Dr. Sabine Herlitschka, Infineon Austria: Wir haben jetzt die Chance auf einen Strukturwandel

Die Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG,DI Dr. Sabine Herlitschka, MBA, blickt zuversichtlich in die Zukunft, denn energieeffiziente Chips sind speziell in Krisenzeiten systemrelevant.

 

Wie verlief das Geschäftsjahr für Infineon bisher?

2020 ist durch die Corona-Pandemie eine Belastungsprobe für uns alle. Infineon ist bislang gut zurechtgekommen und gleichzeitig entwickeln wir unser Unternehmen für die Zukunft weiter – auch wenn die Lage herausfordernd bleibt. Die Kurzarbeit in der Fertigung konnten wir vorzeitig beenden, um die Zeit der schwächeren Auslastung für Schulungen und Anpassungen zu nutzen.

Der Bau unserer Chipfabrik in Villach läuft planmäßig, unter Einhaltung aller Abstands- und Sicherheitsmaßnahmen. Der Produktionsstart ist nach wie vor für Ende 2021 vorgesehen. Auch die Erweiterungen an unseren Entwicklungsstandorten hatten nur geringe Verzögerungen. Die neuen Forschungsgebäude in Linz, Villach und Graz sind fertiggestellt und schaffen Kapazität für 860 Arbeitsplätze in Forschung und Entwicklung in Österreich. Unsere Technologien für Energieeffizienz, nachhaltige Mobilität und das sichere Agieren in einer vernetzten Welt bleiben hochrelevant.

Sind Sie zufrieden mit den Hilfsmaßnahmen der Regierung?

Die akute Hilfe für Menschen und Unternehmen, ist wichtig und richtig, es müssen aber auch die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Die Investitionskontrollmechanismen, die EU-weit und auch in Österreich eingeführt werden, wirken strategisch. Die Investitionsprämie bietet einen fokussierten Anreiz um Investitionen vorzuziehen und die Wirtschaft zu beleben.

Parallel sind Maßnahmen und Initiativen für Ausbildung und Qualifizierung besonders bedeutsam. Wir haben gesehen, das jene Menschen, die nur einen Pflichtschulabschluss haben als erstes arbeitslos wurden. Gleichzeitig haben wir noch immer einen Fachkräftemangel, speziell die Unternehmen im technischen Bereich. Das müssen wir angehen.

Wie stark ist die Halbleiterbranche von der Krise betroffen?

Die Digitalisierung hat in der Krise einen enormen Schub erfahren und unseren Alltag aufrechterhalten. Die Halbleiterindustrie ist eine Schlüsselbranche dafür. Wir haben gesehen, dass unsere energieeffizienten Chips in vielen Bereichen systemrelevant sind – sei es in medizintechnischen Geräten, in Datenservern, bei der Energieversorgung oder beim kontaktlosen Bezahlen.

Durch das diverse Portfolio ist Infineon für die Zukunft stabil aufgestellt. Wir sind natürlich sehr deutlich von der Veränderung in der Autoindustrie betroffen, spüren aber auch die Innovationskraft der Branche in Richtung E-Mobilität, mehr Sicherheit und autonomen Fahren.

Was erwarten Sie sich langfristig von der Cypress-Übernahme?

Die Übernahme von Cypress im April ist die größte in der Firmengeschichte von Infineon. Es ist eine strategische Weiterentwicklung, die unsere Position am Weltmarkt stärkt, denn nur mehr drei der globalen Top-10 Chiphersteller kommen aus Europa.

Durch die Cypress-Integration erhält Infineon Österreich auch zusätzlich die globale Verantwortung für Produkte im Bereich der effizienten Energie- und Netzwerksysteme. Das zeigt das große Vertrauen des Konzerns in uns. In Österreich bündeln wir die Kompetenzen für Geschäftsverantwortung, Forschung & Entwicklung sowie Produktion.

Welche Fragen beschäftigen Sie in Zeiten der Pandemie besonders?

Die Corona-Krise ist eine noch nie dagewesene Herausforderung für uns alle und zeigt, was wirklich wichtig ist. Das Verhalten jedes Einzelnen beeinflusst den weiteren Verlauf dieser Pandemie. Mehr denn je ist Verantwortung für sich, für andere, für die Gesellschaft insgesamt gefragt.

Und wir haben auch erlebt, dass wir beispielsweise bei einfachen Gütern wie Schutzmasken oder im Pharmabereich höchst abhängig waren. Genau in den systemrelevanten Bereichen und Technologien müssen wir in Europa auf unsere Autonomie und Souveränität achten. Es ist strategisch wichtig, Schlüsselbereiche, Know-how und die Produktion in systemrelevanten Bereichen in Österreich und in Europa zu stärken.

Welche Weichen sollten jetzt gestellt werden?

Fest steht, dass sich globale Krisen, wie die Pandemie oder der Klimawandel nicht im Alleingang bewältigen lassen. Ganz im Sinn der Aussage „Never waste a serious crisis“, haben wir jetzt die Chance einen echten Strukturwandel in Richtung „kluger“ Digitalisierung, mehr Nachhaltigkeit und „Tech for Green“-Lösungen anzugehen. Wir müssen jetzt umsetzen und tun, denn es gibt die Zeit nach Corona.

Ihre Vorsätze für kommendes Jahr?

Im Jubiläumsjahr „50 Jahre Infineon in Österreich“ ist es eine besondere Motivation, unsere 1,6 Milliarden-Investition in eine neue Chipfabrik am Standort Villach weiter voranzubringen, mit Forschung unser Know-how zu stärken und so mit Innovationen auf globalen Märkten zu überzeugen. So können wir auch in Zukunft mit unseren Technologien und Systemlösungen in vielen Anwendungen das Leben noch einfacher, sicherer und umweltfreundlicher machen. 

Foto: Infineon Austria


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