Die promovierte Juristin ist seit Beginn des Vorjahres Global Head of People and Culture der Erste Group. Ein ABW-Interview über gute Führung, Benefits und bewusste Selbststeuerung.
Wie hat sich der Rekrutierungsprozess in den letzten Jahren verändert?
„Speed is king“ lautet unsere Devise im Angesicht der aktuellen Arbeitsmarktsituation. Das funktioniert nur mit Recruitern, die sich in kurzer Zeit ein Bild von Persönlichkeit und Fähigkeiten machen können. Bei der Vorauswahl hilft uns teilweise auch schon die künstliche Intelligenz, da wird in den nächsten Jahren noch eine große Entwicklung stattfinden. Zudem hat der Arbeitsmarkt dazu geführt, dass wir vermehrt direkt auf die Bewerber zugehen müssen. Dazu sei aber gesagt: In einem umkämpften Arbeitsmarkt werden aber schlussendlich nur die Unternehmen als beste Talentmagneten hervorgehen, die authentisch sind und wo gelebt wird, was nach außen versprochen wird.
Welche Methoden nutzen Sie, um die besten Kandidaten für eine Stelle zu finden?
Unser Weiterempfehlungsprogramm bewährt sich zunehmend, wir konnten dieses Jahr bereits viele Talente über unsere bestehenden Mitarbeiter gewinnen. Ein wunderbarer Beweis dafür, dass sie unsere besten Botschafter sind und es sich für Unternehmen immer bewährt, in die Zufriedenheit der eigenen Leute zu investieren. Abgesehen davon bedienen wir uns der klassischen Jobportale und Social Media als Recruiting-Kanäle. Auch das Direct Sourcing, also die direkte Ansprache von potentiellen Kandidaten, spielt eine bedeutende Rolle.
Wie und wie oft führen Sie Leistungsbeurteilungen durch?
Zu Beginn jedes Jahres definieren unsere Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern eine Zielvereinbarung. Im Zuge dieses Gesprächs wird gemeinsam ein Entwicklungsplan erstellt, um gezielt bei der Weiterentwicklung zu unterstützen. Da sich Prioritäten verschieben können und wir eine starke Feedbackkultur leben, können Zielvereinbarungen in Absprache jederzeit angepasst werden. In gewissen Abständen werden für Führungskräfte zudem 360-Grad-Feedbacks eingeholt, dessen Inhalt auf unseren Leadership Dimensionen basieren und in die Beurteilung von Leadership einfließen. Eine endgültige Beurteilung der Leistung erfolgt immer nach Jahresende.
Was sind die Schlüsselstrategien zur Mitarbeiterbindung?
Niemals stehen bleiben! Wir haben eine der besten Employer Brands am österreichischen Markt, dennoch versuchen wir uns kontinuierlich zu verbessern. Das gelingt nur, wenn wir allen Mitarbeitern aktiv zuhören und unsere Handlungen anpassen. Ein HR-Konzept mit 20 Jahren Bestand wird nicht mehr funktionieren. Führungskräfte müssen authentisch sein und als Talentmagnete wirken.
Zudem verändern sich die Bedürfnisse der Menschen und die Unternehmen müssen zielgerichteter drauf reagieren. Benefits müssen vielfältig sein und an diese individuellen Bedürfnisse angepasst sein. Gehalt und finanzielle Sicherheit haben in den letzten Jahren nachweislich wieder einen höheren Stellenwert bekommen. Und wir haben mit der Einführung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms ein Angebot geschaffen, dass nah an unserem Kerngeschäft liegt und gleichzeitig die Bindung der Mitarbeiter stärkt.
Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der Talentbindung?
Ich glaube, wir müssen diesen tonnenschweren Kulturbegriff loswerden. Ob du dich wohlfühlst in einem Unternehmen und engagiert arbeiten kannst, hängt von vielen kleinen Dingen ab. Man sollte sich jeden Tag überlegen, wofür man als Unternehmen steht und dementsprechende Handlungen setzen. Wir von People & Culture sehen uns in der Verantwortung, Kultur prägende Dinge mitzugestalten.
So können wir in etwa viel dafür tun, gute Führung im Unternehmen zu etablieren. Die Menschen können sich ihren Arbeitgeber frei aussuchen und ob wir heute die richtigen Talente gewinnen, entscheidet über den Geschäftserfolg von morgen.
Wie hat die Digitalisierung und KI den HR-Bereich beeinflusst?
Digitalisierung hat auch vor HR in den letzten Jahren nicht Halt gemacht hat, vielmehr ist sie zu einer Art Beifahrerin geworden. People Analytics in etwa gehört zu den wachsenden Bereichen des HR. Um das Thema der künstlichen Intelligenz gibt es aktuell in vielerlei Hinsicht einen Hype, auch wir beschäftigen uns stark damit.
Konkret nutzen wir in unserem Engagement Tool bereits KI Sentiment Analysen, um offene Kommentare unserer Mitarbeiter bestmöglich auswerten zu können und so sicherzustellen, dass wir die richtigen Follow-up Maßnahmen setzen. Außerdem zeigt sich am Beispiel von Recruiting, wie künstliche Intelligenz dabei unterstützen kann, Personen und Möglichkeiten zusammenzubringen. Weitere mögliche Anwendungsfelder im HR sind die Evaluierung von Skills im Unternehmen sowie das Ableiten zielgenauer Lernempfehlungen.
Was sind Ihre besten Praktiken für Stressmanagement am Arbeitsplatz?
Wir sprechen viel mit unseren Mitarbeitern und da zeigt sich eines klar: die Fülle an Terminen und Calls bringt großes Stresspotential mit sich. Eingeladen ist man schnell mal, ich empfehle hier bewusste Selbststeuerung: Wenn ich keinen Mehrwert in einer Teilnahme erkennen kann, darf ich auch höflich ablehnen und meine Zeit anders nutzen. Es muss auch nicht immer alles sofort sein. Ansonsten: im Vorhinein den anstehenden Tag gedanklich durchgehen. Zeit für Gespräche mit Kollegen einplanen. Wo möglich kurz das Handy weg und lieber mal raus an die frische Luft.
Welche Trends sehen Sie im HR-Bereich?
Die digitale Transformation macht auch vor HR nicht Halt. Wir müssen HR-Tech neu denken und ausbauen, um damit digital und gleichzeitig menschenzentriert zu werden. Bürokratie hat da keinen Platz mehr. Außerdem gilt es, Führungskräfte in eine Richtung zu entwickeln, dass sie die richtigen Talente anziehen. Karrierewege werden neu gedacht werden und Lernen muss im Unternehmen auf allen Ebenen verankert werden. Weitere Trends, die Unternehmen entwickeln und nachhaltig verbessern müssen, sind die Themen Skills und Engagement. Das wird die neue Königsdisziplin.
Stichwort Mitarbeitermangel: Ist auch die Erste Bank betroffen. Wenn ja, was wird dagegen unternommen?
Wir sind vermutlich weniger betroffen als andere Branchen. Die Arbeitsmarktsituation ist keine einfache, denn im Grunde haben wir einen Mangel an bestimmten Fähigkeiten. Das Wichtigste ist die Arbeitgebermarke, denn die richtigen Talente werden nur für uns arbeiten wollen, wenn sie positive Assoziationen mit unserem Namen verbinden. Das gelingt uns schon gut.
Bedeutet aber auch, wir dürfen uns nicht auf unserem guten Image ausruhen, sondern müssen uns ständig weiterzuentwickeln. Nur ein Unternehmen mit Führungskräften, die Talente anziehen, wird in der Lage sein, diese auch zu halten. Das wird wichtiger denn je. Wir hören bei unseren Mitarbeitern noch genauer hin und beobachten einen Rückgang in der Fluktuation und der offenen Stellen. Letztere konnten zu einem maßgeblichen Teil durch Weiterempfehlung besetzt werden - das zeigt mir, dass unsere Mitarbeiter gerne bei uns arbeiten und das auch nach außen tragen.
Welchen Rat haben Sie für Frauen, die eine Karriere im HR-Bereich anstreben?
Meine Ratschläge richten sich an Frauen gleichermaßen wie an Männer. Es braucht ein Bewusstsein dafür, wie strategisch der HR-Bereich ist. Wir leisten einen großen Beitrag dazu, ein Unternehmen zukunftsfit zu machen. Dafür braucht es ein Gespür für Zahlen und Datenanalyse ebenso wie ein großes Interesse für Trends und Entwicklungen am Markt.
Foto: © Philipp Horak