Verlegerin Barbara Mucha traf die geschäftsführende Gesellschafterin des renommierten Manz-Verlages zum Gedankenaustausch über eine ganz besondere Erfolgsgeschichte.
Ein echter Wiener kennt seine Stadt und auch die architektonischen Wegweiser, die unbeugsam den Veränderungen der Zeit trotzen und als gleichsam sichtbare Konstanten jedem von uns ein Gefühl von Beständigkeit und Vertrautheit vermitteln. Dazu gehören auch die verwirklichten Entwürfe von Adolf Loos, wie das von Kaiser Franz Joseph nicht sonderlich geschätzte Looshaus am Michaelerplatz, das Geschäftslokal des renommierten Massschneiders Knize am Graben oder das edle schwarze Marmor-Portal mit goldenem Schriftzug der Buchhandlung Manz am Kohlmarkt, einer Wiener Institution, die besonders Susanne Stein-Pressl von Kindesbeinen an bestens vertraut ist. Die Juristin wagte 2005 den Sprung ins kalte Wasser, als sie den Traditionsverlag nach dem Tod ihre Vaters in fünfter Generation übernahm. Geplant war das eigentlich nicht.
„Meine Eltern haben mich nie dazu gedrängt, das Familienunternehmen weiterzuführen. Sie waren lediglich der Meinung, eine Frau solle Wirtschaft und nicht Rechtswissenschaften studieren“, erinnert sich Stein-Pressl, die ursprünglich daran dachte, Anwältin zu werden, ihre Meinung jedoch änderte.Während des Studiums arbeitete sie in diversen Verlagen, „geschickt eingefädelt“ vom Herrn Papa. Unter anderem bei ihrer Mutter, die Publikationen in den Bereichen Außenhandelswirtschaft und Zollrecht verlegte. „Es war ein kleines Unternehmen, aber wenn man das System einmal verstanden hat, dann erkennt man schnell, dass es nicht auf die Größe des Verlages ankommt“, so Stein-Pressl, die ein Jahr gemeinsam mit ihrem Vater zusammenarbeiten durfte, ehe dieser völlig unerwartet verstarb.
Mag. Susanne Stein-Pressl, geschäftsführende Gesellschafterin Manz Verlag
Im Alter von nur 27 Jahren wurde sie mit einer der entscheidensten Fragen ihres Lebens konfrontiert: Wie soll es jetzt weitergehen? Für die passionierte Seglerin stand schnell fest: Sie wird das Ruder übernehmen. Glücklicherweise war das Unternehmen zum damaligen Zeitpunkt bereits gut aufgestellt und das Team kooperativ, so konnte die Neo-Geschäftsführerin den Traditionsbetrieb sukzessive zu heutiger Größe weiterentwickeln. „Natürlich kam es am Anfang manchmal vor“, erinnert sie sich schmunzelnd, „dass ich von Geschäftspartnern, die alle mindestens zwanzig Jahre älter waren als ich, für eine Assistentin gehalten wurde.“ Doch rasch wurde allen klar, dass die junge Firmenkapitänin eine starke Businessfrau ist, die das Verlagsschiff auch bei zuweilen stürmischer See sicher auf Erfolgskurs halten kann. Ihr Einsatz machte sich bezahlt.
Heute punktet das Unternehmen nicht nur mit juristischen Fachpublikationen in gedruckter Form, sondern auch mit zahlreichen digitalen Services. Vor sieben Jahren übernahm man die Dataweb-Dienste der Telekom Austria und gliederte diese (u.a. Firmenbuch, Grundbuch, Gewerberegister und Zentrales Melderegister) als „InfoDienst“ in die RDB Rechtsdatenbank ein. 2015 wurde die IMD Informations-, Medien- und Datenverarbeitungsgesellschaft erworben, zwei Jahre später Anteile an der SimpLEX Solutions GmbH, die einen Dokumentengenerator zur rechtssicheren Erstellung von Firmenbucheinträgen anbietet.
„Früher ging es darum, Inhalte einfach online zu stellen. Heute geht es ausschließlich um Austausch, um Interaktion. Für uns ist es wichtig darauf zu achten, wie sich der von uns angebotene Content bestmöglich in den Workflow der Kunden einbinden lässt“, sagt Susanne Stein-Pressl. Die zunehmende Technologisierung habe das Nutzerverhalten gänzlich verändert. Heute setze man vorraus, dass die Server 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche laufen, dazu erwarte man eine ständig erreichbare Hotline im Falle eventueller Fragen. Die schnelle Verfügbarkeit von Informationen hat ihren Preis. Die Kosten steigen, neueste Technologien sind teuer und rechnen sich erst ab einer gewissen Menge abgerufener Daten. Doch die Kunden haben die digitalen Dienstleistungen längst angenommen, sie arbeiten damit und erkennen den Mehrwert. Es gehe nicht nur darum, Hilfen und Informationen zur Verfügung zu stellen, sondern diese zur richtigen Zeit anzubieten, weiß Susanne Stein-Pressl, die künftig auch auf künstliche Intelligenz bei der Aufbereitung von Daten zurückgreifen möchte. Diese sollen dadurch besser strukturiert und für die Kunden leichter zu finden sein.
Die Meinungen der Mitarbeier sind wichtig
Um im Digitalbereich immer am letzten Stand zu bleiben, benötige man laufend fähige IT-Mitarbeier. Doch diese zu finden, sei nicht einfach. „Im juristischen Bereich haben wir einen ausgezeichneten Namen und finden gute Leute. In der IT und Entwicklung müssen wir große Kraftanstrengungen unternehmen, um gute Mitarbeiter anwerben zu können. In diesen Bereichen stehen wir im direkten Wettbewerb mit vielen anderen Unternehmen. Spezialisten sind in Österreich leider Mangelware", bedauert die geschäftsführende Gesellschafterin. Deshalb halte man auch Ausschau nach technisch affinen Bewerbern, welchen entsprechende Qualifikationen im Laufe der Zeit vermittelt werden sollen. Bei einer Frauenquote von weit über 50 Prozent achtet das Unternehmen besonders auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Als Mutter von zwei kleinen Kindern (zwei und sechs Jahre alt) weiß Susanne Stein-Pressl um die vielfältigen Herausforderungen bescheid und bietet ihrem Team flexible Arbeitsmöglichkeiten an. Diese reichen von Home-Office-Lösungen bis hin zu geringfügiger Beschäftigung während der Karenzzeit. Selbst Führungskräfte mit 25 Stunden-Woche sind bei Manz zu finden. Die Mitarbeiter danken dieses Entgegenkommen mit Wertschätzung und langer Bindung an das Unternehmen. Es entstehen sogar Lebensfreundschaften. „Bei uns stehen Zahlen und Menschen im Einklang. Ich bin geprägt von systemischer Unternehmensführung und pflege einen demokratischen Arbeitsstil. Die Meinungen der Mitarbeiter sind mir wichtig, Entscheidungen treffen wir deshalb in der Regel als Team. Ich entscheide nur dann alleine, wenn wir zu keiner gemeinsamen Lösung kommen, aber dringend eine benötigt wird“, so Stein-Pressl.
Vor drei Jahren übersiedelte die sympathische Powerfrau aus ihrem Chef-Zimmer in ein Gemeinschaftsbüro, denn sie liebt den direkten Austausch mit der Manz-Crew. Mit Einseitigkeit hingegen konnte sie sich noch nie anfreunden. Von ihren 170 Mitarbeitern erwarte sie, dass diese nicht ausschließlich für die Arbeit leben. Wichtig seien auch Interessen, die nichts mit dem Job zu tun hätten, um einen Ausgleich zu schaffen. In ihrem Fall ist es das Segeln. Im Winter ist die staatlich geprüfte Skilehrerin auf der Piste zu finden, wo sie ihren Kindern den richtigen Schwung beibringt und vielleicht – etwas später – auch die Liebe zum Verlagsgeschäft weitergibt. Aus insgesamt sechs Kindern besteht die 6. Firmen-Generation, wer das Traditionsunternehmen in Zukunft weiterführen wird, ist noch unklar. Eines jedenfalls steht heute schon fest: Ob Druckwerke oder digitale Daten, den bekannten Namen Manz wird es auch in vielen Jahren noch geben.
Text: Michael Ring, Foto: Manz/Marko Lipus