Die Präsidentin des Hayek Instituts im Austrian Business Woman-Interview über Bürokratie, Steuern und Staatsschulden.
Österreich gilt im internationalen Vergleich oft als Hochsteuerland. Welche konkreten Schritte empfehlen Sie, um die Abgabenquote zu senken?
Österreichs hohe Abgabenquote bremst tatsächlich unsere wirtschaftliche Dynamik. Um sie zu senken, ohne die soziale Absicherung grundlegend zu gefährden, brauchen wir tiefgreifende Strukturreformen, keine oberflächlichen Korrekturen. Das bedeutet zum einen, alle staatlichen Ausgaben auf ihre Notwendigkeit und Effizienz zu überprüfen – vor allem Subventionen müssen kritisch hinterfragt und konsequent abgebaut werden.
Zum anderen müssen wir unser Sozialsystem reformieren: Mehr Eigenverantwortung, stärkere Anreize zur Arbeitsaufnahme und zum längeren Arbeiten sind nötig. Langfristig könnte eine stärkere Betonung kapitalgedeckter Elemente neben dem Umlagesystem Entlastung bringen, ebenso wie mehr Effizienz in der Verwaltung der Sozialleistungen. Entscheidend ist aber auch eine grundlegende Steuerreform: Wir brauchen ein einfacheres, transparenteres System mit niedrigeren Sätzen, vor allem bei der Lohn- und Unternehmenssteuer. Das macht Arbeit und Investitionen wieder attraktiver und senkt nebenbei die hohen administrativen Kosten unseres aktuellen Steuersystems.
„Die stetig wachsenden Staatsschulden sind eine ernste Hypothek für künftige Generationen.“
Kritiker sagen, dass überbordende Bürokratie Österreichs Wettbewerbsfähigkeit hemmt. Wie würden Sie Bürokratie abbauen?
Die überbordende Bürokratie hängt eng mit der übermäßigen Regulierung zusammen, insbesondere mit der Flut an Ausnahme- und Sonderregeln – die Regulierungen gehören radikal vereinfacht und Ausnahme- sowie Sonderregeln abgeschafft. Wir brauchen eine systematische Deregulierung. Instrumente wie „Sunset Clauses“ bei denen Regeln automatisch auslaufen, wenn sie nicht aktiv verlängert werden, oder das „One-in, two-out“-Prinzip – für jede neue Regelung müssen zwei alte gestrichen werden – zwingen zu einem viel sorgsameren Umgang mit Regulierung.
Wichtig ist auch, den Fokus zu ändern: Vorschriften sollten klare Ziele vorgeben, aber den Weg dorthin offenlassen, um Innovation nicht im Keim zu ersticken. Natürlich spielt die konsequente Digitalisierung der Verwaltung eine Schlüsselrolle, um Verfahren zu beschleunigen. Und wir sollten darauf vertrauen, dass Haftungsregeln und der gute Ruf eines Unternehmens – also Marktmechanismen – für Qualität und Sicherheit sorgen können, statt alles präventiv bis ins kleinste Detail zu regeln. Wichtige staatliche Kontrollen sollten sich auf Kernbereiche wie den Schutz von Leib, Leben und Eigentum konzentrieren.
Österreichs Staatsschulden wachsen seit Jahren. Wie könnte eine nachhaltige Budgetpolitik aussehen?
Die stetig wachsenden Staatsschulden sind eine ernste Hypothek für künftige Generationen und engen unseren politischen Handlungsspielraum heute schon massiv ein. Eine nachhaltige Budgetpolitik erfordert zuallererst strikte Ausgabendisziplin. Der Staat muss klar definieren, was seine Kernaufgaben sind, und sich konsequent von allem anderen trennen. Verbindliche Schuldenbremsen, idealerweise in der Verfassung verankert, sind unerlässlich, um Neuverschuldung und Gesamtverschuldung wirksam zu begrenzen.
Entscheidend ist für mich: Die Haushaltskonsolidierung muss über die Ausgabenseite erfolgen. Steuererhöhungen würden die Wirtschaft nur zusätzlich abwürgen. Im Gegenteil: Wir sollten massive Subventionskürzungen dazu nutzen, die Abgaben zu senken und so die Wirtschaft anzukurbeln. Transparenz über die langfristigen fiskalischen Folgen politischer Entscheidungen ist ebenfalls Gebot der Stunde. Mein klarer Rat an die Regierung lautet: Ein glaubwürdiges Bekenntnis zu einem mittelfristig ausgeglichenen Haushalt, untermauert durch konkrete, mutige Sparmaßnahmen auf der Ausgabenseite und wachstumsfördernde Strukturreformen.
„Österreichs hohe Abgabenquote bremst unsere wirtschaftliche Dynamik.“
Vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und der Klimaziele der EU wird häufig mehr staatliches Eingreifen gefordert. Sehen Sie eine Gefahr, dass solche Eingriffe Marktmechanismen untergraben?
Diese Gefahr sehe ich sehr deutlich. Die Forderung nach staatlichen Eingriffen wie Preisdeckeln oder massiven Subventionen für einzelne Technologien ist zwar verständlich, aber brandgefährlich, weil sie die fundamentalen Marktmechanismen aushebeln kann. Man muss sich ehrlicherweise fragen: Sind nicht viele der Probleme, derentwegen heute nach dem Staat gerufen wird, überhaupt erst durch frühere staatliche Eingriffe entstanden? Wir laufen Gefahr, in eine endlose Interventionsspirale zu geraten.
Marktpreise sind essenzielle Signale für Knappheit; sie lenken Investitionen und Konsum viel effizienter, als es jede staatliche Planung könnte. Wenn der Staat diese Signale durch Eingriffe verzerrt, drohen Fehlinvestitionen, Angebotsengpässe und Ressourcenverschwendung. Der Staat ist erfahrungsgemäß auch schlecht darin, die 'richtigen' Technologien auszuwählen – das führt zu einer ineffizienten Allokation von Kapital und bremst Innovationen in andere, vielleicht vielversprechendere Richtungen.
Statt direkt dirigistisch einzugreifen, sollte der Staat verlässliche Rahmenbedingungen schaffen: klare Eigentumsrechte – zum Beispiel durch einen funktionierenden Emissionshandel mit einer festen Obergrenze für CO2 – und den Abbau von Marktzutrittsbarrieren. Wichtig ist dabei strikte Technologieneutralität, statt politische Favoriten zu fördern.
In Österreich genießt die Sozialpartnerschaft traditionell hohes Ansehen. Welche Rolle sollte sie in einer modernen Marktwirtschaft spielen?
Die Sozialpartnerschaft hat in Österreich eine prägende Geschichte, aber in einer modernen, dynamischen Marktwirtschaft müssen wir ihre Rolle kritisch überdenken. Zentralisierte Lohnverhandlungen und Regulierungen durch die Sozialpartner können die notwendige Flexibilität einschränken, die gerade kleine und mittlere Unternehmen sowie Branchen im Strukturwandel brauchen, um schnell auf globale Veränderungen zu reagieren.
Tarifautonomie ist ein hohes Gut, sie sollte aber idealerweise freiwillig und dezentral, also auf Betriebs- oder vielleicht sogar Individualebene, ausgeübt werden. Flächentarifverträge mit Allgemeinverbindlichkeit und vor allem die Pflichtmitgliedschaften in den Kammern können wettbewerbshemmend wirken und die Anpassungsfähigkeit des Standorts bremsen. Eine modernisierte Sozialpartnerschaft könnte sich künftig stärker auf beratende Funktionen, den wichtigen Austausch von Informationen und die Förderung von Aus- und Weiterbildung konzentrieren – anstatt wie bisher oft als quasi-gesetzgeberische Instanz mit Vetomacht aufzutreten.
Die fortschreitende Automatisierung und KI stellen klassische Berufsbilder in Frage. Wo sehen Sie Chancen, wo Gefahren?
Automatisierung und Künstliche Intelligenz sind ohne Zweifel mächtige Treiber des Wandels und der Produktivitätssteigerung. Sie bieten enorme Chancen: Effizienzgewinne, die Entstehung ganz neuer Berufe und Wirtschaftszweige, eine potenziell höhere Lebensqualität durch neue Produkte und Dienstleistungen und nicht zuletzt die Entlastung von monotoner oder gefährlicher Arbeit.
Natürlich gibt es auch Herausforderungen: Der Arbeitsmarkt wird sich strukturell verändern, viele Arbeitnehmer müssen sich anpassen und neue Qualifikationen erwerben. Es stellen sich auch ethische Fragen, und es besteht das Risiko, dass übereifrige Regulierung Innovationen erstickt. Die Aufgabe des Staates kann es aber nicht sein, diesen technologischen Wandel aufzuhalten oder bestimmte, überholte Berufsbilder künstlich zu schützen. Vielmehr muss er die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft und der Menschen fördern. Das bedeutet konkret: Arbeitsmärkte flexibler gestalten, damit Neueinstellungen und betriebliche Anpassungen leichter fallen.
Unser Bildungssystem muss dringend reformiert werden, um Grundkompetenzen wie Problemlösung, kritisches Denken, Lernfähigkeit und Anpassungsbereitschaft in den Mittelpunkt zu stellen, statt auf spezifische, oft kurzlebige Jobprofile zu fixieren. Und wir brauchen innovationsfreundliche Rahmenbedingungen – Rechtssicherheit, Schutz geistigen Eigentums und nur minimale, technologieneutrale Regeln, etwa bei Datenschutz und Sicherheit, die nicht schon im Vorfeld Innovationen verbieten. Der Markt wird durch Lohnanpassungen und die Schaffung neuer Tätigkeitsfelder selbst auf die Veränderungen reagieren; direkte staatliche Eingriffe zur „Gestaltung“ des Arbeitsmarktes halte ich für falsch und kontraproduktiv.
Foto: Sabine Klimt