Gesellschaft und Umwelt zu leisten.

 

„Es gibt Aufholbedarf beim Thema Finanzbildung. Dabei muss bei Frauen vor allem auch das Bewusstsein für die Altersvorsorge geschärft werden. Die Aufgabe der Banken ist dabei, umfangreich und intensiv zu beraten.“

 

Wie nutzt die RLB OÖ digitale Transformation und innovative Geschäftsmodelle, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Die Raiffeisenlandesbank OÖ verfolgt eine umfassende Digitalisierungsstrategie, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Strategie umfasst Investitionen in neue Technologien, Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle sowie die kontinuierliche Entwicklung digitaler Fähigkeiten auf allen Ebenen. 

Wir kombinieren das klassische Bankgeschäft mit zukunftsweisender Technologie, um uns als zukunftsorientierter Marktführer zu positionieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt unserer Strategie ist die kollaborative Innovation. Mit dem neuen Raiffeisen Innovation Center am Campus der Johannes Kepler Universität Linz öffnen wir uns nach außen und setzen auf Kooperationen mit Partnern, insbesondere FinTechs, um neue Produkte und Lösungen zu entwickeln und flexible Kooperations- und Integrationsmodelle zu schaffen.

Inwiefern fördert die RLB OÖ eine Kultur der Diversität und Inklusion und welche Rolle spielt dies in Zeiten, in denen Unternehmen vermehrt als gesellschaftliche Vorreiter wahrgenommen werden?

Es ist unser Ziel, dass sich alle Mitarbeitenden akzeptiert und unterstützt fühlen. Uns ist wichtig, das Verständnis füreinander zu fördern. Wenn wir eine inklusive Unternehmenskultur pflegen, die die Vielfalt unserer Belegschaft wertschätzt, trägt das zu einem positiven Arbeitsklima bei – und das zahlt auf unseren Unternehmenserfolg ein.

In der Vielfalt liegt unsere Stärke: Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ein wichtiger Teil unseres Unternehmenserfolges – egal, welcher Generation oder welchem Geschlecht sie angehören oder welche Herkunft sie haben. Ausgewählte Inklusionsworkshops, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Teams sensibilisieren, wie Integration gelingen kann, sind eine wichtige Basis für ein gelungenes Miteinander in der Raiffeisenlandesbank OÖ. Wir haben auch bereits zwei Mal einen bundesweiten Diversitätskongress für den Raiffeisen-Sektor bei uns im Haus ausgerichtet und uns hier intensiv mit dem Potenzial beschäftigt, das in unserer Vielfalt liegt. 

Der Fachkräftemangel und der Wettbewerb um Talente sind aktuell zentrale Themen. Wie setzen Sie sich dafür ein, dass insbesondere Frauen im oberen Management und aufstrebende Talente in Ihrem Unternehmen gefördert werden?

Die Rekrutierung und Bindung von hochqualifizierten Menschen und gelebte Chancengleichheit sind ein immer wichtigerer Bestandteil unserer Unternehmenskultur und ein unerlässlicher Faktor für unseren Unternehmenserfolg. Zudem ist eines der Strategieziele der Raiffeisenlandesbank OÖ, den Frauenanteil in Führungs- und Fachpositionen bis Ende 2027 auf 30 Prozent zu erhöhen.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde 2024 das Mentoring-Programm „Female Empowerment“ für gezielte Frauenförderung in unserem Unternehmen ins Leben gerufen. Gleichberechtigung zählt bei uns auch bei der Aus- und Weiterbildung. Deshalb haben wir uns im Vorstand der Raiffeisenlandesbank OÖ darauf verständigt, dass bei unternehmensinternen Management-Lehrgängen eine Quote von 50:50 angestrebt wird.

 

„Der globale Wettbewerb verschärft sich weiter und wir müssen aufpassen, dass Europa nicht den Anschluss verliert und es zu einer weiteren De-Industrialisierung kommt.“

 

Das Thema finanzielle Bildung ist in Österreich traditionell eher schwach ausgeprägt. Welche Rolle sehen Sie hier für die Banken, insbesondere die Raiffeisenlandesbank OÖ, um das Bewusstsein und das Wissen in der Bevölkerung, speziell bei Frauen, zu stärken?

Ja, es gibt Aufholbedarf beim Thema Finanzbildung. Dabei muss bei Frauen vor allem auch das Bewusstsein für die Altersvorsorge geschärft werden. Die Aufgabe der Banken ist dabei, umfangreich und intensiv zu beraten. Aus diesem Grund haben wir beispielsweise auch das sogenannte „Female Finance“-Konzept aus der Taufe gehoben – ein ganzheitliches Vertriebskonzept, das die Themen individuelle Beratung, Informationsveranstaltungen und finanzielle Bildung beinhaltet und sicherstellt, dass unsere Kundinnen kontinuierlich unterstützt werden. 

Darüber hinaus bietet Raiffeisen OÖ ein umfassendes Angebot für Bildungseinrichtungen, um junge Menschen frühzeitig im verantwortungsvollen Umgang mit Geld zu schulen. Auch ein spielerischer Umgang mit Geld ist wichtig, den wir mit dem OÖN-Börsespiel erfüllen. Weiters bietet Raiffeisen OÖ auch verschiedene Veranstaltungsformate wie z.B. die Reihe „Master of Zaster“ an, die bei unseren Kundinnen und Kunden sehr gut ankommen. 

Angesichts der Tatsache, dass viele Frauen in Österreich in Teilzeit arbeiten, welche konkreten Empfehlungen haben Sie für Frauen, um trotz möglicherweise geringeren monatlichen Einkommens eine tragfähige Altersvorsorge aufzubauen?

Ich empfehle allen Frauen, sich frühzeitig mit dem Thema Vorsorge auseinanderzusetzen. Leider wird oftmals unterschätzt, wie groß die Pensionslücke durch Teilzeitarbeit später einmal ausfallen wird. Und darüber hinaus verläuft das Leben leider nicht immer linear und daher ist es so wichtig, abgesichert zu sein.

Wenn man gleich mit Berufsstart regelmäßig Geld zur Seite legt, kann man auch schon mit kleineren Beträgen gut für die Zukunft vorsorgen. Es geht darum, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen und sicherzustellen, dass man auch im Alter unabhängig und selbstbestimmt bleiben kann. Daher meine Empfehlung: Frühzeitig mit der Vorsorge beginnen, regelmäßig ansparen und sich über Finanzprodukte und Strategien informieren und beraten lassen, um Entscheidungen fundiert treffen zu können. 

 

„Chancengleichheit ist ein wichtiger Bestandteil unserer Unternehmenskultur und ein unerlässlicher Faktor für unseren Unternehmenserfolg.“

 

Wie könnte es gelingen, mehr Menschen in Österreich, insbesondere Frauen, für langfristige Anlageformen wie beispielsweise ETFs zu begeistern?

Die Möglichkeit, ETFs zu erwerben, könnte von Frauen noch viel stärker in Anspruch genommen werden. Um ihr Interesse und Vertrauen in ETFs zu stärken, braucht es meiner Ansicht nach noch viel mehr gezielte Bildung, Aufklärung und Beratung. Letztlich geht es auch hier um das Thema Vorsorgestrategie, das mir ein großes Anliegen ist.  

Welche Vision haben Sie für die Zukunft der europäischen Wirtschaft?

Der globale Wettbewerb verschärft sich weiter und wir müssen aufpassen, dass Europa nicht den Anschluss verliert und es zu einer weiteren De-Industrialisierung kommt. Hohe Abgaben und Bürokratie bremsen uns im Vergleich zu anderen Ländern und Regionen. Eine engere Zusammenarbeit auf EU-Ebene, eine maßgebliche Entbürokratisierung und schnellere Entscheidungen wären dringend nötig. Wir müssen es schaffen, uns von einem dokumentations- und Regulatorik-getriebenen System zu einem Anreizsystem zu entwickeln. 

Dennoch ist meine Vision für die Zukunft der europäischen Wirtschaft geprägt von Optimismus und dem Glauben an die Stärke unseres Kontinents. Trotz großer wirtschaftlicher und politischer Herausforderungen kann Europa erfolgreich sein, wenn es sich auf seine Stärken besinnt und alle Länder gemeinsam an einem Strang ziehen. 

Foto: RLB OÖ/Erwin Wimmer

 

 

 

 

 

 

 

 

Turbulente Zeiten, fragile Konjunktur: Warum gerade jetzt ein kühler Blick auf Risiken zählt und wie Kreditversicherer Coface Unternehmen dabei unterstützt, Flexibilität und Resilienz zu stärken, verrät Country Managerin Mag. Dagmar Koch.

 

„Bewährte Vorhersagemodelle greifen nicht mehr“, warnt Mag. Dagmar Koch, Country‑Managerin von Coface Österreich. Inflation, Kriege und Handelskonflikte stellen Geschäftspläne auf den Kopf. Koch rät zu maximaler Beweglichkeit: Produktion, Personal, Lager, Investitionen und Liquidität müssten laufend angepasst werden. Voraussetzung sei Transparenz – Kunden, Lieferanten, Banken und Kreditversicherer wollen zeitnah eingebunden sein.

Schutzschirm gegen Forderungsausfälle

Steigen externe Risiken, wird Absicherung zum Must‑have. Eine Kreditversicherung, erklärt Koch, „federt Forderungsausfälle ab und macht sie kalkulierbarer“. Langjährige Marktdaten, weltweite Niederlassungen und Pflichtmeldungen über Zahlungsverzug liefern Coface ein Frühwarnsystem, das Kundinnen und Kunden auf wackelige Geschäftspartner hinweist – unbezahlbar in einer Welt, in der ein einziger Zahlungsausfall die Liquidität kippen kann.

Führen mit Weitblick und Vielfalt

Was reizt die ehemalige Bankerin an ihrem Job? „Coface ist ein Unternehmen, das am Puls der Zeit ist und sein muss, Coface hat einen Weitblick und eine globale Expertise wie kaum ein anderes Unternehmen. Dieses Know-how mit lokalen Marktkenntnissen gemeinsam mit einem engagierten Team auf Österreich herunterzubrechen ist eine fordernde und höchst interessante Aufgabe. Ich kann in diesem Job unglaublich viel gestalten und gleichzeitig von dem Wissen der Organisation profitieren. Wir verbinden Professionalität mit Regionalität zum Wohle unserer Kunden.“ Diversität und Empowerment sieht Koch als Treiber für Innovation und bessere Entscheidungen.  

Branchen unter Druck

Coface analysiert laufend Zahlungsverhalten und Ausfallsrisiken. Aktuell kritisch: Bau und Baunebengewerbe, der Handel in seiner Transformationsphase sowie die heimische Autozulieferindustrie, die sich auf eine Zeitenwende einstellen muss. „Jede Branche braucht heute ein eigenes Risikoradar“, betont Koch – und schnelle Stellhebel, falls die Ampel auf Gelb springt.

Tipps für Unternehmerinnen

Finanzielle Sicherheit beginnt bei konservativer Planung. „Risiko darf man eingehen, aber nur mit Back‑up‑Szenario“, so Koch. Liquiditätsreserven, eine breite Kundenbasis und professionelle Kreditabsicherung bilden das Sicherheitsnetz – besonders für Unternehmerinnen, die oft risikoaverser agieren und damit derzeit genau richtig liegen.

Blick nach vorn

Drittes Rezessionsjahr, wachsende Budgetlöcher: Dagmar Koch sieht Handlungsbedarf. Die Politik müsse das Defizit drosseln und Unternehmen Freiraum lassen, Produktivität steigern und Talente fördern. Externe Faktoren – von Trump‑Zöllen bis Ukraine‑Krieg – bleiben große Unbekannte. „Doch Optimismus und Vertrauen sind das beste Fundament“, sagt sie. Glauben Konsumentinnen und Konsumenten wieder an die heimische Wirtschaft, kurbelt das den Konsum an – und gibt Österreichs Konjunktur den nötigen Schub.

Foto: Coface

Die Präsidentin des Hayek Instituts im Austrian Business Woman-Interview über Bürokratie, Steuern und Staatsschulden.

 

Österreich gilt im internationalen Vergleich oft als Hochsteuerland. Welche konkreten Schritte empfehlen Sie, um die Abgabenquote zu senken?

Österreichs hohe Abgabenquote bremst tatsächlich unsere wirtschaftliche Dynamik. Um sie zu senken, ohne die soziale Absicherung grundlegend zu gefährden, brauchen wir tiefgreifende Strukturreformen, keine oberflächlichen Korrekturen. Das bedeutet zum einen, alle staatlichen Ausgaben auf ihre Notwendigkeit und Effizienz zu überprüfen – vor allem Subventionen müssen kritisch hinterfragt und konsequent abgebaut werden.

Zum anderen müssen wir unser Sozialsystem reformieren: Mehr Eigenverantwortung, stärkere Anreize zur Arbeitsaufnahme und zum längeren Arbeiten sind nötig. Langfristig könnte eine stärkere Betonung kapitalgedeckter Elemente neben dem Umlagesystem Entlastung bringen, ebenso wie mehr Effizienz in der Verwaltung der Sozialleistungen. Entscheidend ist aber auch eine grundlegende Steuerreform: Wir brauchen ein einfacheres, transparenteres System mit niedrigeren Sätzen, vor allem bei der Lohn- und Unternehmenssteuer. Das macht Arbeit und Investitionen wieder attraktiver und senkt nebenbei die hohen administrativen Kosten unseres aktuellen Steuersystems.

 

„Die stetig wachsenden Staatsschulden sind eine ernste Hypothek für künftige Generationen.“

 

Kritiker sagen, dass überbordende Bürokratie Österreichs Wettbewerbsfähigkeit hemmt. Wie würden Sie Bürokratie abbauen?

Die überbordende Bürokratie hängt eng mit der übermäßigen Regulierung zusammen, insbesondere mit der Flut an Ausnahme- und Sonderregeln – die Regulierungen gehören radikal vereinfacht und Ausnahme- sowie Sonderregeln abgeschafft. Wir brauchen eine systematische Deregulierung. Instrumente wie „Sunset Clauses“ bei denen Regeln automatisch auslaufen, wenn sie nicht aktiv verlängert werden, oder das „One-in, two-out“-Prinzip – für jede neue Regelung müssen zwei alte gestrichen werden – zwingen zu einem viel sorgsameren Umgang mit Regulierung.

Wichtig ist auch, den Fokus zu ändern: Vorschriften sollten klare Ziele vorgeben, aber den Weg dorthin offenlassen, um Innovation nicht im Keim zu ersticken. Natürlich spielt die konsequente Digitalisierung der Verwaltung eine Schlüsselrolle, um Verfahren zu beschleunigen. Und wir sollten darauf vertrauen, dass Haftungsregeln und der gute Ruf eines Unternehmens – also Marktmechanismen – für Qualität und Sicherheit sorgen können, statt alles präventiv bis ins kleinste Detail zu regeln. Wichtige staatliche Kontrollen sollten sich auf Kernbereiche wie den Schutz von Leib, Leben und Eigentum konzentrieren.

Österreichs Staatsschulden wachsen seit Jahren. Wie könnte eine nachhaltige Budgetpolitik aussehen? 

Die stetig wachsenden Staatsschulden sind eine ernste Hypothek für künftige Generationen und engen unseren politischen Handlungsspielraum heute schon massiv ein. Eine nachhaltige Budgetpolitik erfordert zuallererst strikte Ausgabendisziplin. Der Staat muss klar definieren, was seine Kernaufgaben sind, und sich konsequent von allem anderen trennen. Verbindliche Schuldenbremsen, idealerweise in der Verfassung verankert, sind unerlässlich, um Neuverschuldung und Gesamtverschuldung wirksam zu begrenzen.

Entscheidend ist für mich: Die Haushaltskonsolidierung muss über die Ausgabenseite erfolgen. Steuererhöhungen würden die Wirtschaft nur zusätzlich abwürgen. Im Gegenteil: Wir sollten massive Subventionskürzungen dazu nutzen, die Abgaben zu senken und so die Wirtschaft anzukurbeln. Transparenz über die langfristigen fiskalischen Folgen politischer Entscheidungen ist ebenfalls Gebot der Stunde. Mein klarer Rat an die Regierung lautet: Ein glaubwürdiges Bekenntnis zu einem mittelfristig ausgeglichenen Haushalt, untermauert durch konkrete, mutige Sparmaßnahmen auf der Ausgabenseite und wachstumsfördernde Strukturreformen.

 

„Österreichs hohe Abgabenquote bremst unsere wirtschaftliche Dynamik.“

 

Vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und der Klimaziele der EU wird häufig mehr staatliches Eingreifen gefordert. Sehen Sie eine Gefahr, dass solche Eingriffe Marktmechanismen untergraben?

Diese Gefahr sehe ich sehr deutlich. Die Forderung nach staatlichen Eingriffen wie Preisdeckeln oder massiven Subventionen für einzelne Technologien ist zwar verständlich, aber brandgefährlich, weil sie die fundamentalen Marktmechanismen aushebeln kann. Man muss sich ehrlicherweise fragen: Sind nicht viele der Probleme, derentwegen heute nach dem Staat gerufen wird, überhaupt erst durch frühere staatliche Eingriffe entstanden? Wir laufen Gefahr, in eine endlose Interventionsspirale zu geraten.

Marktpreise sind essenzielle Signale für Knappheit; sie lenken Investitionen und Konsum viel effizienter, als es jede staatliche Planung könnte. Wenn der Staat diese Signale durch Eingriffe verzerrt, drohen Fehlinvestitionen, Angebotsengpässe und Ressourcenverschwendung. Der Staat ist erfahrungsgemäß auch schlecht darin, die 'richtigen' Technologien auszuwählen – das führt zu einer ineffizienten Allokation von Kapital und bremst Innovationen in andere, vielleicht vielversprechendere Richtungen.

Statt direkt dirigistisch einzugreifen, sollte der Staat verlässliche Rahmenbedingungen schaffen: klare Eigentumsrechte – zum Beispiel durch einen funktionierenden Emissionshandel mit einer festen Obergrenze für CO2 – und den Abbau von Marktzutrittsbarrieren. Wichtig ist dabei strikte Technologieneutralität, statt politische Favoriten zu fördern.

In Österreich genießt die Sozialpartnerschaft traditionell hohes Ansehen. Welche Rolle sollte sie in einer modernen Marktwirtschaft spielen?

Die Sozialpartnerschaft hat in Österreich eine prägende Geschichte, aber in einer modernen, dynamischen Marktwirtschaft müssen wir ihre Rolle kritisch überdenken. Zentralisierte Lohnverhandlungen und Regulierungen durch die Sozialpartner können die notwendige Flexibilität einschränken, die gerade kleine und mittlere Unternehmen sowie Branchen im Strukturwandel brauchen, um schnell auf globale Veränderungen zu reagieren.

Tarifautonomie ist ein hohes Gut, sie sollte aber idealerweise freiwillig und dezentral, also auf Betriebs- oder vielleicht sogar Individualebene, ausgeübt werden. Flächentarifverträge mit Allgemeinverbindlichkeit und vor allem die Pflichtmitgliedschaften in den Kammern können wettbewerbshemmend wirken und die Anpassungsfähigkeit des Standorts bremsen. Eine modernisierte Sozialpartnerschaft könnte sich künftig stärker auf beratende Funktionen, den wichtigen Austausch von Informationen und die Förderung von Aus- und Weiterbildung konzentrieren – anstatt wie bisher oft als quasi-gesetzgeberische Instanz mit Vetomacht aufzutreten. 

Die fortschreitende Automatisierung und KI stellen klassische Berufsbilder in Frage. Wo sehen Sie Chancen, wo Gefahren?

Automatisierung und Künstliche Intelligenz sind ohne Zweifel mächtige Treiber des Wandels und der Produktivitätssteigerung. Sie bieten enorme Chancen: Effizienzgewinne, die Entstehung ganz neuer Berufe und Wirtschaftszweige, eine potenziell höhere Lebensqualität durch neue Produkte und Dienstleistungen und nicht zuletzt die Entlastung von monotoner oder gefährlicher Arbeit.

Natürlich gibt es auch Herausforderungen: Der Arbeitsmarkt wird sich strukturell verändern, viele Arbeitnehmer müssen sich anpassen und neue Qualifikationen erwerben. Es stellen sich auch ethische Fragen, und es besteht das Risiko, dass übereifrige Regulierung Innovationen erstickt. Die Aufgabe des Staates kann es aber nicht sein, diesen technologischen Wandel aufzuhalten oder bestimmte, überholte Berufsbilder künstlich zu schützen. Vielmehr muss er die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft und der Menschen fördern. Das bedeutet konkret: Arbeitsmärkte flexibler gestalten, damit Neueinstellungen und betriebliche Anpassungen leichter fallen.

Unser Bildungssystem muss dringend reformiert werden, um Grundkompetenzen wie Problemlösung, kritisches Denken, Lernfähigkeit und Anpassungsbereitschaft in den Mittelpunkt zu stellen, statt auf spezifische, oft kurzlebige Jobprofile zu fixieren. Und wir brauchen innovationsfreundliche Rahmenbedingungen – Rechtssicherheit, Schutz geistigen Eigentums und nur minimale, technologieneutrale Regeln, etwa bei Datenschutz und Sicherheit, die nicht schon im Vorfeld Innovationen verbieten. Der Markt wird durch Lohnanpassungen und die Schaffung neuer Tätigkeitsfelder selbst auf die Veränderungen reagieren; direkte staatliche Eingriffe zur „Gestaltung“ des Arbeitsmarktes halte ich für falsch und kontraproduktiv.

Foto: Sabine Klimt

 

 

 

 

 

Die Vorständin der BKS Bank über Chancengleichheit, Netzwerke und die Folgen von geopolitischer Unsicherheit.

 

Der Frauenanteil in Führungspositionen bei der BKS Bank ist sehr hoch. Können Sie uns Einblicke in die Unternehmenskultur der BKS Bank geben, die einen solch hohen Frauenanteil ermöglicht? 

Die BKS Bank hat schon lange eine Unternehmenskultur aufgebaut, die auf Diversität, Chancengleichheit und Förderung von Talenten setzt. Ein Frauenanteil von über 35% in Führungspositionen und seit April von 50% im Vorstand sprechen für sich und belegen die Erfolge dieser Philosophie. Das zeigt, dass unsere Maßnahmen, wie flexible Arbeitszeitmodelle, Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gezielte Mentoring-Programme, die wir seit Jahren verfolgen, greifen. Unsere Führungskräfte sind zudem bestrebt, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich alle Mitarbeitenden, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft, wertgeschätzt fühlen.  

Welche Erfahrungen haben Sie persönlich mit der Einführung von Quotenregelungen gemacht und sehen Sie diese als eine langfristige Lösung an, um nachhaltige Veränderungen in den Führungsetagen zu bewirken? 

Quotenregelungen können kurzfristig helfen, Chancengleichheit zu fördern. Langfristig sollten jedoch Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Frauen unabhängig von Quoten gleichwertige Karrierechancen bieten. Wichtig ist es, die zugrunde liegende Unternehmenskultur kontinuierlich weiterzuentwickeln, sodass Frauen ohne Quotenregelungen in Führungsetagen genauso erfolgreich sind wie ihre männlichen Kollegen.  

 

„Die BKS Bank hat schon lange eine Unternehmenskultur aufgebaut, die auf Diversität, Chancengleichheit und Förderung von Talenten setzt.“

 

Frauen, die es an die Spitze schaffen wollen, brauchen dieselben Eigenschaften wie Männer: Durchsetzungskraft, Ausdauer, Ehrgeiz und eine solide Ausbildung. Männer profitieren oft von ihren starken Netzwerken. Welche konkreten Ratschläge würden Sie unseren Leserinnen geben, um ihre eigenen Netzwerke effektiv aufzubauen und zu nutzen? 

Mein wichtigster Rat für Frauen, die ein starkes Netzwerk aufbauen möchten, ist: Seien Sie proaktiv! Netzwerken ist nicht nur eine Frage des Zufalls, sondern erfordert Eigeninitiative. Suchen Sie aktiv den Kontakt zu Mentorinnen und Mentoren, Kolleginnen und Kollegen und anderen Führungskräften, genauso wie Personen außerhalb Ihres Unternehmens, die Sie inspirieren und unterstützen können.

Wichtig ist auch, Netzwerke mit authentischen Beziehungen aufzubauen, nicht nur mit dem Ziel, Karriere zu machen, sondern auch um voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. Und schließlich: Investieren Sie in Ihre eigene Weiterentwicklung, sowohl fachlich als auch persönlich. Ein gut aufgebautes Netzwerk kann dann den Unterschied machen, wenn es darum geht, berufliche Chancen zu ergreifen und sich auf dem Karriereweg weiterzuentwickeln. 

Welche spezifischen Risiken sehen Sie derzeit als die größten Herausforderungen für die BKS Bank und möglicherweise auch für andere Unternehmen in Österreich? 

Ein wahrscheinlich drittes Rezessionsjahr, ein amerikanischer Präsident, der „Zölle liebt“, die geopolitischen Spannungen und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Unsicherheiten stellen für viele Unternehmen und damit auch für uns eine große Herausforderung dar. Die Risiken in diesem Zusammenhang betreffen vor allem die fehlende Investitionslaune der Wirtschaft, fehlendes Vertrauen der Konsumenten und nicht zuletzt die Volatilität der Finanzmärkte.

Die BKS Bank hat auf diese Herausforderungen mit einer vorsichtigen und vorausschauenden Risikomanagementstrategie reagiert. Wir setzen auf eine breite Diversifizierung unseres Portfolios, um Risiken abzufedern, und arbeiten eng mit unseren Kunden zusammen, um gemeinsam Lösungen für die schwierige Marktlage zu finden. Eine weitere wichtige Maßnahme ist die kontinuierliche Weiterbildung unserer Mitarbeitenden, um auf neue wirtschaftliche und technologische Veränderungen und Entwicklungen schnell reagieren zu können. 

Wie integriert die BKS Bank Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Risikobewertung und Kreditvergabeprozesse? 

Nachhaltigkeit spielt bei der BKS Bank eine zentrale Rolle, sowohl in unserer Risikobewertung als auch in der Kreditvergabe. Wir berücksichtigen Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) in unserer Analyse und Entscheidungsfindung, um sicherzustellen, dass wir auch langfristig stabile und verantwortungsvolle Investitionen tätigen. Die gesetzlichen Vorgaben zur Nachhaltigkeit, insbesondere die EU-Taxonomie und die Berichtspflichten im Bereich ESG, haben uns dazu angeregt, unsere Prozesse weiter zu verfeinern. Diese Vorgaben stärken nicht nur die Transparenz, sondern tragen auch dazu bei, dass wir als Bank nachhaltige Geschäftspraktiken fördern und unsere Kundinnen und Kunden auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit begleiten können. 

 

„Investieren Sie in Ihre eigene Weiterentwicklung, sowohl fachlich als auch persönlich.“

 

Welche konkreten Schritte unternimmt die BKS Bank, um zur Erreichung der Klimaziele beizutragen? 

Die BKS Bank hat sich verpflichtet, einen aktiven Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Wir investieren gezielt in nachhaltige Projekte und finanzieren Unternehmen, die sich aktiv für den Klimaschutz und eine nachhaltige Entwicklung einsetzen. Zudem bieten wir unseren Kundinnen und Kunden gezielte nachhaltige Finanzprodukte an, die ihnen helfen, ihre eigenen Klimaziele zu erreichen. So haben wir das nachhaltige Produktvolumen 2024 um 13,4% auf EUR 1,6 Mrd. gesteigert.

Zudem haben wir mit dem „Mein Geld-Konto NachhaltigPlus“ gerade erst ein neues Produkt gelauncht, das attraktive Zinsen mit einem klaren Bekenntnis zu ökologischer und sozialer Verantwortung vereint. Die Einlagen dieses Kontos fließen ausschließlich in ökologische oder soziale Kredite, die im Einklang mit unseren hohen Nachhaltigkeitsstandards stehen. Die Mitgliedschaft in der Green Finance Alliance ist ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie. Sie ermöglicht uns den Austausch mit anderen Institutionen, die ähnliche Ziele verfolgen, und fördert die Entwicklung von nachhaltigen Lösungen im Finanzsektor. 

Stichwort KIM-Verordnung: Welche Anpassungen oder Lockerungen wären Ihrer Meinung nach sinnvoll? 

Die KIM-Verordnung läuft mit Ende Juni 2025 aus, was ich für eine positive Entwicklung halte. Wir gehen davon aus, dass es zu einer Belebung des Immobilienmarktes kommen wird und auch das Neukreditvolumen in diesem Bereich wieder steigen wird. Dies und sinkende Zinsen schaffen positive Impulse sowohl für Verkäufer, Käufer als auch für die Bau- und Finanzbranche insgesamt. 

Zur Person

Ihre berufliche Laufbahn im Finanzsektor begann Claudia Höller 1991 im internationalen Geschäft der Creditanstalt-Bankverein. 1998 wechselte sie in den Strategiebereich der Erste Group Bank AG, den sie bis 2014 erfolgreich leitete. 2015 wurde sie zum Risiko- und Finanzvorstand der Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG bestellt. Im Oktober 2019 übernahm sie die Position des Risiko- und Finanzvorstands bei der Tiroler Sparkassen Bankaktiengesellschaft, bevor sie 2023 zur BKS Bank wechselte. Als Vorstandsmitglied ist sie für die Bereiche Risikoanalyse und Service, Kreditrisiko, Controlling und Rechnungswesen (inklusive Ausland), Risikocontrolling, Marktfolge in den Auslandsniederlassungen, BWG- und WAG-Compliance sowie Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verantwortlich.

Foto: Johannes Puch

Mag. Kathrin Kühtreiber-Leitner, MBA. Ein ABW-Interview mit der Vorstandsdirektorin der Oberösterreichischen Versicherung über Führungsstil, Frauen in Männerbranchen und finanzielle Vorsorge.

 

Gab es einen Moment in Ihrem Berufsleben, in dem Sie wussten, dass Sie eine Führungsfunktion übernehmen wollen?

Das war kein einzelner Moment, sondern ein Hineinwachsen. Ich habe meine erste Führungsfunktion direkt nach dem Uniabschluss übernommen. Mir war aber von Anfang an klar, dass Führen bedeutet, mit Menschen zu arbeiten und das hat mir immer Freude gemacht. Ich bin nicht jemand, der lange zögert. Wenn ich etwas sinnvoll finde, übernehme ich Verantwortung. Mir war dabei immer wichtig, nicht die „bessere Version eines Mannes“ zu sein, sondern mit meinem Stil zu führen – klar, strukturiert, aber immer authentisch.

 

„Mein Rat an Frauen: Mutig sein, auch wenn man nicht immer alle Anforderungen zu 100 Prozent erfüllt.“

 

Welche Herausforderungen erleben Sie als Frau im Arbeitsalltag?

Natürlich gibt es nach wie vor Situationen, in denen man merkt, dass die Spielregeln woanders gemacht wurden. Ich bin mir aber immer selbst treu geblieben und war mir meiner Stärken und meines Könnens bewusst.  Den Sprung ins kalte Wasser muss man sich schlussendlich alleine trauen, wenn man gefragt wird, eine Aufgabe zu übernehmen. Und ich sehe es heute als meine Aufgabe, Frauen zu ermutigen, genau diesen Weg zu gehen – weil eine Branche nur solange eine Männerdomäne bleibt, solange wir es zulassen.

Was tun Sie bei der OÖ Versicherung, um Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern?

Wir setzen bei der Oberösterreichischen Versicherung auf Entwicklung und Vertrauen. Bei uns wird die Eigenverantwortung gefördert und zugleich bieten wir gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten. Wer bei uns gestalten will, bekommt die Chance. Gerade junge Kolleginnen und Kollegen brauchen Orientierung, Feedback und Zeit zum Wachsen. Aber auch Fehler sind erlaubt, sie gehören zur Arbeit wie zum Leben – wichtig ist mir, daraus zu lernen und es anschließend besser zu machen, um an sich selbst zu wachsen. Erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schätzen den Austausch auf Augenhöhe. Führung heißt daher für mich, ein Umfeld zu schaffen, in dem Menschen ihr Bestes geben können.

 

„Eine Branche bleibt nur solange eine Männerdomäne, solange wir Frauen es zulassen.“

 

Was hat sich generell am Führungsstil verändert – und wie gehen Sie damit um?

Eine von der Oberösterreichischen Versicherung in Auftrag gegebenen IMAS-Studie zum Thema Führungsverhalten sowie meine persönlichen Erfahrungen bestätigen, dass vor wenigen Jahren noch der autoritäre Führungsstil mehrfach gelebt wurde. Dieser ist mittlerweile weitestgehend durch den kooperativen Führungsstil verdrängt worden, da diesen sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel mehr schätzen und einfordern.

Ich sehe diese Art der Führung auch als große Möglichkeit, denn es geht darum, eine Orientierung zu geben, zuzuhören und gemeinsam die besten Wege für das Unternehmen zu finden. Dafür gibt es in jedem erfolgreichen Unternehmen Expertinnen und Experten sowie Kolleginnen und Kollegen, die sich zu solchen entwickeln. Spannend ist zudem, dass Frauen oft empathischer und teamorientierter führen, was bei einem bevorzugten kooperativen Führungsstil eine zusätzliche Stärke ist.

Welchen Rat geben Sie jungen Frauen, die in klassischen Männerbranchen Karriere machen wollen?

Nicht zu lange nachdenken, sondern einfach machen. Mutig sein, auch wenn man nicht immer alle Anforderungen zu 100 Prozent erfüllt. Für die männlichen Kollegen ist das übrigens oftmals ganz selbstverständlich. Mein persönlicher Rat ist daher: Sichtbar zu sein, sich ein gutes Netzwerk aufzubauen, seine Leistungen nicht in den Schatten zu stellen und vor allem sich selbst treu zu bleiben. Und man darf auch mal einen Umweg gehen. Manchmal führt genau dieser zum Ziel.

 

„Mir war immer wichtig, nicht die „bessere Version eines Mannes“ zu sein, sondern mit meinem Stil zu führen.“

 

Was braucht es, um mehr Frauen für die Versicherungsbranche zu begeistern?

Bei der Oberösterreichischen Versicherung geht es um Menschen und um Absicherung für die Zukunft. Es ist eine zutiefst sinnstiftende Arbeit, da man seinen Mitmenschen ein gewisses Gefühl an Sicherheit an die Hand gibt und vor allem dann für sie da ist, wenn es darauf ankommt. Gleichzeitig ermöglicht die Oberösterreichische weitgehend flexible Arbeitszeiten, sodass man sich seine Arbeit selbst einteilen kann und die viel zitierte Work-Life-Balance hier nicht nur eine leere Worthülse ist, sondern tatsächlich ermöglicht wird. Es ist übrigens nicht nur in der Versicherungsbranche noch Luft nach oben. Umso wichtiger ist es, Frauen zu fördern und zu ermutigen, Chancen anzunehmen, die sich ihnen bieten.

Was raten Sie Frauen beim Thema finanzielle Vorsorge?

Mein persönlicher Rat ist, dass man die finanziellen Angelegenheiten selbst in die Hand nimmt. Sich schon früh mit dem Thema Vorsorge beschäftigt oder eine kompetente Beratung sucht, um nicht später vor einem bösen Erwachen zu stehen und plötzlich von jemand anderem abhängig zu sein oder gar seinen Lebensstandard drastisch reduzieren zu müssen. Denn je früher man beginnt, desto länger kann das Kapital wachsen und desto geringer ist der finanzielle Aufwand, um eine ausreichende Vorsorge aufzubauen. Schon kleine Beträge, die regelmäßig gespart werden, können über die Zeit eine große Wirkung haben.

Foto: Alexandra Grill

Mag. Angelika Sommer-Hemetsberger. Krieg, Krisen, Konjunkturflaute – wie Geschäftsrisiken trotzdem minimiert werden können, weiß die Vorständin der Oesterreichischen Kontrollbank AG.

 

Vor dem Hintergrund der aktuellen weltwirtschaftlichen Unsicherheiten und geopolitischen Spannungen: Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie derzeit für die Exportfinanzierung und -absicherung österreichischer Unternehmen?

Die OeKB ist gerade in diesen turbulenten Zeiten eine stabile und wichtige Partnerin für die heimischen Unternehmen. Im Geschäftsfeld Export Services, das mein Vorstandskollege Helmut Bernkopf marktseitig verantwortet, verfügen wir über eine breite Produktpalette, die sowohl Instrumente zur Absicherung von Exportgeschäften und Investitionen als auch Instrumente zu deren Finanzierung im In- und Ausland umfasst.

Diese Instrumente haben sich gerade in Krisenzeiten bewährt und werden unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen laufend weiterentwickelt. So ermöglichen wir mit dem im vergangenen Jahr eingeführten „Vorratsinvest“ mittel- bis langfristige Finanzierungen von Lagerbeständen und Lieferantenkrediten. Damit können Unternehmen unbürokratisch ihre Lieferketten stärken und Ausfälle vermeiden oder deren Folgen minimieren.

Stark nachgefragt werden auch unsere „ShoppingLines“: Hier bieten wir beispielsweise ausländischen Banken oder großen Projektentwicklern flexible Finanzierungslinien für den Einkauf von Waren oder Dienstleistungen aus Österreich an. Damit erleichtern wir insbesondere KMU den Zugang zu neuen Wachstumsmärkten und Großprojekten und unterstützen sie bei der Diversifizierung ihrer Märkte.

 

„Vor allem die oft sprunghaften politischen Entscheidungen führen zu großer Unsicherheit hinsichtlich der Zinsentwicklung.“

 

Die OeKB bietet Unterstützung für Geschäfte mit der Ukraine an. Wie sieht diese Unterstützung aus und wie ist die Nachfrage seitens österreichischer Unternehmen? 

In der Ukraine bieten wir seit Herbst 2022 wieder Absicherungsmöglichkeiten für kleinere Liefergeschäfte an, um bestehende Lieferbeziehungen, etwa bei landwirtschaftlichen Produkten, nicht zu gefährden. Die Nachfrage war bisher allerdings verhalten, unter den gegebenen Rahmenbedingungen ist vielen Unternehmen das Risiko für ein Engagement derzeit zu hoch.

Seit knapp einem Jahr wird eine Ukraine-Fazilität aufgebaut, die in den nächsten fünf Jahren rund 500 Millionen Euro für die Absicherung von Geschäften bereitstellen soll. Sie richtet sich an den öffentlichen Sektor und zielt auf den Wiederaufbau - insbesondere in den Bereichen Energieerzeugung, Verkehr, Trink- und Abwasser sowie Wärmeversorgung. Hier ist die Nachfrage derzeit noch sehr gering, aber viele Unternehmen bereiten sich bereits auf den Tag X“ vor. Der Wiederaufbau bietet viele Chancen für die heimische Exportwirtschaft.

Wie wird der ESG Data Hub der OeKB von KMU angenommen und wie unterstützt die OeKB Unternehmen konkret dabei, Nachhaltigkeitsdaten zu erfassen und strategisch zu nutzen? 

Mit dem OeKB > ESG Data Hub unterstützen wir Unternehmen jeder Größe dabei, das Thema ESG-Daten effizient in den Griff zu bekommen. Der Hub macht es einfach, relevante Nachhaltigkeitsdaten auf Basis eines übersichtlichen Fragebogens zu erheben, aktuell zu halten und bei Bedarf mit Banken zu teilen. Unternehmen erhalten so ein klares Bild, worauf es im Bereich ESG ankommt und erfassen ihre ESG-Daten genau in der richtigen Breite und Tiefe. Dieses Angebot nutzen derzeit auch rund 900 KMU, für die ein speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittener Fragebogen zur Verfügung steht.

 

„Aufgrund der expliziten Garantie der Republik Österreich verfügt die OeKB über das zweitbeste Kreditrating von AA+.“

 

Die OeKB engagiert sich im Bereich Nachhaltigkeit und bietet mit der Exportinvest Green Energy attraktive Finanzierungen für den Umstieg auf erneuerbare Energien. Wie ist die Resonanz der Unternehmen auf dieses Angebot?

Wir haben die Exportinvest Green Energy im Februar 2023 vorgestellt und konnten in diesem Jahr auch eine große Resonanz verzeichnen. Im Jahr 2024 hingegen haben wir aufgrund der anhaltenden Rezession und der unsicheren Aussichten eine deutliche Investitionszurückhaltung festgestellt. Diese Entwicklung ist kritisch, denn der Ausbau der erneuerbaren Energien ist alternativlos, wenn Österreich als Industriestandort wettbewerbsfähig bleiben will. Neben den Energiepreisen und der Versorgungssicherheit sind hier natürlich auch der Klima- und Umweltschutz zu nennen.

Der Business Confidence Index und die Entwicklung der kurz- und langfristigen Exportkreditversicherungen sind für die OeKB wichtig. Welche aktuellen Trends sehen Sie hier?

Die Exportversicherungswirtschaft sieht die Nachfragesituation und die Geschäftserwartungen grundsätzlich positiv. Einerseits wird mit einem ähnlichen Wachstum des Welthandels wie 2024 (rund 3 %) gerechnet, andererseits ist aufgrund der veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen das Risikobewusstsein deutlich gestiegen und exportierende Unternehmen suchen verstärkt nach Produkten wie Exportkredit- oder Investitionsversicherungen, die ihre Geschäftsrisiken reduzieren können. 

Die OeKB ist nach der Republik Österreich die zweitgrößte österreichische Emittentin auf den internationalen Kapitalmärkten. Sehen Sie hier aktuelle Herausforderungen oder Veränderungen im Marktumfeld?

Aufgrund der expliziten Garantie der Republik Österreich verfügt die OeKB über das zweitbeste Kreditrating von AA+. Als Emittentin bester Bonität sind wir auch in volatilen Zeiten für Investoren interessant, da die OeKB Veranlagungsmöglichkeiten mit sehr hoher Stabilität bietet. Das heißt aber nicht, dass es keine Herausforderungen gibt.

Vor allem die oft sprunghaften politischen Entscheidungen führen zu großer Unsicherheit hinsichtlich der Zinsentwicklung. Das macht die Preisfindung am Anleihemarkt manchmal schwierig. Die langjährige Erfahrung der OeKB am Kapitalmarkt und der enge Dialog mit unseren Investoren ermöglichen es uns jedoch, den Kapitalmarkt uneingeschränkt zur Mittelaufnahme zu nutzen.

 

„Eine verstärkte und zielgruppengerechte Finanzbildung wäre enorm wichtig, damit sich mehr Frauen mit dem Thema des langfristigen persönlichen Vermögensaufbaus auseinandersetzen.“

 

Neben den klassischen Finanzierungs- und Absicherungsangeboten bietet die OeKB auch Seminare und Veranstaltungen an. Welche Themen stehen aktuell im Fokus dieser Weiterbildungsformate und wie tragen sie zur Stärkung der Kompetenzen österreichischer Unternehmen bei?

Wie in vielen anderen Bereichen setzen wir auch in der Weiterbildung verstärkt auf Digitalisierung und bieten daher vor allem Online-Formate an, um österreichische Unternehmen und andere interessierte Stakeholder über unsere Leistungen und aktuelle Entwicklungen zu informieren.

Besonders erfolgreich ist zum Beispiel unser E-Learning-Kurs „Fit4Export“: In derzeit zwei Modulen können sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kostenlos Wissen rund um das Thema Betriebsmittelfinanzierung und Finanzierungsmöglichkeiten von Investitionen im In- und Ausland durch die OeKB aneignen. Das praxisorientierte Know-how hilft österreichischen Unternehmen, alle Vorteile der Exportabsicherung und -finanzierung voll auszuschöpfen und damit Geschäftspotenziale zu heben. 

Wie schätzen Sie mit Blick auf die Länderinformationen der OeKB die aktuellen Risiken und Chancen in ausgewählten Märkten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten oder der Ukraine ein? 

Unser Länderrating spiegelt die Risiken in den einzelnen Märkten wider, mit steigendem Risiko von Kategorie 0 bis Kategorie 7. Die VAE weisen mit Kategorie 2 ein relativ geringes Risiko auf - und sind mit über 800 Millionen Euro an Ausfuhren auch für die österreichische Exportwirtschaft interessant. Zum einen bietet die weitere Diversifizierung weg von Öl und Gas vielfältige Chancen im Technologie-, Umwelt- oder auch Dienstleistungsbereich. Zum anderen stellen die VAE eine wichtige Drehscheibe in der Region dar. Die OeKB unterstützt Exporte und Investitionen ohne besondere Restriktionen. 

Als Präsidentin des Aktienforums stehen für Sie die Themen „Vorsorge“ und „Finanzbildung“ im Vordergrund. Was haben Sie sich diesbezüglich vorgenommen? Welche Tipps können Sie Frauen mit auf den Weg geben?

Als Aktienforum unterstützen wir verschiedene Initiativen und setzen immer wieder mediale Schwerpunkte, um auf die zentrale Bedeutung des Kapitalmarktes und die ungenutzten Potenziale hinzuweisen. In meiner Rolle als Präsidentin bringe ich mich auch in den politischen Diskurs ein und stehe in regelmäßigem Austausch mit relevanten Stakeholdern.

Die Themen Vorsorge und Finanzbildung bedingen sich gegenseitig und sollten angesichts der geschlechtsspezifischen Einkommens- und Pensionslücke insbesondere für Frauen eine zentrale Rolle spielen. Darüber hinaus zeigen unsere Erhebungen, dass auch bei der Kapitalanlage eine große Kluft zwischen Männern und Frauen besteht. Frauen haben weniger Geld zur Verfügung und sind tendenziell auch weniger risikofreudig als Männer. Eine verstärkte und zielgruppengerechte Finanzbildung wäre daher enorm wichtig, damit sich mehr Frauen mit dem Thema des langfristigen persönlichen Vermögensaufbaus auseinandersetzen. Nur so kann einer möglichen Altersarmut vorgebeugt werden.

Foto: OeKB/David Sailer

 Mag. Astrid Steharnig-Staudinger, CEO der Österreich Werbung, zeichnet im ABW- Interview ein lebendiges Bild der Trends, die das Land als Reiseziel international weiter stärken sollen.

 

Welche wesentlichen Trends und Herausforderungen prognostizieren Sie für den österreichischen Tourismussektor in den kommenden Jahren?

Die beiden großen Dauerbrenner sind Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Es geht um Themen wie KI-Nutzung, die komplette Guest Journey digital abzubilden, Aktivitäten zentral buchbar zu machen oder durch Bündelung von verschiedensten Daten von innerhalb und außerhalb des Tourismus innovative Anwendungen und Services aufzusetzen.

Im Bereich der Nachhaltigkeit sehen wir, dass nachhaltige Angebote von unseren Gästen immer öfter eingefordert werden. Sie sind in Zukunft wettbewerbsrelevant. Was wir auch seit einigen Jahren beobachten, ist die steigende Bedeutung der Nebensaison. Die Hauptsaison verlängern sich, die Übergänge zwischen den Saisonen werden fließender.

Das ist gut, weil sich die Besucherströme zeitlich besser verteilen und abseits der Hauturlaubszeiten Wertschöpfung in die Regionen kommt. In der Österreich Werbung denken wir in Bezug auf unser Marketing daher auch nicht mehr strikt getrennt in Sommer- und Wintersaison, sondern in Ganzjahresthemen. Einer unserer Schwerpunkte, der das ganze Jahr über Relevanz hat, ist die Kulinarik. Erst vor kurzem ist uns gemeinsam mit den Landestourismusorganisationen geglückt, den Guide MICHELIN zurück nach Österreich zu holen. Bei der Präsentation der Österreich Selektion gab es einen wahren Sterneregen. Das bringt Österreich als Kulinarikdestination international auf die Landkarte.

 

In unserer Kommunikation setzen wir auf das typisch österreichische Lebensgefühl.“

 

Wie vermitteln Sie Nachhaltigkeitsstrategien an internationale Gäste – und welche Resonanz beobachten Sie dabei?

Im Sustainable Travel Index von Euromonitor belegt Österreich den exzellenten dritten Platz, von 99 untersuchten Ländern weltweit. Das ist eine tolle Leistung, darauf können wir stolz sein. Unseren Gästen ist das aber vielfach gar nicht bewusst, wie nachhaltig Urlaub in Österreich ist. Es ist unser aller Job, das zu ändern.

Was wir als Österreich Werbung tun, ist, dass wir Best-Practice-Beispiele verstärkt vor den Vorhang holen und die Branche in ihrer Kommunikation zu unterstützen. Wir stellen zum Beispiel einen Leitfaden für die Green-Claims-Kommunikation zur Verfügung und haben eine Publikation mit nachhaltigen Best-Practice-Beispielen veröffentlicht. Wir ermutigen die Branche, sich und ihre nachhaltigen Angebote in die Auslage zu stellen. Nachhaltigkeit ist zunehmend ein Wettbewerbsfaktor. Unsere Gäste erwarten entsprechende Angebote und sind auch bereit, für Nachhaltigkeit zu bezahlen, das zeigen unsere Studien.

 

„Es ist wichtig, dass wir bei Nachhaltigkeit nicht nur an Ökologie denken, sondern auch an sozio-kulturelle und ökonomische Themen.“

 

Was bedeutet für Sie persönlich nachhaltiges Reisen?

Es ist wichtig, dass wir bei Nachhaltigkeit nicht nur an Ökologie denken, sondern auch an sozio-kulturelle und ökonomische Themen. Eine Grundvoraussetzung für den anhaltenden Erfolg von Österreich als Urlaubsland ist, dass Geschäftsmodelle auch ökonomisch nachhaltig sind und dass Tourismus in gutem Einvernehmen mit der örtlichen Bevölkerung stattfindet – Stichwort Tourismusgesinnung. Für mich persönlich bedeutet nachhaltiges Reisen bewusst unterwegs zu sein, mit Respekt für die Natur, die Kultur und die Menschen vor Ort. Es geht darum, lokale Betriebe zu unterstützen, sanft zu reisen und das Tempo manchmal bewusst zu drosseln, um echte Begegnungen zu ermöglichen.

Gibt es bereits Projekte oder Kooperationen, bei denen KI eingesetzt wird, um nachhaltige Angebote für Reisende zu entwickeln oder zu verbessern?

KI ist eine Technologie, mit der sich die Österreich Werbung früh beschäftigt hat. Wir haben bereits vor über anderthalb Jahren unseren Österreich Concierge gelauncht. Der Chatbot beantwortet auf unserer B2C-Website Gästefragen zu Urlaub in Österreich – auch zu nachhaltigem Urlaub – und das 24 Stunden am Tag in so gut wie allen Sprachen.

Generell gehen Digitalisierung und Grüner Wandel Hand in Hand. Echtzeit-Mobilitätsdaten können bei der räumlichen und zeitlichen Verzerrung von Besucherströmen helfen. Dazu hat die Österreich Werbung bereits ein sehr erfolgreiches Projekt im Rahmen des Tourism Data Space durchgeführt. Wenn man Mobilitätsdaten von Handyanbietern mit POI-Daten, Wetterdaten und ähnlichem verknüpft – anonymisiert und unter Berücksichtigung aller Datenschutzbestimmungen –, dann kann man Gästen passende Schlechtwetterprogramme vorschlagen, oder Alternativen zu gerade gut besuchten Sehenswürdigkeiten. Auf KI basierte digitale Assistenten dürften hier in Zukunft auch eine immer größere Rolle spielen.

 

„Generell gehen Digitalisierung und Grüner Wandel Hand in Hand.“

 

Wie planen Sie, Österreich als Reiseziel im internationalen Wettbewerb zu positionieren, insbesondere in Bezug auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit?

In unserer Kommunikation setzen wir auf das österreichische Lebensgefühl: Die Gelassenheit, Leichtigkeit und die ganz besondere Einstellung zum Leben, die man nur bei einem Urlaub in Österreich erleben kann. Nachhaltigkeit und Digitalisierung nehmen wir als Chancen wahr, die wir nutzen, indem wir als Branche gemeinsam agieren und kooperieren.

Viele Player im Tourismus – von Betrieben über Tourismusverbände bis zu Landestourismusorganisationen, stehen vor denselben Herausforderungen. Daher ist sinnvoll, sich auszutauschen und Themen gemeinsam anzupacken. Die Österreich Werbung hat im vergangenen Jahr die Initiative „Change Tourism Austria“ (CTA) gelauncht, eine Austauschplattform, um Innovatoren von innerhalb und außerhalb des Tourismus zusammenzubringen. Hier entstehen viele spannende Projekte und Innovationen. Kooperationen in der Branche zu fördern, ist uns ein großes Anliegen und eine Grundlage für den anhaltenden touristischen Erfolg unseres wunderschönen Urlaubslandes.

Zur Person

Astrid Steharnig-Staudinger leitet seit dem Mai 2023 die Österreich Werbung. Die gebürtige Kärntnerin blickt auf eine lange Karriere in unterschiedlichsten Bereichen der Tourismusbranche zurück. Aufgewachsen in einer Kärntner Land- und Gastwirtschaftsfamilie, absolvierte sie zunächst die Kärntner Tourismusschulen und ein Wirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Zentral- und Südosteuropa, bevor sie ihre ersten beruflichen Erfahrungen im Marketing und Vertrieb internationaler Hotelgruppen sammelte. Im Jahr 2003 zog es sie in die Bundeshauptstadt, wo sie beim WienTourismus für das Destinationsmarketing in den CEE-Märkten und Skandinavien verantwortlich war. 2008 gründete sie dann Linking Brands, eine international ausgerichtete Agentur, die Marken- und Wirtschaftskooperationen zwischen Tourismuspartnern und namhaften Consumer Brands etabliert. Bis April 2023 führte Astrid Steharnig-Staudinger Linking Brands über einen Zeitraum von 15 Jahren.

Foto: ÖW/Levi Renger

Bettina Ganghofer, MA, ist seit bald acht Jahren Chefin des Salzburg Airport. Im ABW-Interview spricht sie über Reisetrends, Konkurrenz und neue Herausforderungen.

 

Welche Maßnahmen setzen Sie, um den Flughafen Salzburg in einem hart umkämpften Markt konkurrenzfähig zu halten?

Wir konkurrieren mit hunderten anderen europäischen Flughäfen, die Airlines sind unsere Verhandlungspartner, wenn es um neue Strecken geht, aber die Airlines sprechen natürlich auch mit den Mitbewerbern. Das Produkt muss passen und am Ende des Tages auch der finanzielle Ertrag für beide Seiten. Marktanalysen und Datenerhebungen helfen hier, einen Business Case zu erarbeiten, der für die Airline, den Flughafen und dessen Nutzer und Eigentümer passt.

Wie sehen Sie die Rolle von Regionalflughäfen wie Salzburg in einer zunehmend globalisierten und gleichzeitig auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Luftfahrtbranche?

Regionalflughäfen sind die Verkehrsaorta jeder Region, die auf internationale Flugverbindungen angewiesen ist. Salzburg bedient nicht nur den großen Markt der Tourismusreisenden, wir müssen auch die notwendigen Flugverbindungen für Wirtschaft und Industrie anbieten können. Hier spielt der Flughafen als einer der wichtigsten USPs für die Ansiedlung ganz klar eine primäre Rolle.

Nachhaltigkeit ist für alle Beteiligten in der Luftverkehrsbranche nicht mehr wegzudenken, wir denken über viele Projekte nach, um das Ziel der Netto-CO2-Neutralität bis 2040 zu erreichen. Die Überlegungen und umgesetzten Projekte beginnen bei der wasserlosen Reinigung, gehen über die Umstellung des Fuhrparks auf Elektromobilität (Stand 45%), die Elektrifizierung der Start- und Landebahn (100%), die Überdachung der Flächen mit Photovoltaik, bis hin zum ökologischen Bauen.

 

„Regionalflughäfen sind die Verkehrsaorta jeder Region, die auf internationale Flugverbindungen angewiesen ist.“

 

Welche Reisetrends beobachten Sie derzeit und wie stellt sich der Salzburg Airport auf diese veränderten Bedürfnisse der Reisenden ein?

Schnelligkeit, Kurzfristigkeit und kürzere Aufenthaltsdauer sind wichtige Faktoren, die sich im Buchungsverhalten der Reisenden bemerkbar machen. Dazu gibt es einen regen Austausch zwischen den Touristikern, vom Flughafen über die Hotellerie, die SLT als Tourismusorganisation des Landes bis hin zu Verhandlungen mit Veranstaltern und Airline-Partnern. Wir bleiben am Puls der Zeit und tauschen uns auch mit unseren österreichischen Freunden auf den anderen Verkehrsflughäfen aus, wir sitzen hier alle im selben Boot.

Wie wollen Sie die Zusammenarbeit mit internationalen Airlines weiter ausbauen?

Marktanalysen und gut aufbereitete Daten ersetzen nicht das persönliche Gespräch und die Verhandlungen am grünen Tisch! Der Kontakt zu unseren Airline-Partnern, der Kontakt zu den Veranstaltern, der Austausch mit den Flughäfen am anderen Ende einer Flugverbindung ab Salzburg und deren Tourismusregionen bis hin zum Abschluss von Kooperationen - das Portfolio an Aktivitäten, das wir in unserer täglichen Arbeit bedienen, ist vielschichtig und umfassend.   

Wie beschreiben Sie Ihren Führungsstil? Was ist Ihnen in der Zusammenarbeit mit Ihren Mitarbeitern besonders wichtig?

Offen, direkt und ehrlich, ich glaube, dass man mit Transparenz und Glaubwürdigkeit viele Barrieren überwinden kann, es hat keinen Sinn, Spielchen zu spielen, es gibt ein österreichisches Sprichwort, an dem ich mich gerne orientiere - „Wos wiegt, des hot’s“... gut zuhören, verstehen, entscheiden!

 

„Nachhaltigkeit ist für alle Beteiligten in der Luftverkehrsbranche nicht mehr wegzudenken.“

 

Sie haben beruflich viel Zeit im Ausland verbracht, zum Beispiel in China. Was haben Sie daraus gelernt und wie beeinflusst das Ihre Arbeit heute?

Menschen sind unterschiedlich, Länder ticken nicht alle gleich, aber eines verbindet sie alle: Wenn man weiß, wie man miteinander umgehen muss, sind dem Machbaren keine Grenzen gesetzt. Die Zeit im Ausland hat mich insofern geprägt, dass ich, egal wo ich auf der Welt bin, über den Tellerrand hinausschaue und auch die „Nebengeräusche und Eindrücke“ mitnehme, gerade die Kleinigkeiten sind hier wichtig und entscheiden sehr oft über ein Ja oder Nein. Ich halte es für sehr wichtig, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Egal in welchem Land man lebt und arbeitet, Vertrauen ist die Basis für ein sicheres und verlässliches Miteinander, sei es mit Mitarbeitern oder Geschäftspartnern. 

Wie sehen Sie die Entwicklung des Salzburger Flughafens in den nächsten Jahren?

Mit einem Wort - positiv! Natürlich stehen wir vor großen Herausforderungen, wir haben mit unserem Kerngeschäft Fliegen schon sehr viel zu tun, aber es gibt auch andere „Baustellen“, die wir in den nächsten Jahren bewältigen müssen. Eine dieser Herausforderungen ist eine echte Baustelle, die ab 2027 in Angriff genommen wird - unsere neue Terminallandschaft! Der erste Abschnitt - der Abflugbereich - soll 2030 eröffnet werden. Weitere Herausforderungen kommen durch Gesetze, Verordnungen und Bürokratie auf uns zu – bestes Beispiel ist das Entry Exit System EES – und dann haben wir auch noch die Altlastensanierung on Top zu bewältigen. Es gibt also viel zu tun, aber der Weg des Salzburger Flughafens ist positiv vorgezeichnet und ich bin überzeugt, dass wir mit unserer gut ausgebildeten und hochmotivierten Mannschaft alle Hürden meistern werden.    

Zur Person

Bettina Ganghofer ist seit Oktober 2017 Geschäftsführerin des Salzburger Flughafens. Zuvor war sie ab 2009 in unterschiedlichen Funktionen bei der Mitteldeutschen Flughafen AG beschäftigt. Vor ihrem dortigen Eintritt war Ganghofer 24 Jahre im Lufthansa-Konzern. Knapp sechs Jahre war sie in der Geschäftsführung der Shanghai International Airport Cargo Terminal Co., Ltd (PACTL) tätig. Bettina Ganghofer hat sich zur Luftverkehrskauffrau ausgebildet und absolvierte ein Managementstudium an der University of Lancaster, das sie mit dem Master of Art abschloss. Sie wohnt in Salzburg, ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern.

Foto: Salzburg Airport

Von einer Kür zur Pflicht: Nachhaltigkeit ist in den Führungsetagen vieler Unternehmen längst angekommen. Dennoch gibt es unzählige Stellschrauben, um den ökologischen Wandel bis 2030 spürbar voranzutreiben.

 

ABW sprach mit der Unternehmerin Elisabeth Zehetner kurz bevor sie das Amt der Staatssekretärin übernommen hat. Die Powerfrau hat mit ihrer Initiative „oecolution“ nicht nur einen einprägsamen Begriff geschaffen – eine Kombination aus „Ökologie“ und „Evolution“ –, sondern will vor allem ein neues Mindset in der Wirtschaft etablieren. Im Gespräch erläutert sie, warum Bürokra­tie und Silodenken nicht zielführend sind und wie wir dennoch Transparenz, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz stärken können.

Unternehmen haben längst verstanden, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine nette Zusatzmaßnahme ist, sondern ganz zentral für ihre Ausrichtung“, sagt Zehetner. Immer mehr Vorschriften, Regulierungen und Marktentwicklungen machen deutlich, dass ökologische Verantwortung und wirtschaftlicher Erfolg Hand in Hand gehen müssen. Damit das nicht bloß Lippenbekenntnisse bleiben, fordert sie, Silodenken aufzubrechen: CFOs, Nachhaltigkeitsteams und andere Abteilungen sollten eng zusammenarbeiten, statt jeweils eigene Strategien zu verfolgen. „Nur wenn Nachhaltigkeit als Teil der Gesamtstrategie verstanden wird, kann sie sich auch weiterentwickeln und echte Innovationen hervorbringen“, so Zehetner.

EU-CSRD: Fluch oder Segen für KMU?

Eine zentrale Diskussion in diesem Zusammenhang dreht sich um die EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die ab 2024 eine Vielzahl von Unternehmen zu detaillierten ESG-Berichten verpflichtet. Für große Konzerne mit speziellen Abteilungen und Beratern mag das verkraftbar sein. „Doch für KMU sind diese Berichtspflichten eine enorme Hürde“, warnt Zehetner. Viele Firmen hätten weder die Datenbasis noch das Know-how, um komplexe ESG-Berichte auf Knopfdruck vorzulegen.

Dabei sei die zugrunde liegende Idee – mehr Transparenz für Investoren und Verbraucher – grundsätzlich richtig. „Doch nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht“, sagt die Unternehmerin. Kleine Betriebe, die dringend Zeit und Ressourcen für Innovation und Wachstum brauchen, könnten von den neuen Regeln überfordert sein. „Wenn die Bürokratie überhandnimmt, gefährdet das die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit“, so Zehetner weiter. Sie plädiert für vereinfachte Regeln oder längere Übergangsfristen, damit gerade kleinere Unternehmen nicht auf der Strecke bleiben.

 

„Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht.“

 

Greenwashing: Zwischen echter Täuschung und inflationärem Vorwurf

Umweltbezogene Kennzahlen und Standards sollen Verbraucherinnen und Verbrauchern eigentlich helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen. „Mit der EU-Taxonomie wird Greenwashing sicher schwerer“, meint Zehetner. Denn wer in Nachhaltigkeit nur eine PR-Masche sieht, riskiert mediale und juristische Konsequenzen. Zugleich lehnt sie pauschale Schuldzuweisungen ab: „Dieses Schwarz-Weiß-Denken, dass alle Unternehmen nur tricksen und täuschen, ist schlichtweg falsch.“ Es gebe durchaus Firmen, die ihre Anstrengungen in Sachen Klimaschutz noch nicht ausreichend kommunizieren oder bei ersten Verbesserungsmaßnahmen schnell als „Greenwasher“ abgestempelt werden.

Aus Zehetners Sicht ist es daher zielführender, Firmen zu ermutigen statt sie mit Vorwürfen zu überziehen. „Statt Unternehmen reflexartig Greenwashing zu unterstellen, sollten wir ihnen den Weg zu nachhaltigeren Lösungen erleichtern“, betont sie. Harte Vorschriften und moralischer Druck allein führten zu weniger Bereitschaft, sich wirklich tiefgreifend mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Wir brauchen Anreize, die Nachhaltigkeit belohnen, nicht nur Regulationen, die an jeder Ecke drohen.“

Kreislaufwirtschaft: Baustellen im wahrsten Sinn

Dass Österreich bei einer Kreislaufwirtschaftsquote von nur 9,5 Prozent liegt (laut Circularity Gap Report 2024), hält Zehetner für „alarmierend“ – und sieht besonders im Bauwesen einen Hebel mit enormem Potenzial. „Recycelte Baustoffe, modulare Bauweisen oder Sanierungen statt Abriss – all das kann nicht nur Ressourcen schonen, sondern ist oft auch wirtschaftlich sinnvoll.“ Gerade im Bausektor werden große Mengen an Rohstoffen verbraucht, die teils noch immer kaum wiederverwertet werden.

Ein weiterer Punkt ist für sie längst überfällig: das Ende des Verbots der geologischen CO₂-Speicherung. „Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Capture and Utilization (CCU) werden entscheidende Bausteine sein, um klimaschädliches CO₂ aktiv aus dem Kreislauf zu holen“, sagt Zehetner. Insbesondere in Branchen wie der Zementherstellung oder bei Müllverbrennungsanlagen, wo Emissionen nur begrenzt vermeidbar sind, müssten solche Technologien zum Einsatz kommen. „Es geht darum, dass nicht nur weniger CO₂ entsteht, sondern dass wir es gar nicht erst in die Atmosphäre gelangen lassen.“

Gas und Atom als „grüne“ Übergangslösung?

Die EU-Taxonomie stuft Gas und Atomkraft als förderfähige Übergangstechnologien ein. Eine ökologische Fehlentscheidung? Zehetner widerspricht einer rein ideologischen Sicht: „Kurzfristig komplett ohne Gas und Atomkraft auszukommen, ignoriert physikalische und wirtschaftliche Fakten.“ Sie warnt vor Blackouts, instabilen Netzen und Produktionsstopps, sollte die Energieversorgung allein durch erneuerbare Quellen gestemmt werden, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht flächendeckend verfügbar sind.

„Wir müssen so schnell wie möglich erneuerbare Energien, Speichertechnologien und Wasserstoff ausbauen“, betont sie. Doch bis dies gelinge, bleibt Gas und Atom für viele Industriezweige unverzichtbar. „Wer das nicht akzeptiert, gefährdet am Ende sowohl die Wirtschaft als auch den Klimaschutz“, fasst Zehetner zusammen. Gerade die energieintensive Grundstoffindustrie sei auf eine stabile und bezahlbare Energieversorgung angewiesen.

Was Tempo in die Nachhaltigkeitswende bringt

Die Frage, welche gesetzliche Änderung oder Subvention die Nachhaltigkeitswende sofort beschleunigen könnte, beantwortet Zehetner mit einem konkreten Problem: den hohen Energiekosten. „Wir sehen, dass Gaspreise wieder steigen und unsere Unternehmen im globalen Vergleich in eine Kostenspirale geraten“, erklärt sie. In den USA beispielsweise ist Gas laut Zehetner nur rund ein Fünftel so teuer wie in Österreich – ein gravierender Wettbewerbsnachteil. Damit Europa hier nicht den Anschluss verliert, seien mehrere Schritte entscheidend: „Schnellere Genehmigungen für nationale Energieprojekte, stabile Stromimporte, Diversifizierung der Gasversorgung, eine rasche Umsetzung der Wasserstoffstrategie und flexible Netztarife“, zählt sie auf. Gleichzeitig müssten Freihandel und Export intensiviert werden, etwa indem man GreenTech-Ausfuhren forciert und durch Freihandelsabkommen für Rohstoffsicherheit sorgt. „Vor allem aber muss unnötige Bürokratie abgebaut werden – von Überregulierungen bis zu nationalen Sonderzielen.“

Klare Anreize statt Überregulierung

Elisabeth Zehetner will mit „oecolution“ nicht nur einen neuen Begriff, sondern vor allem frische Denkanstöße in der Wirtschaft verankern. Ihr Credo: Nur wenn Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Machbarkeit Hand in Hand gehen, lassen sich die anstehenden Herausforderungen meistern. „Es braucht Technologieoffenheit, klare Anreize statt Überregulierung und Kooperation über Abteilungs- und Branchengrenzen hinweg“, fasst sie zusammen. Zwischen ambitionierten Klimazielen, realen Markterfordernissen und rasant steigenden Energiepreisen bahnt sich eine Gratwanderung an – und eben diese Balance will Zehetner mitgestalten. „So schaffen wir eine echte ‚Evolution‘ in Richtung nachhaltige Wirtschaft“, sagt sie abschließend. Und betont: „Dafür sollten wir Mut, Pragmatismus und Innovationsgeist gleichermaßen in den Fokus rücken.“

Zur Person

Mag. Elisabeth Zehetner setzt sich seit mehr als 20 Jahren für innovative Initiativen, junge Unternehmer:innen, Gründer:innen und Frauen in der Wirtschaft ein. Derzeit ist sie Geschäftsführerin von oecolution austria, der ersten Organisation in Österreich, die zeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand die besten Voraussetzungen für wirksamen Klimaschutz sind. 2024 erschien im ecowing-Verlag ihr erstes Buch „Im Namen des Klimas“. Seit 1. April 2025 ist Elisabeth Zehetner Staatssekretärin für Energie, Startups und Tourismus im Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus.

Foto: oecolution/Christandl

Warum ein Auto in der Stadt, wenn Mobilität auch mit dem Dienstrad funktioniert? Ein ABW-Interview mit der neuen Geschäftsführerin von JobRad Österreich.

 

Sie sind von der Digitalwirtschaft ins nachhaltige Mobilitätsgeschäft gewechselt. Was hat Sie motiviert, diesen Schritt zu JobRad zu machen? 

Als leidenschaftliche Radfahrerin konnte ich mich sofort für das Produkt „JobRad“ begeistern, denn mit unserer Dienstleistung schaffen wir eine Win-win-Situation: Ohne finanziellen Einsatz ermöglichen Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden ihr Wunschrad zu finanzieren, und gleichzeitig leisten sie einen Beitrag zu nachhaltiger Mobilität und Gesundheitsvorsorge.

Der Markt ist noch jung, und ich liebe es zu gestalten und gemeinsam mit unserem engagierten Team die JobRad-Vision in österreichischen Unternehmen zu verankern. Als Marktführerin in Deutschland bringt JobRad bereits jede Menge Erfahrung mit und so können wir in Österreich eine Lösung anbieten, die absolut risikolos für alle Beteiligten ist. Zu guter Letzt kann jedes beliebige Jobrad über unser klar verständliches und transparentes Portal abgewickelt werden: mein Wissen um ein optimales, digitales Kundenerlebnis hilft hier enorm.

Österreichs Fahrradmarkt wächst – laut VCÖ nutzen bereits sieben Prozent der Pendler das E-Bike. Wie wollen Sie diese Dynamik nutzen, um JobRad zum führenden Anbieter für betriebliche Mobilität zu machen?

Eine zeitgemäße Dynamik, die von mehreren Seiten beflügelt wird: JobRad bietet in Sachen betrieblicher Mobilität eine Lösung, von der alle profitieren:  Arbeitgeber, Arbeitnehmende und Fachhandelspartner. Unser Modell ist für Arbeitgeber nicht nur kostenneutral, sondern sogar kostensparend (Senkung der Lohnnebenkosten).

Außerdem sind unsere Prozesse aufwandsarm und es landet kein Fahrrad in der Bilanz der Unternehmen - in Sachen betriebliche Mobilität geht es kaum besser. Für Arbeitnehmende entstehen große Ersparnisse gegenüber dem Direktkauf und die Nutzung des JobRads ist auch oder sogar ausschließlich zu 100 Prozent privat möglich. Zusätzlich profitieren auch Fachhandelspartner davon, dass Arbeitgeber regional JobRad anbieten. Beflügelt wird die Wachstumsdynamik auch durch die nötige Infrastruktur - die Stadt Wien zum Beispiel verfügt bereits über ein Radnetz mit einer Länge von über 1700 km und viele andere Landeshauptstädte ziehen nach.

 

„Die Politik hat in der jüngsten Vergangenheit bereits vieles für nachhaltige, betriebliche Mobilität in Österreich ermöglicht.“

 

GENVELO bietet Firmen an, Helme und Bekleidung zu branden. Wie wichtig ist solche „Corporate Mobility Identity“ für Arbeitgeber, um Nachhaltigkeit sichtbar zu machen?

In der JobRad-Gruppe bringen wir Menschen nicht nur auf das Rad, sondern wir wollen Arbeitgeber auch nachhaltig unterstützen. Mit GENVELO zum Beispiel können Arbeitgeber ihren JobRadlern ermöglichen, sorgenfrei bei Wind und Wetter alle Wege trocken und sicher zu bestreiten. Wir lieben ganzheitliche Lösungen und bieten daher unseren JobRad-Arbeitgebern die B2B-Möglichkeiten von GENVELO immer mit an. Mit Corporate Branding wirkt das Commitment zur nachhaltigen Mobilität natürlich noch stärker, sowohl nach außen, aber auch unter JobRadlern innerhalb eines Unternehmens.

In Wien gibt es Konkurrenz durch Cargobike-Leasing oder Sharing-Anbieter. Warum bleibt das klassische Dienstrad Ihrer Meinung nach der Schlüssel für die Verkehrswende

Jedes Fahrrad oder E-Bike kann ein JobRad sein, womöglich hat man es aber nicht immer dabei. Demnach ist Bikesharing nicht zwangsläufig Konkurrenz, sondern vielmehr eine Ergänzung, ein weiterer Baustein in der Verkehrswende, der bestimmt auch von JobRadlern gerne genutzt wird.

Im Dienstradleasing sehen wir aber den Gamechanger, weil es so individuell ist: Als JobRadler wähle ich mein Wunschmodell, ob Mountainbike, Gravelbike, Rennrad, Citybike oder Lastenrad etc. Ich suche es bei einem Fachhändler stationär oder online aus, wähle Preis, Laufzeit und Versicherung so, wie es am besten zu mir passt. Und das für bis zu drei Fahrräder, wenn der Arbeitgeber das freigibt! Schlussendlich kann ich nach der Laufzeit mein Rad übernehmen und dabei bis zu 40 Prozent Ersparnis gegenüber dem Direktkauf erzielen – ohne versteckte Kosten oder doppelten Boden. Wie schon gesagt: win-win-win. Welches andere Modell in der Verkehrswende ist so ein No-Brainer?

Wenn Sie einen Wunsch an die Politik frei hätten – welche Weichenstellung würde die betriebliche Mobilität in Österreich revolutionieren?

Zunächst muss man sagen, dass die Politik in der jüngsten Vergangenheit bereits vieles für nachhaltige, betriebliche Mobilität in Österreich ermöglicht hat. So öffnen sich gerade zunehmend die Bundesländer für Dienstradleasing im Sinne ihrer Beamten und Vertragsbediensteten.

Der Wunsch, den wir allerdings regelmäßig im Rahmen unserer politischen Kommunikation äußern, lautet: Dienstradleasing muss für alle möglich sein! Derzeit können öffentlich Bedienstete auf Bundes- und Landesebene (außer Vorarlberg und OÖ) das JobRad-Modell noch nicht nutzen, hier braucht es Gesetzesänderungen. Darüber hinaus können leider derzeit alle Arbeitnehmenden, die das kollektivvertragliche Mindestentgelt erhalten, nicht zu JobRadlern werden - die Kollektivverträge ermöglichen keine Gehaltsumwandlung ohne Überzahlung. Unserer Ansicht nach braucht es im Sinne der nachhaltigen Mobilität und im Sinne der Gleichbehandlung der Arbeitnehmenden hier in den Kollektivverträgen eine Öffnung, beispielsweise eine Ausnahmeregelung für den Sachbezug „Dienstradleasing“.

Zur Person

Karin Stopa bringt langjährige Erfahrung aus leitenden Positionen in Vertrieb und Marketing internationaler Unternehmen - vom Start-up bis zum Global Player - mit. Zuletzt war sie bei „Digital Realty - Interxion Österreich“ als Director Sales & Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung tätig. Die 49-jährige Wienerin hat sich in der digitalen Wirtschaft einen Namen gemacht und stellt ihre Expertise seit Jänner in den Dienst von JobRad Österreich.

Info: Interessierte, egal ob Arbeitgeber oder Beschäftigte können sich unter https://at.jobrad.org weitere Informationen holen und mit JobRad in Kontakt treten.

Foto: JobRad Österreich

Die Country Managerin für Österreich bei Emirates über ein verbessertes Reiseerlebnis, Innovationen an Bord und Investitionen in Nachhaltigkeit.

 

Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie derzeit für Emirates in Österreich?
Ein Highlight für Emirates in Österreich war der Start unserer modernisierten Boeing 777 mit Premium Economy. Mit dem neuen Kabinenprodukt und dem dazugehörenden Service haben wir die Chance, österreichischen Reisenden ein verbessertes Reiseerlebnis und den Zugang zu einer neuen Generation an Produkten zu ermöglichen.

Damit sind wir aktuell auch die einzige Fluglinie, die den Flughafen Wien mit eine Vier Klassen-Konfiguration bedient und Reisenden auf Flügen von und nach Wien somit eine vielfältige Produktauswahl bietet. Wir freuen uns sehr über das große Interesse an der neuen Premium Economy. Wir sind in einem Umfeld, wo die Nachfrage nach einer qualitativ hochwertigen Anreise nach wie vor sehr hoch ist. Die Passagiere erwarten vom ersten Kontaktpunkt an tollen Service, und diesen können wir mit unserem lokalen Team und den Kolleginnen und Kollegen weltweit bieten.

Wie wollen Sie die verschiedenen Vertriebskanäle in Österreich weiter stärken und dabei den Anforderungen unterschiedlicher Kundensegmente gerecht werden?
Nach wie vor sind unsere Partner in den Reisebüros der wichtigste Vertriebskanal. Viele unserer Passagiere schätzen den guten Service im Reisebüro und möchten gerne auch in der Planung schon qualitativ hochwertig betreut werden. Wir haben zudem ein großes Team, das ausschließlich für die Zusammenarbeit mit den Reisebüro-Partnern zuständig ist, hier haben wir in den letzten zwei Jahrzehnten viel aufgebaut. Selbstverständlich können Kundinnen und Kunden in Österreich auch jederzeit bequem auf die Emirates-Website und -App zugreifen, um eine Reihe von Funktionen zu nutzen, darunter die Suche nach Flügen, die Erkundung unseres globalen Netzwerks, die Verwaltung ihrer Reisen und vieles mehr.

 

„Die Passagiere erwarten vom ersten Kontaktpunkt an tollen Service, und den können wir weltweit bieten.“

 

Nachhaltigkeit ist ein großes Thema in der Luftfahrt. Welche Maßnahmen setzt Emirates, um umweltfreundlicher zu werden und wie kommunizieren Sie dies Ihren Kunden?
Wir arbeiten bei Emirates intensiv daran, unseren Flugverkehr laufend in Richtung Nachhaltigkeit zu verbessern. Dazu investieren wir 200 Millionen US-Dollar in Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Zudem engagieren wir uns mit verschiedenen Partnerschaften, wie etwa dem Projekt Aviation Impact Accelerator der Universität Cambridge, oder auch durch unseren Beitritt zur deutschen Initiative für erneuerbare Energien in der Luftfahrt, aireg, im vergangenen Jahr.

Der Wettbewerb in der Luftfahrtbranche ist intensiv. Wie differenziert sich Emirates in Österreich von anderen Anbietern?
Bei Emirates legen wir großen Wert auf das Reiseerlebnis unserer Passagiere. Unsere Gäste sollen sich vom ersten Moment an wie im Urlaub fühlen – das beginnt bereits mit dem Check-in am Flughafen. Für unsere Reisenden der Business- und First Class sogar schon davor, denn unser Chauffeur-Service holt Passagiere dieser Kabinenklassen in einem Umkreis von 50 km vom Flughafen Wien ab und bringt sie bequem zum Flughafen.

Wir investieren kontinuierlich in unseren Bordservice, damit unsere Passagiere die Zeit über den Wolken genießen können und entspannt an ihrer Destination ankommen. Dazu bieten wir unseren Reisenden je nach Kabinenklasse eine umfangreiche kostenlose Getränkeauswahl, monatlich wechselnde Menüs, nachhaltige Amenity Kits und Decken oder auch über 6.500 Unterhaltungskanäle mit unserem preisgekrönten Inflight-Entertainment-System ice.

Zudem freuen wir uns sehr, die erste Fluglinie am Flughafen Wien zu sein, die ihren Passagieren vier Kabinenklassen in einer Maschine bietet. Als größte internationale Fluggesellschaft der Welt bieten wir Reisenden über unser Drehkreuz in Dubai eine hervorragende Anbindung an über 140 Ziele auf sechs Kontinenten. Ganz zu schweigen davon, dass Dubai ein idealer Zwischenstopp für Passagiere ist, die zu beliebten Zielen im Indischen Ozean und in Asien weiterreisen. 

 

„Die Führungsposition in der Luftfahrtbranche hat mich gelehrt, selbstbewusst an Herausforderungen heranzugehen und mich nicht von Stereotypen beeinflussen zu lassen.“  

 

Welche Bedeutung haben Innovationen wie biometrisches Boarding oder personalisierte Reiseerlebnisse für Emirates und speziell für österreichische Kunden?
Wir treiben Innovationen gezielt voran, um unseren Passagieren ein noch angenehmeres Reiseerlebnis zu bieten. Im Fokus steht für uns immer, dass sich unsere Reisenden gut abgeholt und betreut fühlen. Am Dubai International Airport arbeiten wir bereits stark mit biometrischer Gesichtserkennung, etwa bei den Selbstbedienungs-Check-ins oder bei dem Boarding, für einen nahtlosen Weg durch den Flughafen, den natürlich auch unsere österreichischen Passagiere erleben können.

Zudem bieten wir unseren Reisenden die Möglichkeit, vorab Menüpräferenzen bekannt zu geben oder auch ihre Playlist für das Inflight-Entertainment-System ice zusammenzustellen, die dann an Bord automatisch synchronisiert wird. Auch beim personalisierten Reiseerlebnis steht bei uns im Vordergrund, die Reise für unsere Passagiere angenehmer zu gestalten. 

Sie haben über 17 Jahre Erfahrung in der Tourismus- und Luftfahrtbranche. Welche Lektionen aus Ihrer Karriere helfen Ihnen in der täglichen Arbeit am meisten?
Mein Interesse an der Luftfahrt war schon sehr früh da, umso mehr freue ich mich heute, auf eine so lange und erfolgreiche Karriere in der Branche zurückblicken zu können. In dieser Zeit habe ich gelernt, dass für mich eine offene Kommunikation und Teamarbeit das Um und Auf sind. Diese Werte versuche ich kontinuierlich in meinem Team zu fördern, denn eine positive und inklusive Unternehmenskultur ist mir besonders wichtig. Eine Führungsposition in der Luftfahrtbranche beziehen zu dürfen hat mich außerdem gelehrt, selbstbewusst an Herausforderungen heranzugehen und mich nicht von Stereotypen beeinflussen zu lassen.  

Was ist Ihre Vision für Emirates in Österreich in den nächsten Jahren?
Lange war auf diese Frage meine Antwort klar: ein Vier-Klassen-Produkt mit First, Business, Premium Economy und Economy Class am österreichischen Markt anbieten zu dürfen. Jetzt, wo wir dieses Ziel erreicht haben, freue ich mich darauf, dieses Alleinstellungsmerkmal so vielen Passagieren wie möglich anzubieten und ihnen eine angenehme Reise zu ermöglichen.

Außerdem wünsche ich mir, dass die Zusammenarbeit mit unseren vielen Partnern, wie dem Flughafen Wien, den Reiseveranstaltern und Reisebüros, so gut bleibt und wir weiterhin so eine starke Loyalität unter den Mitarbeitenden haben. Sie sind nämlich die, die den Unterschied bei den Kunden und Kundinnen machen.

Foto: Emirates

Unter dem Hashtag #Frauenticket teilen tausende Frauen ihre Erfahrungen, bei Arztbesuchen nicht ernst genommen worden zu sein.

 

Monika Pietrzak-Franger von der Universität Wien erklärt im ABW-Interview, warum Betroffene chronischer Erkrankungen häufig mehrfach stigmatisiert werden.

Wie erklären Sie sich, dass diese Problematik so tief in unserer Gesellschaft verwurzelt ist?

Das Problem von #Frauenticket ist nicht nur ein medizinisches, sondern ein kulturelles. Es geht unter anderem um Deutungshoheit: Wer wird als glaubwürdig angesehen? Wessen Schmerzen gelten als real? Erst wenn wir die tief verankerten Bilder von Geschlecht, Körper und Krankheit hinterfragen, kann sich die Situation grundlegend ändern.

Einerseits, ist dafür die lange kulturelle Tradition verantwortlich, die Körper, Schmerz und Geschlecht auf spezifische Weise deutet. Schon in der Antike wurden Frauenkörper als rätselhaft oder unzuverlässig betrachtet. Im 19. Jahrhundert wurde „Hysterie“ als Sammelbegriff für alle möglichen Beschwerden von Frauen genutzt – von Schmerzen über psychische Erkrankungen bis hin zu Unzufriedenheit mit gesellschaftlichen Rollen. Dieses Bild der „überempfindlichen“ oder „emotionalen“ Frau wirkt bis heute nach: Frauen werden häufiger als ängstlich oder stressgeplagt wahrgenommen, während Männer als „hart im Nehmen“ gelten.  

Andererseits basiert moderne Medizin historisch auf männlichen Körpern als Standard. Viele medizinische Studien wurden und werden vorrangig an Männern durchgeführt. Das führt dazu, dass Symptome, die sich bei Frauen anders äußern – etwa Herzinfarkte –, nicht erkannt oder falsch interpretiert werden. Auch die Schmerzbewertung ist davon betroffen: Studien zeigen, dass Frauen in Notaufnahmen seltener Schmerzmittel erhalten als Männer mit vergleichbaren Beschwerden. Unsere Kultur schreibt Frauen oft die Rolle der „Versorgenden“ zu – sie kümmern sich um andere, sind belastbar, aber sollen gleichzeitig nicht „zu viel“ Aufmerksamkeit für ihre eigenen Bedürfnisse einfordern. Dieses Bild beeinflusst unbewusst auch medizinisches Personal: Wenn Frauen über Schmerzen klagen, werden sie eher als übertreibend oder psychosomatisch leidend wahrgenommen.

 

„Schon in der Antike wurden Frauenkörper als rätselhaft oder unzuverlässig betrachtet.“

 

Sie sprechen von der Stigmatisierung durch Narrativen wie „Krankheit als Eigenverantwortung“ und „Frauenleiden als Hysterie“. Welche gesellschaftlichen Strukturen tragen besonders zu dieser Stigmatisierung bei?

In neoliberalen Gesellschaften wird Gesundheit oft als individuelle Verantwortung betrachtet. Wer krank ist, hat angeblich nicht genug auf sich geachtet – ein Narrativ, das besonders Frauen belastet. Chronische Erkrankungen oder psychische Leiden werden so schnell als persönliches Versagen gewertet, statt als Ergebnis komplexer sozialer, wirtschaftlicher und biologischer Faktoren.

Gleichzeitig trägt die patriarchale Prägung der Medizin dazu bei, dass Frauenleiden oft verharmlost oder fehlgedeutet werden. Auch kulturell fehlt es an kritischer Reflexion: Medien, Werbung und sogar die Sprache selbst verstärken oft unbewusst diese Narrative. Solche gesellschaftlichen Strukturen machen es schwer, offen über Gesundheit und Krankheit zu sprechen und sorgen dafür, dass viele Betroffene lange kämpfen müssen, um ernst genommen zu werden. Eine Veränderung braucht ein Umdenken in Medizin, Politik und öffentlichem Diskurs.

Warum ist es gerade bei chronischen Erkrankungen wie Long Covid oder ME/CFS so schwierig, dass Betroffene ernst genommen werden?

Unsere Gesellschaft bevorzugt Krankheiten, die sichtbar, messbar und heilbar sind. Wer einen gebrochenen Arm hat oder an Krebs leidet, wird sofort als krank anerkannt. Doch bei chronischen Erkrankungen, die oft keine eindeutigen Biomarker haben und individuell sehr unterschiedlich verlaufen, fehlt diese klare Sichtbarkeit. Besonders problematisch ist, dass viele dieser Krankheiten die Leistungsfähigkeit einschränken. Unsere Gesellschaft definiert Menschen stark über ihre Produktivität – wer dauerhaft müde, erschöpft oder arbeitsunfähig ist, wird schnell als „faul“ oder „hypochondrisch“ abgestempelt.

Dazu kommt, dass Medizin und Forschung lange wenig Interesse an diesen Erkrankungen hatten. Viele Ärztinnen und Ärzte sind unzureichend geschult, und Betroffene müssen oft jahrelang um Anerkennung kämpfen. Um das zu ändern, braucht es nicht nur medizinische Fortschritte, sondern auch ein kulturelles Umdenken: Krankheit ist nicht nur das, was sich einfach messen lässt – sondern auch das, was Menschen in ihrem Alltag einschränkt.

 

„In neoliberalen Gesellschaften wird Gesundheit oft als individuelle Verantwortung betrachtet. Wer krank ist, hat angeblich nicht genug auf sich geachtet.“

 

Sie erwähnen, dass die Medizin historisch von Männern und für Männer gemacht wurde. Was sind die größten Fortschritte, die geschlechterspezifische Medizin in den letzten Jahren erreicht hat und wo gibt es noch dringenden Handlungsbedarf?

Ein großer Fortschritt ist das wachsende Bewusstsein für geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin und ein öffentlicher Dialog darüber. Dennoch gibt es noch großen Handlungsbedarf. Viele Krankheitsbilder, die überwiegend Frauen betreffen – wie Endometriose, Long Covid oder ME/CFS – sind weiterhin unterforscht und werden oft als psychosomatisch abgetan. Auch die medizinische Ausbildung muss sich ändern: Geschlechtssensible Medizin sollte fester Bestandteil des Studiums sein. Fortschritt bedeutet nicht nur bessere Technik, sondern auch ein Umdenken in der Art, wie wir Krankheit wahrnehmen – und wer als „normale“ Patient*in gilt.

Sie betonen, dass Krankheiten nicht nur biologisch, sondern auch sozial und kulturell geprägt sind. Wie können wir als Gesellschaft neue Narrative entwickeln, die mehr Solidarität und Verständnis fördern?

Um neue Narrative zu schaffen, die mehr Solidarität und Verständnis fördern, müssen wir grundlegend überdenken, was Krankheit und Gesundheit bedeuten. Statt Gesundheit als individuelle Leistung zu sehen, sollten wir sie als kollektive Verantwortung begreifen – geprägt von sozialen, wirtschaftlichen und medizinischen Bedingungen.

Ein wichtiger Schritt ist auch, anderen wirklich zuzuhören. Wenn Betroffene über ihre Erfahrungen sprechen, sollten wir sie ernst nehmen, statt vorschnell zu urteilen. Ihnen eine Stimme zu geben – sei es in den Medien, in der Medizin oder im persönlichen Umfeld – hilft, eingefahrene Vorstellungen zu hinterfragen. Genauso entscheidend ist, wie wir selbst über Gesundheit und Krankheit sprechen. Wer differenziert und ohne Schuldzuweisungen darüber spricht, trägt dazu bei, Stereotype aufzubrechen. Je mehr wir uns bewusst machen, wie tief gesellschaftliche Annahmen unser Denken prägen, desto eher können wir neue Erzählungen etablieren, die Mitgefühl und Verständnis in den Mittelpunkt stellen.

 

„Viele Krankheitsbilder, die überwiegend Frauen, sind weiterhin unterforscht und werden oft als psychosomatisch abgetan.“

 

Was möchten Sie Studierenden vermitteln, wenn es um die Reflexion von bestehenden Erklärungsmodellen und Machtstrukturen geht?

Ein zentrales Anliegen in der kultur- und literaturwissenschaftlichen Lehre ist es, Studierende für die Macht von Erzählungen und (visuellen) Darstellungen zu sensibilisieren. Unsere Welt ist nicht „natürlich“ gegeben, sondern das Ergebnis historischer Entwicklungen, sozialer Konstruktionen und politischer Interessen.

Wer die bestehenden Erklärungsmodelle und Machtstrukturen nicht hinterfragt, läuft Gefahr, sie unbewusst zu reproduzieren. Gerade in der Medizin, aber auch in anderen Wissenschaften, wurden lange Zeit bestimmte Perspektiven als allgemeingültig betrachtet. Doch wer definiert, was als „objektives“ Wissen gilt? Welche Stimmen wurden überhört? Welche Alternativen gibt es? Diese Fragen sind essenziell, um neue, gerechtere Erkenntnisse zu entwickeln. Studierende sollen lernen, kritisch zu lesen, Fragen zu stellen und scheinbar Selbstverständliches zu dekonstruieren. Sie sollen erkennen, dass Wissen immer in einem gesellschaftlichen Kontext entsteht und nie neutral ist. Doch Reflexion allein reicht nicht – sie sollten sich auch fragen: Wie kann ich dazu beitragen, bestehende Ungleichheiten zu verändern? Denn Wissenschaft ist nicht nur ein Werkzeug zur Analyse der Welt – sie kann auch ein Instrument für sozialen Wandel sein. Täte das jede/r von uns, würden wir einiges bewegen können.

Zur Person

Monika Pietrzak-Franger ist Professorin für Kultur- und Literaturwissenschaft, Direktorin des Instituts für Anglistik und Amerikanistik und Co-Leiterin der Doctoral School of Philological and Cultural Studies (PhilKult) an der Universität Wien. Sie ist eine international ausgewiesene Expertin für Medical/Health Humanities.

Der Schwerpunkt ihrer derzeitigen Forschungsarbeit liegt im Bereich medialer Gesundheitspraktiken, Krankheitsnarrative und -darstellungen. Sie ist Autorin zahlreicher Bücher (Cambridge University Press, Oxford University Press etc.) und Artikel in wissenschaftlichen Fachjournalen (inkl. British Medical Journal). Neben ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit ist Monika Pietrzak-Franger in diversen internationalen Organisationen tätig. Sie ist Teil des „Gesundheit und Gesellschaft“-Forschungsverbundes an der Uni Wien. Im Frühjahr erscheint ihr neues Buch „Scheinbar genesen: Leben mit Long Covid und das Recht auf Hoffnung“.

Foto: Barbara Mair

Der Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds über die entscheidenden Weichenstellungen für eine klimaneutrale Zukunft.

 

Sie haben den „Wiener Klimafahrplan“ und die „Wärme- und Kälte-Strategie 2040“ maßgeblich geprägt. Welche Lehren und Erfahrungen aus Ihrer Zeit in der Wiener Energieplanung haben Sie in Ihre Rolle beim Klima- und Energiefonds mitgenommen – besonders für die nationale Umsetzung der Klimaziele?

Ich durfte den Wiener Klimafahrplan gemeinsam mit einem großartigen Team erarbeiten – ausgewiesene Expert:innen haben für eine hohe fachliche Qualität des Planes gesorgt, der soziale und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Der Wiener Klimafahrplan war aber auch deshalb erfolgreich, weil wir von Beginn an alle politischen Parteien eingebunden haben. Vier von fünf Parteien haben ihm zugestimmt.

Dieser breite Konsens war die Basis dafür, dass die Strategie langfristig Bestand hat, denn gerade im Klima- und Energiebereich reden wir von langfristigen Investitionen. Ein Hin und Her bringt dabei niemanden etwas, schon gar nicht dem heimischen Wirtschaftsstandort. Genau diesen Gedanken einer verbindenden Zusammenarbeit auf Basis guter fachlicher Ideen habe ich auch in den Klima- und Energiefonds mitgebracht. Ich bin überzeugt, das wird mittelfristig Früchte tragen und einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele liefern.

Wir haben uns jedenfalls gut aufgestellt und noch viele Ideen! Aus den Erfahrungen mit der „Wärme- und Kälte-Strategie 2040” der Stadt Wien ist unmittelbar ein neues Programm im Klima- und Energiefonds entstanden – die „Leuchttürme der Wärmewende“ – in dem wir versuchen, Wissen aus sehr innovativen Forschungs- und Pilotprojekten in die bauliche Praxis zu bringen. Konkret wollen wir Quartiere unterstützen, von Öl oder Erdgas auf eine erneuerbare Wärme- und Kälteversorgung umzustellen. Im Bestand ist das eine große Herausforderung, die viele Innovationen und Investition braucht. Das Gute daran: Österreich ist in diesem Feld ein Innovationleader und, wenn wir weiter auf dieses Thema setzen, entstehen Exportchancen und Wohlstand in der Zukunft.

 

„Österreich hat ambitionierte Pläne zur Reduktion fossiler Heizungen und ist damit bereits auf einem guten Weg.“

 

Die EU fordert einen vollständigen Ausstieg aus fossilen Heizsystemen bis 2040. Wie bewerten Sie Österreichs Fortschritte – etwa bei der Umstellung auf Wärmepumpen oder Fernwärme? Und wo sehen Sie die größten Hürden, insbesondere im ländlichen Raum?

Österreich hat ambitionierte Pläne zur Reduktion fossiler Heizungen und ist damit bereits auf einem guten Weg. Die Umstellung ist aber sowohl in ländlichen als auch in urbanen Gebieten mit Herausforderungen verbunden. In urbanen Gebieten schreitet der Ausbau von Fernwärme immer weiter voran, das ist aber nicht überall in der Stadt möglich.

In diesen Fällen müssen andere grüne Lösungen eingesetzt werden, wie die Umstellung der Fernwärme auf Abwärme und andere erneuerbare Energien. Das braucht, vereinfacht gesagt, Fläche, und die ist im städtischen Raum knapp. Am Land gibt es zwar die Fläche, aber die großflächigen Fernwärmenetze noch nicht, um eine breite Versorgung zu gewährleisten. Hier sind maßgeschneiderte Lösungen gefragt, die die lokalen Gegebenheiten berücksichtigen. Programme wie die Klima- und Energie-Modellregionen (KEM) spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie regionale Projekte fördern und so den Übergang zu erneuerbaren Energien unterstützen.

Innovationen auf Basis von diversen Wärmepumpenlösungen können sowohl in der Stadt als auch am Land Abhilfe schaffen.  Wichtig zu beachten ist, dass es bei all dem nicht allein auf die Wärmeversorgung ankommt. Gerade ältere Gebäude sind oftmals nicht ausreichend gedämmt. Man heizt zwar nachhaltig, aber de facto beim undichten Fenster und Dach hinaus. Das ist eine Hürde, die sowohl Stadt als auch Land betrifft. Mit der Heizungsumstellung sollte man daher auch Investitionen in die Effizienz des Gebäudes mitdenken. Das kostet zwar, die Bereitstellung von Förderungen, wie der oben genannten Ausschreibung „Leuchttürme der Wärmewende“, kann aber hier ansetzen und die richtigen Impulse auslösen. 

 

„Es stimmt, dass ohne gezielte finanzielle Unterstützung viele Projekte in der Entwicklungsphase stecken bleiben würden.“

 

Wien setzt auf die „15-Minuten-Stadt“ zur Reduktion von Pendlerverkehr. Welche innovativen Mobilitätskonzepte fördert der Fonds, um solche Ansätze auch in kleineren Städten oder im ländlichen Raum zu verankern? 

Die Mobilitätswende ist einer der Schlüsselfaktoren zur Erreichung der Klimaziele. Wir alle wollen zwar nicht auf die Annehmlichkeiten moderner Verkehrsmittel verzichten, der Verkehrssektor trägt aber durch den massiven Einsatz von fossilen Treibstoffen nun mal stark zum Klimawandel bei. Wir investieren daher in marktnahe Mobilitätsforschung, fördern die Integration neuer Technologien in Mobilitätslösungen und bauen Hürden für eine multi-modale Mobilität nach dem Prinzip „vermeiden – verlagern – verbessern“ ab. Für die Umsetzung in der Stadt sowie am Land steuern wir eine breite Palette an Unterstützungsleistungen bei.

Unser Aktionsprogramm „klimaaktiv mobil“ widmet sich etwa der aktiven Mobilität, also dem Fuß- und Fahrradverkehr, in Gemeinden und dem Mobilitätsmanagement in Betrieben. Die Anschaffung von E-Fahrzeugen und Ladeinfrastrukturen für Privatpersonen, Gemeinden und Unternehmen wird ebenfalls mit einer passenden Ausschreibung gefördert. Neben der Praxis widmen wir uns aber genauso der Forschung und steigern die Innovationskraft Österreichs im Bereich der Mobilität durch die Programme “Zero Emission Mobility plus” und “Digitale Transformation in der Mobilität & Rail4Climate”. 

Kritiker:innen monieren, Österreichs Klimapolitik sei zu langsam: Nur 7,6 % der Fernwärme stammt aus Erneuerbaren. Wie reagieren Sie auf den Vorwurf, dass ambitionierte Pläne oft in der Umsetzung stocken? 

Damit wir die Klimaziele erreichen können, braucht es Innovationen. Diese entstehen in der Forschung, doch der Weg in den Markt ist oft lang und mit erheblichen Kosten verbunden. Es stimmt, dass ohne gezielte finanzielle Unterstützung viele Projekte in der Entwicklungsphase stecken bleiben würden. Genau diese Schwelle bauen wir mit unseren Förderungen ab: Wir helfen, neue Technologien zur Marktreife und klimafreundliche Lösungen rasch in die breite Umsetzung zu bringen, die wiederum Investitionen auslösen.

Eine „grünere“ Fernwärme ist bereits Ziel unserer Ausschreibungen: Unser aktuelles Förderprogramm für Großspeicheranlagen zielt auf die Errichtung von Großwärmespeichern ab. Diese sollen die Dekarbonisierung der Fernwärmenetze ermöglichen, indem sie die ganzjährige Nutzung erneuerbarer Energie durch saisonale Speicherung ermöglicht. Die Wärme des Sommers auch noch im Winter zu nutzen, ist der Plan. Die bereits vielfache genannte Initiative „Leuchttürme der Wärmewende“ trägt ebenfalls zur Transformation hin zu einer erneuerbaren, zentralen und dezentralen Wärmeversorgung bei.

 

„Der Wiener Klimafahrplan war auch deshalb erfolgreich, weil wir von Beginn an alle politischen Parteien eingebunden haben.“

 

Die Energiepreiskrise 2022 hat viele Haushalte belastet. Wie stellen Sie sicher, dass Klimapolitik nicht als „Elitenprojekt“ wahrgenommen wird, sondern auch einkommensschwache Gruppen erreicht? 

Eine nachhaltige, saubere und sichere Energiezukunft kann nur gestaltet werden, wenn alle Menschen mitgenommen werden. Es braucht also gezielte Maßnahmen, die soziale Gerechtigkeit mit Klimaschutz verbinden. Eine zentrale Rolle in diesem Thema spielt die Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von Energiearmut (kea), die im Klima- und Energiefonds angesiedelt ist. Sie beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie Klimaschutz sozial verträglich gestaltet werden kann. Ganz klar ist, wer wenig Geld hat, darf nicht von klimafreundlichen Lösungen ausgeschlossen bleiben. Ein konkretes Beispiel, wie das gelingen kann, ist unser Förderprogramm „Energiesparen im Haushalt: Beratung und Gerätetausch“. Haushalte mit geringen finanziellen Mitteln können dabei kostenlos bis zu zwei alte, stromfressende Haushaltsgeräte gegen energieeffiziente Neugeräte tauschen. Das bedeutet: niedrigere Stromkosten, weniger Energieverbrauch und ein spürbarer Beitrag zum Klimaschutz – ohne zusätzliche finanzielle Belastung. 

Doch Klimaschutz für alle geht noch weiter. Wir unterstützen auch solidarische Energiegemeinschaften. Diese arbeiten daran, dass überschüssiger Strom aus Energiegemeinschaften gezielt Haushalten mit geringem Einkommen zugutekommt – aber auch Sozialorganisationen, die wichtige Leistungen für diese Haushalte bereitstellen. So profitieren nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Einrichtungen, die Wohnraum, Beratung oder andere essenzielle Unterstützungen anbieten.

Zur Person

Bernd Vogl ist seit Jänner 2023 Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds. Nach seinem BWL-Studium mit Schwerpunkt Umweltökonomie startete er 1993 als Energieexperte im Umweltministerium, wo er ab 2004 das Klimaschutzprogramm „klima:aktiv“ leitete und ab 2006 stellvertretender Abteilungsleiter für Umweltökonomie und Energie war. Zudem verantwortete er den „Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit“ und war Mitglied im Baukultur- sowie Energielenkungsbeirat. Von 2011 bis 2022 leitete er die Energieplanung der Stadt Wien, koordinierte den „Wiener Klimafahrplan“ und entwickelte die Strategie „Wiener Wärme und Kälte 2040“. Seine Schwerpunkte: Förderung erneuerbarer Energien, Pilotprojekte zum fossilen Heizungs-Ausstieg, Integration von Energie- in die Stadtplanung, Sonnenstromoffensive und das Beteiligungsprogramm „Wiener Klimateam“. Seine Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Klimaschutzpreis, Verwaltungspreis 2021 und Solarpreis. Von 2016 bis 2022 war er zudem Aufsichtsrat der Wien Energie.

Foto: Klaus Ranger

Im April 2024 übernahm Mag. Barbara Komarek die Geschäftsführung der Niederösterreich Bahnen GmbH.

 

Seitdem verfolgt sie ambitionierte Ziele, um die regionale Mobilität und das touristische Angebot auszubauen und zu modernisieren. Ihr Fokus liegt klar auf den Fahrgästen. „Wir wollen 2025 den Fahrgastrekord von 1,3 Millionen übertreffen“, sagt Komarek. Dafür setzt sie auf Servicequalität und Kundenzufriedenheit. 

Die Niederösterreich Bahnen betreiben sechs Bahnlinien und zwei Seilbahnen in den schönsten Regionen des Bundeslandes und sind wichtige Verkehrsträger im Alltags- und Freizeitverkehr. Komarek betont die Bedeutung der Mitarbeiter: „Freundlichkeit, Kompetenz und umfassender Service stehen im Mittelpunkt. “ Pünktlichkeit, Sauberkeit und Komfort sind für sie unverzichtbare Grundvoraussetzungen. „Nur mit einer tadellosen Infrastruktur können wir diese Top-Dienstleistung erbringen“, betont sie. 

Nachhaltige Mobilität und sanfter Tourismus

Niederösterreich profitiert im Tourismus von seiner abwechslungsreichen Landschaft, die vom Naturpark Ötscher-Tormäuer über den Schneeberg bis in die Wachau und zur Gemeindealpe Mitterbach reicht. Komarek sieht die Stärke der Bahnen im sanften Tourismus. „Unsere Gäste erreichen die schönsten Regionen des Landes klimafreundlich. Auf der Mariazellerbahn gilt das Klimaticket und auf allen anderen Bahnen und Seilbahnen kann die Niederösterreich-CARD genutzt werden“, erklärt sie. 

Auch Wanderer, Radfahrer, Skifahrer und Bergsteiger können bequem per Bahn anreisen. „Alle unsere Bahnen und Seilbahnen sind ab Wien mit den Zügen der ÖBB oder der Westbahn erreichbar“, erläutert Komarek. Zudem fungieren die Bahnen als Mobilitätspartner zahlreicher regionaler Veranstalter, von Sportevents wie dem Wachau-Marathon bis zu Kulturveranstaltungen wie dem Schrammelklang-Festival in Litschau. 

 

„Unsere Gäste erreichen die schönsten Regionen des Landes klimafreundlich.“

 

Bessere Erreichbarkeit für ländliche Regionen

Ein zentrales Anliegen Komareks ist die Stärkung der Mobilität abseits der großen Ballungsräume. Die Mariazellerbahn und die Citybahn Waidhofen, die gemeinsam rund 900.000 Fahrgäste zählen, sind die fahrgaststärksten Bahnen im Portfolio der Niederösterreich Bahnen. „Wir haben beide Bahnlinien mit einem attraktiven Halbstundentakt ausgebaut. Die steigenden Fahrgastzahlen geben uns recht“, sagt Komarek. Barrierefreie Bahnhöfe und die enge Abstimmung mit Busfahrplänen und Gemeindetaxis sollen das Angebot für die Menschen in den ländlichen Gebieten weiter verbessern. 

Digitalisierung als Basis für Effizienz

Digitale Technologien spielen für die Niederösterreich Bahnen eine zentrale Rolle. „Unsere Betriebsführung wäre ohne digitale Systeme nicht denkbar, weil sie einen stabilen und verlässlichen Fahrplan sicherstellen“, erklärt Komarek. Auch im Vertrieb und Marketing werden diese Tools künftig noch stärker zum Einsatz kommen. Im Februar 2025 soll ein neuer Webshop starten. „Unser Ziel dabei: mit drei Klicks zum Ticket. “ 

 

„Wie setzen weiterhin auf Wasserkraft – denn die Mariazellerbahn ist bereits seit über 100 Jahren elektrisch unterwegs.“

 

Grenzen überwinden – Kooperationen stärken 

Neben der Zusammenarbeit mit Nachbarbundesländern steht auch eine internationale Partnerschaft mit der Rhätischen Bahn in der Schweiz auf dem Programm. „Die Rhätische Bahn mit Zügen wie dem Glacier Express spielt in der Champions League der Eisenbahn“, sagt Komarek. Durch gemeinsame Marketingaktivitäten und den Austausch über technische Methoden in der Infrastrukturinstandhaltung profitieren beide Seiten. 

Ein Meilenstein ist der modernisierte Bahnhof Mariazell, der 2024 als Mobilitätsdrehscheibe neu eröffnet wurde. Hier sind Bahn, Bus, E-Auto, Fahrrad und Taxi vernetzt, unterstützt durch einen KI-basierten Informations- und Wartebereich. „Niederösterreich, die Steiermark und der Bund haben dieses Projekt gemeinsam finanziert – ein gelungenes Beispiel dafür, wie grenzüberschreitende Zusammenarbeit aussehen kann“, hebt Komarek hervor. 

Moderne Technologien für den Fahrgast der Zukunft

Bei Tickets, Echtzeitinformationen und alternativen Antrieben setzt Komarek auf eine intelligente Mischung aus persönlichem Service und digitaler Innovation. Reisende können bereits jetzt etwa die Hälfte aller Tickets online kaufen. Reservierungen für Fahrräder oder kurzfristige Umbuchungsoptionen („Flex-Tickets“) sind ebenfalls möglich. „Gleichzeitig stehen in allen Zügen Schaffnerinnen und Schaffner für den Ticketverkauf und Auskünfte zur Verfügung“, betont Komarek. 

Auch beim Thema emissionsfreie Züge geht es voran. Gemeinsam mit Fachhochschulen arbeitet man an Konzepten für neue Fahrzeuggenerationen. Bei der 100 Jahre alten Mariazellerbahn erweitert man gemeinsam mit der EVN die Kapazitäten im Kraftwerk Erlaufboden, um weiterhin auf Wasserkraft zu setzen. „Die Mariazellerbahn ist bereits seit über 100 Jahren elektrisch unterwegs“, erklärt Komarek.

Foto: NB_Monihart

Karin Seiler, Geschäftsführerin der Tirol Werbung, im ABW-Interview über ein erfolgreiches Jahr.

 

12,4 Millionen Gästeankünften und 48,8 Millionen Übernachtungen 2024 sind beeindruckende Zahlen. Welche Faktoren haben zu diesem Erfolg beigetragen? 

Urlaub in Tirol erfreut sich einer stabil hohen Nachfrage. Die stärksten Reisemotive sind einerseits die Berge, unsere alpine Landschaft und Natur sowie die ausgezeichnete Infrastruktur. Ein wesentlicher Grund sind zudem unsere Betriebe, die neben einer großen Angebotsvielfalt auch mit ihrer Qualität punkten. Darüber hinaus trägt unser Engagement in Richtung Ganzjahrestourismus Früchte. Konkret bedeutet das mehr Nachfrage während der Saisonrandzeiten.

Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie im Bereich Nachhaltigkeit?

Wir haben vor zwei Jahren in der Tirol Werbung ein eigenes Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit eingerichtet. Zudem ist Tirol auch das erste Bundesland, in dem per Gesetz Nachhaltigkeitskoordinatoren in den Tourismusregionen installiert wurden. Der Erfolg dieses umfassenden Engagements lässt sich unter anderem an den Auszeichnungen ablesen: Bereits zwei Regionen tragen das Österreichische Umweltzeichen für Destinationen, rund 100 Tourismusbetriebe jenes für Unternehmen. Was die konkreten Maßnahmen betrifft, haben wir unter anderem gemeinsam mit Mobilitätspartnern bereits vor mehr als zehn Jahren die Initiative Tirol auf Schiene gestartet, um die öffentliche Anreise der Gäste zu forcieren. Mit Erfolg: Gerade im Sommer ist der Anteil der Gäste, die per Bahn anreisen, von fünf auf neun Prozent gewachsen. 

Nutzen Sie digitale Technologien und Innovationen?

Als Landestourismusorganisation agieren wir auf einer übergeordneten Ebene. Mit unserem Preis- und Buchungsmonitoring haben wir beispielsweise ein Tool geschaffen, das die touristische Nachfrage und Unterkunftspreise tagesgenau prognostiziert. Damit lassen sich beispielsweise Events gezielt planen und somit an die Bedürfnisse der Gäste anpassen. Unser digitales Zielgruppenmodell hilft uns und den Regionen, die Gäste gezielt nach ihren Vorlieben anzusprechen und auf die für sie relevanten Urlaubserlebnisse zu fokussieren. Unsere neueste Entwicklung ist erst wenige Tage alt: Wir haben unsere Gästeplattform tirol.at runderneuert, damit sie in Zukunft bereit ist, KI-unterstützt User Inhalte motiv- und bedürfnisgerecht auszuspielen.

Sie haben die Tirol Werbung in herausfordernden Zeiten übernommen. Welche Erfahrungen haben Sie dabei besonders geprägt?

Zum einen die Komplexität des Tourismus – es gibt viele wichtige Player mit teilweise unterschiedlichen Interessen. Da ist es nicht immer einfach, den Schulterschluss im Tourismussystem Tirol zu schaffen und alle unter der Marke Tirol zu versammeln. Geprägt hat mich auch die große Kluft zwischen öffentlicher Darstellung und Attraktivität des touristischen Angebots. Einerseits erfährt unsere Branche – insbesondere der Wintertourismus – gerade in den Medien eine vielfach kritische Darstellung. Gleichzeitig ist der Tourismus ein wesentlicher Wirtschafts- und Wohlstandsmotor für Tirol und erfreut sich Urlaub in unserem Land auch bei den Einheimischen einer hohen Nachfrage.

Welche langfristigen Ziele haben Sie sich gesetzt, um Tirol als Top-Tourismusdestination zu positionieren?

Ein wesentliches Ziel ist, Tirol gemeinsam mit den Regionen als Ganzjahresdestination zu festigen. Damit wollen wir Gästeströme entzerren und gleichzeitig Randzeiten stärken. Die Verlängerung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer unserer Gäste ist ebenfalls als strategisches Ziel verankert. An- und Abreisen machen bis zu 80 Prozent des CO2-Ausstoßes im Rahmen des Tirol-Urlaubs aus. Mit einer verlängerten Aufenthaltsdauer leisten wir also einen Beitrag fürs Klima und reduzieren gleichzeitig den Verkehr auf der Straße.

Foto: Tirol Werbung/Martin Vandory

Die VIG-Vorständin verkörpert eine neue Art von Führung – geprägt von Haltung statt Macht. Verlegerin Barbara Mucha sprach mit ihr im Wiener Ringturm. 

 

Im zarten Alter von 14 Jahren weiß Liane Hirner genau, was sie will. Sie verlässt ihr Elternhaus, nicht aus Rebellion, sondern aus dem Wunsch nach Selbstständigkeit. Sie besucht eine Schule mit Internat und ist nur an den Wochenenden zu Hause. „Freiwillig“, betont sie. „Ich war gern zu Hause, aber ich wollte mein eigenes Leben leben.“ Es ist der erste Beweis für eine Stärke, die sich durch ihr ganzes bisheriges Leben zieht: Selbstbestimmtheit.

Früh lernt die heutige Top-Managerin, Verantwortung zu übernehmen – für sich und ihre Entscheidungen. Nach dem Betriebswirtschaftsstudium in Graz zieht es sie ins Ausland, was in den 1980er-Jahren ungewöhnlich ist. Durch Zufall und ein „diffiziles Auswahlverfahren“ landet sie bei PricewaterhouseCoopers in Paris.

Obwohl sie kaum Französisch spricht, lässt sie sich nicht abschrecken. Man lernt schnell, wenn man muss. Nach einem halben Jahr Praktikum kehrt sie nach Österreich zurück und beginnt 1993 bei PwC in Wien. Sie bleibt 25 Jahre. In dieser Zeit wird sie Wirtschaftsprüferin, Prokuristin, Geschäftsführerin und Partnerin. Sie spezialisiert sich auf Versicherungen, ein Bereich, den ihre Kollegen meiden. „Meine Karriere entstand tatsächlich deshalb, weil ich Dinge tat, die andere nicht wollten“, sagt die gebürtige Steirerin. Sie hat den Mut, sich auf Unbekanntes einzulassen. 

 

„Meine Karriere entstand tatsächlich deshalb, weil ich Dinge tat, die andere nicht wollten.“

 

Ihr damaliger Chef rät ihr, sich auf Versicherungen zu konzentrieren, obwohl KPMG in diesem Bereich führend ist. Ihr erster Gedanke: „Das ist das Letzte, was ich will! “ Heute lacht sie darüber. Statt den Vorschlag abzulehnen, probiert sie es aus. „Man kann ja immer noch sagen, es gefällt einem nicht“, erinnert sie sich.

Diese Offenheit führt zu einer überraschenden Entdeckung: Die Versicherungswelt ist spannend und bietet Raum für Kreativität. Hirner bleibt dabei und wird erfolgreich. Sie analysiert sämtliche bedeutenden Versicherungen Österreichs und entwickelt ein tiefes Branchenverständnis. Und sie baut ein wertvolles Netzwerk auf. Ihre Kollegen schätzen ihre strukturierte Herangehensweise und ihre Fähigkeit, Lösungen zu finden. „Man kann mir alles sagen, man ist immer safe“, beschreibt sie ihren Führungsstil. Einige ihrer heutigen Vorstandskollegen kennt sie aus der Zeit, als sie noch auf der anderen Seite des Tisches saß. 

Kinder & Karriere

Liane Hirners Karriere folgt keinem geraden Weg. Als Mutter von zwei Söhnen arbeitet sie fünf Jahre lang in Teilzeit bei PwC. „Ich habe immer getan, was ich für richtig hielt“, sagt sie und bricht damit mit den klassischen Rollenbildern von Frauen. Diese Einstellung führt dazu, dass sie ihre Arbeitszeit schrittweise erhöht, ohne ihre Familie zu vernachlässigen. Ihr Mann ist eine wichtige Stütze, ebenso die Schwiegermutter.

Die täglichen Fahrten zur Arbeit – insgesamt zehn Stunden pro Woche – nutzt sie, um ihr Privatleben zu organisieren und sich auf Meetings vorzubereiten. „Im Auto war ich alleine“, erzählt sie. Diese Momente der Reflexion helfen ihr, strukturiert und vorbereitet zu bleiben. Ihr Engagement bringt sie zur Equity-Partnerin bei PwC, wo sie für Risikomanagement und Akquise verantwortlich ist. Auch in dieser Position bleibt sie sich treu. Sie setzt auf gute, langfristige Kundenbeziehungen und handelt oft gegen den kurzfristigen Fokus ihrer Kollegen. Diese Haltung bringt ihr Konflikte, aber auch Respekt und Anerkennung. Der Erfolg gibt ihr Recht.

 

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Austrian Business Woman Verlegerin Barbara Mucha im Gespräch mit VIG-Vorständin Liane Hirner

 

Neue Aufgaben

Der Wechsel zur Vienna Insurance Group ist ein entscheidender Moment in Hirners Karriere. Nach 25 Jahren bei PwC nimmt sie 2018 das Angebot der VIG – es ist das dritte dieser Art – an. Ein Schritt, den sie nicht bereut. „Ich bin in einer Unternehmensgruppe, die es seit 200 Jahren gibt, die langfristig denkt und nachhaltig aufgestellt ist“, erklärt sie.

Bei der VIG findet sie ein Umfeld, das ihre Werte und Arbeitsweise widerspiegelt. Als Finanz- und Risiko-Vorständin verantwortet sie heute die größte Versicherungsgruppe in Zentral- und Osteuropa, die aufgrund ihrer dynamischen Entwicklung mittlerweile auch zu den Größten in Europa zählt. Ihre Erfahrung als Wirtschaftsprüferin hilft ihr, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und strategische Entscheidungen zu treffen. „Ich kann mir notfalls selber eine Meinung bilden, bin nicht angewiesen“, sagt sie. Diese Unabhängigkeit und das Knowhow sind in einer Branche, die von Regulatorien und Volatilität geprägt ist, ein entscheidender Vorteil.

 

„Für jeden Sieg braucht es zehn Niederlagen. Das ist normal. Wichtig ist nur, wieder aufzustehen.“

 

Kultur des Dialogs

Hirners Führungsstil ist geprägt von Menschlichkeit und Offenheit. Sie legt großen Wert darauf, den Menschen hinter der „Rolle“ zu sehen, die jeder von uns tagtäglich spielt. „Man muss den Menschen immer in den Mittelpunkt stellen“, betont sie. Diese Haltung zeigt sich auch in ihrer Art, mit Mitarbeitern umzugehen. Sie bietet Vier-Augen-Gespräche an. „Jeder kann zu mir kommen, wenn er mir etwas sagen will“, sagt sie. Diese Offenheit schafft Vertrauen und fördert eine Kultur des Dialogs.

Ihr Engagement für Diversität und Gleichberechtigung ist ein weiterer wichtiger Aspekt ihrer Führung. Sie setzt sich dafür ein, dass Frauen ihre Stärken ausleben können, ohne sich an männliche Vorbilder anpassen zu müssen. „Ich will eine Frau sein dürfen. Ich will aussehen wie eine Frau, mich benehmen wie eine Frau“, sagt sie. Diese Haltung hat sie auch in die Vorstandsetage der VIG gebracht, wo sie als derzeit einziges weibliches Mitglied im Team eine wichtige Rolle spielt. Von Floskeln wie „man muss die Frauen sichtbar machen“ hält sie nichts. „Die Frauen sind sichtbar. Wenn man sie finden will, dann findet man sie“, so Hirner. Die Frage sei eher, will man sie überhaupt finden? Das Umdenken müsse ganz oben beginnen, um langfristige Veränderungen herbeizuführen.

Innovation & Digitalisierung

Die Versicherungsbranche steht vor großen Herausforderungen – von regulatorischen Anforderungen bis hin zu technologischen Umwälzungen. Die Vorständin sieht diese neuen Aufgabenbereiche als Chance, die VIG weiterzuentwickeln. „Wir haben unsere konservative Veranlagung, unsere konservative Rückversicherung“, erklärt sie. Diese Stabilität ermöglicht es der VIG, auch in turbulenten Zeiten langfristig zu denken. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Innovation und Digitalisierung. Die VIG fördert Projekte, die durch Künstliche Intelligenz und neue Technologien die Effizienz und Kundenzufriedenheit weiter steigern. Diese Offenheit für Neues ist ein Schlüssel zum Erfolg in einer sich schnell verändernden Welt. 

Niemals aufgeben

Liane Hirners Rat an alle Frauen, die Karriere machen wollen: „Sucht euch eine Aufgabe, die euch wirklich Freude bereitet.“ Sie hebt hervor, wie wichtig Engagement und Selbstvertrauen sind, und verschweigt nicht, dass sie auf ihrem Karriereweg oft härter arbeiten musste als viele Männer. Dafür zahlte sie einen Preis: Ein Burnout vor Jahren zeigte ihr die eigenen Grenzen. Sie zog daraus ihre Lehren, wuchs daran und ermutigt alle Leserinnen abschließend, sich von Rückschlägen niemals entmutigen zu lassen. „Für jeden Sieg braucht es zehn Niederlagen. Das ist normal. Wichtig ist nur, dass man wieder aufsteht.“   

Zur Person

Mag. Liane Hirner studierte in Graz Betriebswirtschaftslehre. Vor ihrem Eintritt in die Vienna Insurance Group war sie seit 1993 bei PwC Österreich in der Wirtschaftsprüfung tätig, zuletzt als Partnerin im Bereich Versicherungen. Liane Hirner ist seit 1. Februar 2018 Vorstandsmitglied der VIG. Als Vorstandsmitglied und CFRO der VIG wurde sie 2024 für eine weitere vierjährige Funktionsperiode gewählt. Sie ist einziges österreichisches Mitglied der Insurance and Reinsurance Stakeholder Group (IRSG) der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA).

Foto: Ian Ehm                     

Die Leiterin des Bereichs Wertpapieraufsicht der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) und Vorsitzende des Ständigen Ausschusses für Märkte der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) im ABW-Interview.

 

Der Schutz von Anlegerinnen und Anlegern ist ein zentrales Anliegen der FMA. Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Finanzbildung in Österreich und welche Initiativen gibt es, um speziell Frauen als immer wichtigere Marktteilnehmerinnen besser zu informieren und zu schützen? 

Viele Studien zeigen, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen bei der Finanzbildung und im Finanzverhalten größer ist als in anderen Bereichen. Wir haben in Österreich im September 2021 eine nationale Strategie zur Finanzbildung gestartet, an der die FMA als Gründungsmitglied beteiligt war. Die Initiative zeigt erste Erfolge, insbesondere bei jungen Menschen. Ein herausragendes Beispiel ist die erfolgreiche Kooperation der FMA mit dem Zentrum für Finanzbildung der WU Wien, die bereits über 100 Schulen erreicht.

Zudem haben FMA und BMF eine spezielle Arbeitsgruppe „Finanzbildung für Frauen“ geleitet. Ziel ist es, Frauen zu ermutigen, sich aktiv mit ihren Finanzen zu befassen. Viele unterschätzen ihre finanziellen Kompetenzen, dabei ist es für Frauen essenziell, über eigenes Geld zu verfügen und für die Pension vorzusorgen. Aus den Ergebnissen dieser eigenen Arbeitsgruppe sind zahlreiche Initiativen speziell für Frauen entstanden.

 

„Gerade Frauen möchte ich ermutigen, sich neue Herausforderungen zuzutrauen und diese auch zu ergreifen.“

 

Regulatorische Rahmenbedingungen – etwa durch MiFID II und weitere europäische Regularien – verändern kontinuierlich die Finanzlandschaft. Wie passt die FMA ihre Aufsicht an diese Dynamik an? 

Um mit regulatorischen Entwicklungen und Marktveränderungen Schritt zu halten, müssen wir uns auch als Aufsicht ständig weiterentwickeln – das Buzzword dafür in der FMA ist Shaping the Future! Wir investieren gezielt in die Weiterbildung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und legen den Fokus auf die Automatisierung von Prozessen, um Freiräume für neue, komplexe Aufgaben zu schaffen.

Besonders wichtig sind für uns Datenkompetenz und interdisziplinäre Fähigkeiten – die zunehmende Vernetzung von Finanzmärkten, Technologie und Regulierung erfordert Experten, die analytisches Denken mit technologischem Verständnis kombinieren. Zudem setzen wir verstärkt auf Zusammenarbeit mit unseren Schwesterbehörden in Europa und weltweit. Die Vielfalt an Perspektiven stärkt unsere Fähigkeiten, neue Entwicklungen umfassend zu verstehen und praxisgerechte Lösungen zu finden. Wir wollen nicht nur auf Veränderungen reagieren, sondern sie aktiv mitgestalten.

Als Bereichsleiterin in der FMA und nun auch Vorsitzende des Ständigen Ausschusses für Märkte der Europäischen Wertpapieraufsicht sind Sie selbst ein Beispiel für Erfolg in einer oft männerdominierten Branche. Welche konkreten Maßnahmen und Initiativen fördert die FMA, um Diversität in der Finanzaufsicht zu?

Über die gesamte Belegschaft hinweg hat die FMA seit vielen Jahren Genderparität erreicht. Derzeit liegt der Frauenanteil bei 52 Prozent. Das liegt einerseits an familienfreundlichen Arbeitsbedingungen, bei denen ich beispielsweise den Betriebskindergarten und flexible Arbeitszeit- und Homeoffice-Regeln hervorheben würde.

Bei den Führungspositionen besteht immer noch Aufholbedarf. In meinem eigenen Bereich sind sieben von 16 Führungskräften Frauen – also 44 Prozent. FMA-weit ist die Quote etwas geringer. Teil der Fördermaßnahmen ist zum Beispiel, dass bei Ausschreibungen geeignete Mitarbeiterinnen gezielt angesprochen werden und dass intern auch offengelegt wird, wie viele Frauen und wie viele Männer sich auf eine Stelle beworben haben. 

 

„Was die Rolle von Frauen betrifft, ist ehrlich anzumerken, dass der Technologiesektor – und damit auch das Umfeld rund um Crypto-Assets – nach wie vor stark männlich geprägt ist.“

 

Digitale Assets und Kryptowährungen gehören aktuell zu den meistdiskutierten Themen im Finanzsektor. Wie überwacht die FMA diese neuen Anlageklassen, und welche Chancen und Risiken ergeben sich dabei speziell für Frauen als Anlegerinnen und Fachkräfte in der Aufsicht?“ 

Die zunehmende Bedeutung digitaler Vermögenswerte - im Fachjargon auch Crypto-Assets genannt – stellt die Aufsicht vor neue Anforderungen. Allerdings ist nicht alles an ihnen neu. Zuweilen verstecken sich hinter technologischen Novitäten auch bekannte Geschäftsmodelle und Risiken. Wir wollen klare und nachvollziehbare Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer schaffen.

Die FMA hat intensiv im Rahmen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) an der neuen europäischen Regulierung mitgewirkt. Parallel wurden interne Zuständigkeiten und Prozesse etabliert sowie konkrete Unterlagen und Roadmaps für Zulassungswerber veröffentlicht, um Unternehmen bei der Antragstellung bestmöglich zu unterstützen. Uns war wichtig, nicht nur eine effektive Aufsicht sicherzustellen, sondern auch von Beginn an planbare Prozesse und regulatorische Klarheit zu schaffen.

Was die Rolle von Frauen betrifft, ist ehrlich anzumerken, dass der Technologiesektor – und damit auch das Umfeld rund um Crypto-Assets – nach wie vor stark männlich geprägt ist. Gleichzeitig entstehen hier neue Felder, in denen sich Strukturen und Rollenbilder noch entwickeln, und darin liegen besondere Chancen für Frauen, früh Expertise aufzubauen und aktiv mitzugestalten. In der FMA sind zahlreiche Expertinnen maßgeblich an der Vorbereitung und Umsetzung der MiCAR beteiligt – von der rechtlichen Bewertung, über die Risikoanalyse von Geldwäschepräventionsaspekten bis hin zur strategischen Aufsichtsentwicklung. 

Als erfahrene Führungskraft in der FMA haben Sie zahlreiche Herausforderungen gemeistert. Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie auf Ihrem Weg begleitet und welchen konkreten Rat möchten Sie Frauen geben, die in der dynamischen Welt von Banken und Finanzen erfolgreich sein möchten?

Ich habe mich immer für Finanzmärkte interessiert. Daher ist es mir leichtgefallen, mich intensiv zu engagieren, neugierig zu bleiben und mich ständig weiterzuentwickeln. Gerade Frauen möchte ich ermutigen, sich neue Herausforderungen zuzutrauen und diese auch zu ergreifen. Sie dürfen sich nicht scheuen, um Unterstützung zu fragen. Ich habe auf diese Weise für meinen beruflichen Weg zahlreiche, wertvolle Anregungen bekommen. Zusätzlich ist ein persönliches Umfeld wichtig, das mithilft, viel Kraft für den eigenen Weg zu schöpfen. 

Foto: Georg Wilke

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