Die Vorständin der IAKW-AG über die Folgen von Corona für den Kongress-Standort Wien und warum hybride Veranstaltungen zukunftsbestimmend sein werden.
Ihr Blick zurück auf das Corona-Jahr: Gibt es – trotz Corona – auch Positives zu berichten?
Wir haben die Zeit genutzt, um unser laufendes Modernisierungsprojekt schneller umzusetzen. Statt 2022 werden wir nun schon 2021 fertig werden, da wir heuer weniger Bauunterbrechungen einplanen mussten. Mit einer neuen multifunktionalen Veranstaltungsfläche unter dem donauSEGEL, dem Panoramawalk und einem neuen Zugangsgebäude werden wir international noch wettbewerbsfähiger werden.
Wie stark ist das Austria Center Vienna von der Krise betroffen? Kann man den Schaden schon beziffern?
Die genauen Zahlen liegen uns erst 2021 vor, aber bereits jetzt zeichnet sich ab, dass wir heuer rund 80 % der ursprünglich gebuchten Veranstaltungen nicht realisieren konnten. Uns ist es glücklicherweise gelungen, die Mehrzahl der Veranstaltungen in die Folgejahre verschieben zu können und damit langfristig die Kunden an Wien und unser Haus zu binden.
Die aktuelle Situation zeigt uns aber auch sehr schmerzlich, wie wichtig der Kongresstourismus für den gesamten Standort Wien ist. Von den internationalen Veranstaltungen, die bei uns jährlich stattfinden, sind laut dem Institut für höhere Studien über 3.000 Arbeitsplätze in Österreich abhängig – vor allem im Bereich der Stadthotellerie und der Gastronomie.
Sind Sie zufrieden mit den bisher getroffenen Hilfsmaßnahmen der Regierung (Stichwort „Schutzschirm für Veranstalter“)?
Die Kurzarbeit, die wir wie alle betroffenen Branchen genutzt haben, war eine essenzielle Maßnahme, um langfristig Arbeitsplätze zu schützen. Der neue Schutzschirm ab 2021 ist unserer Ansicht ein echter Meilenstein, der international einige Nachahmer finden könnte.
Derzeit sind Veranstalter nachvollziehbarerweise stark verunsichert, was die Buchung und Planung von Kongressen oder Messen im nächsten Jahr angeht. Der Schutzschirm kann die Planungssicherheit deutlich erhöhen, weil der Staat das Risiko für nicht stornierbaren Kosten – z.B. für kurzfristig notwendige Änderungen der Rahmenbedingungen – übernimmt
Wird der 15-Minuten Schnelltest künftig bei Großveranstaltungen zum Einsatz kommen?
Im September haben wir als erstes Veranstaltungshaus in Europa bei mehreren Tausend Personen direkt vor der Veranstaltung Covid19-Schnelltests durchgeführt. Dies hat sowohl national als auch international für ein überwältigendes Medienecho gesorgt und das Konzept wurde bereits von vielen Branchen erfolgreich übernommen.
Wir sind der festen Überzeugung, dass die Sicherheit von Veranstaltungen dadurch deutlich erhöht werden kann – mit planbarem und überschaubarem Zeit-, Personal- und Kosteneinsatz. Spätestens ab dem Frühjahr hoffen wir auch, dass auf Grundlage dieser erhöhten Sicherheit die Kapazitätsgrenzen für Veranstaltungen wieder schrittweise erhöht werden können, da dies mittelfristig die Grundvoraussetzung für eine wirtschaftliche Durchführung von Großveranstaltungen ist.
Erwarten Sie, dass es zu einer dauerhaften Veränderung von Kongressabläufen kommen wird (mehr digital als vor Ort)?
Die gesamte Branche rechnet damit, dass diese Krise auch langfristig Auswirkungen auf Kongresse haben wird. Derzeit entstehen ja in allen Bereichen des Lebens neue virtuelle Formate. Diese werden zukünftig den klassischen Kongress vor Ort niemals ersetzen, weil der persönliche Kontakt für das Netzwerken unerlässlich ist.
Allerdings wird es zukünftig verstärkt sogenannte Hybridveranstaltungen geben, bei denen z.B. Workshops, Messen und die Gespräche direkt beim Kongress stattfinden, während Frontalvorträge eher virtuell angeboten werden. Zukünftig kann man es sich noch einfacher aussuchen, ob man zum Kongress nach Wien reist oder in seinem Heimatland bleibt und Teile der Veranstaltung per Streaming verfolgt. Wir nutzen daher die derzeitige Krise auch für den weiteren Ausbau der Digitalisierung bei uns im Haus und statten die Säle mit entsprechenden Systemen aus.
Was haben Sie aus der Krise gelernt?
Innerhalb der letzten Monate haben wir gesehen, wie gut der Zusammenhalt in der Branche ist und wie wichtig die regelmäßigen Abstimmungen mit Politik und Wirtschaft in einer solchen Situation sind. Wir sind alle in einer sehr ähnlichen Situation und können nur gemeinsam den Kongressstandort Wien durch diese Krise führen.
Auch die laufende Information der Kunden und die Motivation der Mitarbeiter in Krisenzeiten ist ganz entscheidend, um den Kontakt und das gegenseitige Vertrauen aufrecht zu erhalten. Eine weitere Erkenntnis ist für mich, dass man auch in einer solch beispiellosen Krise niemals nur reagieren darf, sondern auch den Mut braucht, um innovative Ideen – wie z.B. das Schnelltest-Pilotprojekt – zu entwickeln und umzusetzen. Nur mit Flexibilität, Innovation und Mut können wir aus diesem schweren Jahr gestärkt hervor gehen, davon bin ich überzeugt!
Ihre derzeit größten Sorgen?
Hier habe ich vor allem einen Wunsch: Dass im privaten und beruflichen Umfeld alle gesund bleiben!
Welche Strategien/Pläne gibt es für die Zeit nach Corona?
Wir sind als Österreichs größtes Kongresszentrum vor allem für internationale Kongresse bekannt und haben einen entscheidenden Teil dazu beigetragen, dass Wien seit Jahren unter den erfolgreichsten Kongressstädten weltweit liegt. Damit dies so bleibt haben wir schon vor zwei Jahren ein umfassendes Modernisierungskonzept auf den Weg gebracht. Dabei liegt unser Fokus auch sehr stark auf Investitionen in die Digitalisierung, denn der Kongress der Zukunft wird hybrid sein.
Unabhängig von der aktuellen Krise wird das Thema Nachhaltigkeit auch im internationalen Veranstaltungsgeschäft eine immer größere Bedeutung erhalten. Als Österreichs erstes Green Conference Center bieten wir schon seit Jahren eine kostenlose Zertifizierung von Green Meetings an – hier wollen wir zukünftig noch mehr Veranstalter von nachhaltigen Konzepten überzeugen.
Und last but not least werden wir auch das Austria Center Vienna zukünftig immer öfter für die Wienerinnen und Wiener öffnen. Die Rückkehr des Spielefests seit 2019 war ein erster Schritt, geplant sind weitere öffentliche Veranstaltungen sowie die attraktive Gestaltung des überdachten Vorplatzes für die Anrainerinnen und Anrainer.
Ihre geschäftlichen Vorsätze und Wünsche für 2021?
Mein Ziel für 2021 ist es, dass wir es auch weiterhin schaffen, Lösungen zu finden und umzusetzen, auch wenn die Herausforderungen noch so groß sind. Ab dem Frühjahr oder spätestens im zweiten Halbjahr 2021 wünsche ich mir, dass sich die nationale und auch die internationale Situation spürbar beruhigt. Dann können wir wieder unser Kerngeschäft in den Mittelpunkt stellen, nämlich mit aller Kraft internationale Kongresse nach Wien zu holen!
Foto: IAKW-AG_Ludwig Schedl