Die Generaldirektorin des Wiener Gesundheitsverbundes im ABW-Interview über die neuen Corona-Maßnahmen für den Winter und warum die Grippeimpfung und Disziplin jetzt besonders wichtig sind.
Der Wiener Gesundheitsverbund hat die Corona-Krise bisher sehr gut gemeistert. Was ist das Erfolgsrezept?
Wir haben als wichtigstes Gesundheitsunternehmen der Stadt Wien in der ersten Phase der COVID-19-Pandemie unsere Leistungsfähigkeit besonders unter Beweis stellen können. Wir mussten auf vielen Ebenen hart dafür arbeiten. Ganz grundsätzlich kann man sagen, dass wir uns sehr gut vorbereitet haben.
Bereits im Jänner haben wir sehr besorgt auf die Entwicklungen in Asien geschaut. Und wir haben damit gerechnet, dass uns früher oder später auch hier in Europa das Virus erreichen wird. Ab diesem Zeitpunkt haben wir Strukturen und Prozesse aufgesetzt, uns mit Schutzausrüstung und Medikamenten eingedeckt, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Pandemie vorbereitet. Es ist immer eine große Herausforderung, wenn man es mit einer völlig neuen Erkrankung zu tun bekommt. In Summe haben wir in dieser ersten Pandemiephase unseren Job gut gemacht. Aber die Pandemie ist noch lange nicht überstanden und wird uns weiterhin fordern
Die kommenden kalten Monate in Kombination mit Corona sorgen für Verunsicherung, wie hat sich der Wienere Gesundheitsverbund darauf vorbereitet?
Wir haben die leichte Entspannung im Sommer dazu genutzt, unsere Erfahrungen der ersten Pandemie-Phase gründlich zu analysieren. Auf Basis dieser Analyse haben wir einen neuen COVID-Versorgungsplan aufgelegt, der uns dabei helfen wird, in den kommenden Monaten noch besser durch die Krise zu kommen.
Zentrales Ziel des Plans ist es, nicht mehr so stark in unseren Normalbetrieb eingreifen zu müssen, um COVID-Patienten versorgen zu können. Um das zu erreichen, arbeiten wir bereits jetzt eng mit den Wiener Ordensspitälern und einigen Wiener Privatspitälern zusammen. Sie sprechen eine Herausforderung an, vor der wir in der kalten Jahreszeit stehen.
Es wird darauf ankommen, möglichst treffsicher und rasch unterscheiden zu können, ob jemand tatsächlich an COVID-19 erkrankt ist, oder aber einen grippalen Infekt hat. Hier haben wir mit der Entwicklung neuer und rascher Testverfahren einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht. Aber natürlich wird der kommende Winter wieder eine große Herausforderung werden. Wir können übrigens auch hier alle einen Beitrag leisten: Nämlich uns kostenlos Influenza impfen lassen!
Wird die Möglichkeit, Patienten von städtischen Spitälern in Privatspitäler zu überweisen, aufrechterhalten?
Ja – wir haben die Kooperationen vom Frühjahr wieder reaktiviert. Neu ist, dass uns auch die Wiener Ordensspitäler sowohl in der COVID-Versorgung unterstützen, als auch Operationen übernehmen können, wenn wir die Kapazitäten in unseren Kliniken COVID-bedingt nicht ausreichend zur Verfügung haben. Das ist auch eine besondere Stärke des Wiener Spitalswesens in der Pandemie.
Was haben Sie aus der Krise gelernt?
Die Stadt Wien hat sich bis dato in der COVID-Pandemie dadurch ausgezeichnet, dass die Verantwortlichen auf allen Ebenen gut zusammengearbeitet haben. Das hat uns wesentlich besser durch die erste Pandemie-Phase gebracht, als dies in vielen vergleichbaren Metropolen der Welt der Fall war.
Bei aller Kritik, die an den Gesundheitsbehörden und vereinzelt auch an uns geübt wurde: Insgesamt haben alle zusammen einen super Job gemacht. Und was mir die Krise auch wieder vor Augen geführt hat, ist die Tatsache, dass ich in meinem Unternehmen für ein tolles Team verantwortlich sein darf. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wiener Gesundheitsverbund leisten täglich Großes. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar und auch sehr stolz!
Ihre derzeit größten Sorgen?
Unsere größte Aufmerksamkeit gilt wie immer unseren Patientinnen und Patienten sowie den Bewohnerinnen und Bewohnern in unseren Pflegeeinrichtungen. Wir sind sehr gut aufgestellt: Mit hervorragend ausgebildeten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und mit einem COVID-19-Versorgungsplan.
Aber die Belastung des Gesundheitssystems durch COVID-19 darf nicht zu groß werden. Denn wir müssen uns auch um die Versorgung aller anderen Patientinnen und Patienten kümmern. Daher appelliere ich auch an die Wienerinnen und Wiener, wieder zu der Disziplin zurück zu finden, die die Bevölkerung schon im Frühjahr ausgezeichnet hat. Wenn wir uns alle an die Regeln halten und aufeinander achten, dann werden wir die Herausforderung COVID-19 früher oder später bewältigt haben.
Welche Strategien/Pläne gibt es für die Zeit nach Corona?
Wir haben auch in der Pandemie an vielen Themen gearbeitet. Das war für uns eine der größten Herausforderungen überhaupt: eine gesundheitspolitische Ausnahmesituation erfolgreich zu meistern, und trotzdem den Fokus auf andere wichtige Projekte zu halten. Wir haben uns neue Organisationsstrukturen gegeben, die stetig weiterentwickelt werden müssen, haben mitten in der Pandemie unser Erscheinungsbild verändert.
Wir wachsen – alleine in diesem Jahr stellen wir 380 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein und legen einen besonderen Schwerpunkt auf den Ausbau unseres Ausbildungsangebots. Und in den kommenden Jahren haben wir ein sehr ambitioniertes Ausbau- und Modernisierungsprogramm abzuarbeiten. Die Arbeit geht uns also definitiv nicht aus!
Ihre geschäftlichen Vorsätze und Wünsche für 2021?
Ich wünsche uns allen natürlich vor allem, dass wir möglichst rasche Fortschritte in der Impfstoffentwicklung und in der weiteren Verbesserung der COVID-Therapie machen. Denn nach Monaten des Ausnahmezustands ist es wichtig, dass wir wieder neue Perspektiven entwickeln können. Wenn uns die Pandemie auch mit Sicherheit noch einige Zeit beschäftigen wird, nehme ich mir vor, dass ich mit meinen Vorstandskollegen gemeinsam auch 2021 die Entwicklungsprojekte voranbringe, die wir uns vorgenommen haben.
Foto:Wiener Gesundheitsverbund / Felicitas Matern