Interviews

Seit Mai des Vorjahres ist die Juristin Geschäftsführerin der ASFINAG Service GmbH und in diese Funktion auch für den HR-Bereich verantwortlich.

 

Ein ABW-Interview über die Herausforderungen einer veränderten Arbeitswelt.

Auf welche Erfolgsrezepte setzen Sie beim Rekrutierungsprozess? 

Grundsätzlich sollte man dazu festhalten, dass sich verschiedene demographische als auch externe Faktoren, wie die Corona Krise und daraus entstandene wirtschaftliche Folgen, massiv auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt haben und wir nun einen sehr ausgeprägten Arbeitnehmer-Markt haben.

Einfach gesagt, die Unternehmen müssen sich anstrengen, die Besten der Besten zu bekommen – vom operativen Arbeiter bis hin zur Managerin. Umso mehr müssen neue Wege im Recruiting ausprobiert und umgesetzt werden. Egal ob „WhatsApp“ Bewerbung oder Video-Interview – wichtig ist, dass der Bewerber im Mittelpunkt steht und sich gut im Bewerbungsprozess aufgehoben fühlt. Nicht zu vergessen, dass Schnelligkeit siegt. Langwierige Recruitings gehören der Vergangenheit an. Unsere Quick-Apply Funktion bietet Bewerber daher die Möglichkeit, sich ganz schnell und unkompliziert auf interessante Vakanzen zu bewerben.

Wir konzentrieren uns verstärkt darauf, die Candidate Experience laufend weiter zu optimieren. Dabei hinterfragen wir sehr genau, welche Methoden und Tools in der Vergangenheit gut funktioniert haben und welche neuen Ideen darauf aufgebaut werden können. Kreative neue Wege in der Kandidatenansprache werden von unseren Recruiting-Spezialisten laufend evaluiert und gesellschaftsübergreifend als Best Practice geteilt. Neben der Ansprache setzen wir im Attracting auch auf eine konstante Weiterentwicklung unserer Angebote. Beispielsweise legen wir verstärkt Fokus darauf, Shared Job und Shared Leadership Positionen anzubieten und geeigneten Tandems in Teilzeit eine spannende Entwicklungsmöglichkeit zu geben. 

Wie überprüfen Sie die Motivation und Leistungen der Mitarbeiter?

Wir haben einen jährlichen Performance Dialog und diesen nehmen wir im Sinne unserer Mitarbeiter und Führungskräfte sehr ernst. Dabei steht vor allem die persönliche Entwicklung im Vordergrund und wird entsprechend mit Maßnahmen ergänzt. Das schätzen unsere Mitarbeiter sehr. Aber das ist nicht alles, wir leben eine ausgesprochen offene und wertschätzende Feedback-Kultur, in der sich in mehreren Formaten über Projekte, Arbeitserfolge oder Ähnliches ausgetauscht wird. 

Gestresst, ausgebrannt, unmotiviert – was hilft dagegen?

Ausgewogenheit! Wir alle wissen, dass das eine Projekt oder der Monatsabschluss zu Mehrarbeit führen kann, die sich bei einigen von uns aufgrund ganz verschiedener Faktoren leider in Stress auswirkt. Einfach gesagt, so gern ich es mir wünschen würde, so ganz komplett ohne Stress läuft leider kein Business ab. Daher ist es wichtig, dass unsere Mitarbeiter ausreichend Möglichkeiten und Flexibilität haben, um etwaige Stresssituationen für sie so verträglich wie möglich zu gestalten. Sei es die Arbeit aus dem Homeoffice oder Sport in der Mittagszeit – es gibt bereits heute viele Gruppierungen innerhalb der ASFINAG, die mit Spaß und Freude für ein wenig Ablenkung und Ausgewogenheit sorgen.

Welche Faktoren binden Mitarbeiter ans Unternehmen?

Mitarbeiter bleiben, weil sie sich wohl fühlen und einen Beitrag leisten wollen. Bei beiden Kriterien spielen Führungskräfte eine enorm wichtige Rolle. Hierbei setzen wir gezielt Maßnahmen, damit unsere Führungskräfte entsprechend agieren können. Ich spreche daher ungern von „der“ Strategie oder dem „einen Weg“, weil eine gesunde und menschlich geprägte Führung mit entsprechenden sozialen Fähigkeiten die Mischung macht. „People Management“ und „People Centricity“ sind wichtige Skills die Führungskräfte mitbringen sollen.

Unser Ziel ist es, unsere Mitarbeiter mit spannenden Aufgaben, einer gesunden Unternehmenskultur und einer hohen Stabilität langfristig zu binden. Gott sei Dank, gelingt uns das schon seit vielen Jahren sehr gut. Neue Talente zu finden und zu binden ist dennoch ein enormer Kraftakt. Wie schon erwähnt, haben wir einen extremen Arbeitnehmer-Markt und auch unsere Top-Talents haben ausreichend Möglichkeiten, sich außerhalb der ASFINAG zu beweisen. Daher gehört für uns das Teamgefühl und die Zugehörigkeit zu den Schlüsselkriterien, um Talente zu halten. Kombiniert mit immer herausfordernden Projekten, wie etwa unserem Rastplatz der Zukunft oder CITS, bieten wir dafür genug Spielraum. 

Wie leicht oder schwer ist es für die ASFINAG geeignete Mitarbeiter zu finden?

Auch wir suchen in einigen Bereichen immer schwerfälliger nach geeigneten Kandidaten. Insbesondere im handwerklichen Bereich und bei den Betriebstechnikern ist es teils schwer,  Mitarbeiter zu finden. Wir versuchen natürlich, lokale Netzwerke zu etablieren. So sind unsere Autobahnmeistereien in den entsprechenden Ortschaften gut verbunden. Und manchmal etablieren sich dadurch neue Kandidaten. Ebenso setzen wir sehr auf unsere Auszubildenden, die wir nach erfolgreicher Ausbildung natürlich weiterentwickeln wollen. 

Welche Entwicklungen erwarten Sie im HR-Bereich?

Gerade der Austausch mit Expertinnen und Experten zeigt, welche ungeahnten Möglichkeiten erst noch vor uns liegen. Es gibt mittlerweile Software, welche den Unternehmen ermöglicht, durch KI Talente weltweit ausfindig zu machen etwa um Schlüsselpositionen zu besetzen. Gleichzeitig ist HR mit so vielen Daten von Mitarbeitern versorgt, dass entsprechende Auswertungen bereits heute in modernen Systemen Abwanderungsgefährdungspotentiale aufzeigen können. Man kann sich überlegen, wie schön das wäre, würde man eine Person durch spannende Projekte oder persönliche Entwicklungsmöglichkeiten wieder mehr für das Unternehmen begeistern können. Doch dafür braucht es noch eine Menge Transformation, denn auch wir stehen da noch ganz am Anfang.

Für mich ist es spannend zu beobachten, wie sehr es HR durch die Digitalisierung bisheriger hoch administrativer Prozesse schafft, Platz für neue Entwicklungen zu etablieren. HR als administrative Abarbeitung langer Formulare gehört der Vergangenheit an und die neue Rolle wird deutlich strategischer und weitreichender sein. Während HR Leitende in der Vergangenheit gerne stark administrativ „verhaftet“ waren, gehören sie heute deutlich mehr in die Agenden der Geschäftsführungen und des Vorstandes. Nicht umsonst bekommt die Rolle des CHRO eine immer wichtigere Bedeutung. Für mich bleibt es das Ziel, dass HR die Geschäftsführung als Sparring Partner warnt, konzeptionell unterstützt, Leitplanken vorgibt und Entwicklungen vorausschaut. Um HR-Abteilungen auf diesem Transformationsweg zu unterstützen, braucht es neben digitalem Support noch weitere flankierende Maßnahmen.

Abschließend Ihr Rat an Frauen, die Karriere machen wollen?

Bleibt so wie ihr seid und verstellt euch nicht. Wir Frauen können viele Dinge und sollten darauf vertrauen, dass diese Kompetenz auch gebraucht und wertgeschätzt wird.

 Zur Person

Tamara Maria Christ studierte Rechtswissenschaften und absolvierte darüber hinaus weitere Ausbildungen, wie jene für Aufsichtsräte der Wirtschaftsuniversität Wien sowie ein Ausbildungspaket zum Thema Revision. Sie startete ihre berufliche Laufbahn bereits 2003 bei den Austrian Airlines.

Nach einer einjährigen Tätigkeit am Oberlandesgericht Wien und der Universität Wien kehrte Tamara Maria Christ wieder zur Luftfahrt zurück, wo sie in mehreren Führungsfunktionen in verschiedenen Gesellschaften tätig war. Bis zum Wechsel in die ASFINAG Geschäftsführung im Mai des Vorjahres, agierte die gebürtige Wienerin als Board Representative Financial Aid, war Prokuristin und Geschäftsführerin der Austrian Beteiligungen GmbH der Austrian Airlines.

Foto: ASFINAG

Die gute Nachricht vorweg: „Selbstbewusstsein aufbauen ist einfacher, als Arroganz abzubauen“, sagt Topmanagement-Coach Prof. Heidi Stopper.

 

Sie arbeitet täglich mit Top-Führungskräften – und daran, ihnen einen bewussten Umgang mit den eigenen Unsicherheiten zu verschaffen. Denn sie kommen auch bei selbstbewussten Menschen vor. Wie wir im Job mit Unsicherheiten im Innen und Außen umgehen und unser Selbstvertrauen ausbauen, erklärt sie im Interview. 

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Mythos, wenn es um Selbstbewusstsein im Job geht?

Man sollte sich nicht einreden: „Mein Selbstbewusstsein ist zu gering, ich muss es erst aufbauen, damit ich mich an schwierige Aufgaben trauen kann.“ Selbstbewusstsein ist nichts Abstraktes, an dem man theoretisch herumschrauben kann. Das funktioniert nicht.

Wie entsteht Selbstbewusstsein dann?

Selbstbewusstsein entsteht, indem wir etwas tun, das wir noch nicht sicher beherrschen und damit positive Erfahrungen machen. Eine falsche Einstellung zum Selbstbewusstsein kann uns daran hindern, Fortschritte zu machen. Selbstbewusstsein bedeutet, dass ich mir aller meiner Stärken, Schwächen und Unsicherheiten bewusst bin und mich meinen Emotionen stelle. Es bedeutet nicht, dass ich keine Unsicherheiten habe. Im Gegenteil: Wenn ich versuche, meine Unsicherheiten wegzudrücken, ist es wie das Verbot, an einen pinken Frosch zu denken – natürlich denke ich dann nur noch an einen pinken Frosch.

Wenn wir auf Social Media blicken, glänzen uns schöne, selbstbewusste Menschen entgegen. Ist das gefährlich für das eigene Selbstbild?

Ja, es gefällt mir gar nicht, dass unsere Gesellschaft diejenigen glorifiziert, die übermäßig selbstbewusst auftreten, aber innerlich ja doch unsicher sind. Wir sollten Selbstbewusstsein nicht so überglorifizieren und uns blenden lassen. Es gibt nicht „die Selbstbewussten“, sondern es gibt Menschen, die so tun, als wären sie in allen Lebenslagen selbstbewusst. Kein Mensch ist immer selbstsicher. Selbstsicherheit ist immer mit der jeweiligen Situation verbunden – genauso wie innere Unsicherheit. Die gute Nachricht ist: Es ist viel einfacher, Selbstbewusstsein aufzubauen, als Arroganz abzubauen.

Inwiefern haben Pandemie, Krieg und Wirtschaftskrise zur allgemeinen Verunsicherung beigetragen – und wie können wir lernen, damit permanent zu leben?

Die Topführungskräfte, mit denen ich arbeite, sind in den letzten Jahren ständig neuen und unbekannten Herausforderungen ausgesetzt, wie z.B. der KI,  der Pandemie, radikaler Zinswende, geopolitischen Verwerfungen und den großen Herausforderungen aufgrund der Verrentung von 40 Prozent der heutigen Arbeitnehmer, den Babyboomern. Eine Dichte an veränderten Rahmenbedingungen, wie sie nur sehr selten vorkam. Ihr Erfahrungswissen ist dabei nur bedingt hilfreich, manchmal sogar hinderlich und neue Führungs- und Steuerungsinstrumente sind gefordert – und das Ganze unter massivem Druck.

Das klingt so, als hätten auch sie Ängste und seien unsicher?

Alle Topmanager haben Ängste und fühlen sich in bestimmten Situationen unsicher, das ist ganz normal. Bei Menschen, die tatsächlich keine Angst haben, muss man eher davon ausgehen, dass sie Soziopathen sind. Wir alle müssen aber einen kompetenten Umgang mit unseren Ängsten und Unsicherheiten lernen, statt sie – wie es noch häufig verbreitet ist –  einfach wegzudrücken. Wir können innere Unsicherheiten schrittweise abbauen, wenn wir uns gut vorbereiten, wenn wir unsere Kompetenzen in diesem Bereich durch Üben stärken. Und indem wir uns Unterstützung holen.

Oft wird ja gerade im Karrierestreben und in der Startup-Szene immer noch „Fake it till you make it“ propagiert. Ist das für Führungskräfte zielführend – und wieviel Verletzlichkeit dürfen sie zeigen?

 „Fake it‚ till you make it“ kann vorübergehend helfen, wenn man in eine neue Situation geworfen wird, um dadurch auch Selbstsicherheit zu generieren. Aber ein besserer Ansatz ist es, zu identifizieren, in welchen Situationen man sich unsicher fühlt und diese gezielt zu üben. Das sehe ich beispielsweise bei Top-Managern, die ich auf Assessment-Tests in Bewerbungsprozessen vorbereite: viele haben so etwas noch nie gemacht und haben versteckte Angst davor – die sich in Empörung und Kritik an den Tests zeigt.

Ich beruhige sie dann und wir trainieren Schritt für Schritt, bis sie sich sicher fühlen. Oder: Wenn man beispielsweise Angst vor einem Bühnenauftritt hat, sollte man jede Gelegenheit nutzen, um zu üben. Also: zuhause laut vorm Spiegel sprechen, einen Mentor oder Coach suchen, der unterstützt, und vor wohlwollenden Kollegen einen Probevortrag halten. Aber am Ende muss man sich einfach auf die Bühne wagen und die Herausforderung meistern – daran wächst man und gewinnt an Selbstsicherheit. Nach ein paar Mal wird es zur Praxis und man kann sich auf Optimierung der eigenen Performance konzentrieren.

Hilft es hier, als Führungskraft Mitarbeitende ins kalte Wasser zu schubsen, damit sie sich mehr zutrauen?

Es ist essentiell, dass andere einem etwas zutrauen und man in die Schuhe hineinwächst, die einem noch zu groß erscheinen. Kaltes Wasser allein hilft meines Erachtens nach aber nicht. Zutrauen und Unterstützung beim Hineinwachsen, das bringt den Erfolg. Wir werfen Kinder im Schwimmkurs auch nicht nur ins Wasser. Wir ermutigen sie und unterstützen sie beim Üben.

Stichwort Impostor-Syndrom: das wird ja Frauen eher zugeschrieben als Männern. Können Sie das aus Ihrer Erfahrung bestätigen? Und wie gehen Betroffene damit um?

Zunächst: Das Impostor-Syndrom ist keine Krankheit, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal, das bei manchen Menschen auftritt. Die Betroffenen tun sich schwer damit, ihre Erfolge als ihre eigenen Verdienste anzuerkennen und zu internalisieren. Sie führen sie eher auf den Zufall oder auf äußere Umstände zurück. Dadurch fällt es ihnen schwerer, Selbstbewusstsein zu entwickeln. Besonders bei Frauen wurde das Impostor-Syndrom seit 1978 erforscht und bei erfolgreichen Frauen wurde eine überproportionale Betroffenheit festgestellt. Durch weitere vertiefte Forschung weiß man heute, dass es bei Frauen und Männern gleichermaßen auftritt. Um damit umzugehen, können verschiedene Methoden helfen, wie zum Beispiel Journaling und therapeutische Ansätze, um zu lernen, den Erfolg besser zu verinnerlichen. Mir begegnet oft, dass Menschen sich an ihren eigenen Erfolgen wegen anerzogener Selbstzweifel oft nicht so erfreuen können – das ist aber noch kein Impostor-Syndrom.

Liegt das also an unserer Sozialisation?

Ja. Gerade bei Frauen kann es eine anerzogene Hemmung sein, ihre eigenen Fähigkeiten anzuerkennen und selbstbewusst zu sagen: „Ich bin einfach gut.“ Früher hat man noch den Spruch „Sei nicht wie die stolze Rose, die bewundert werden will, sei wie das Veilchen, bescheiden, sittsam und rein“ ins Stammbuch geschrieben – das veranschaulicht diesen gesellschaftlichen Sozialisationsdruck.

Sind Sie selbst auch manchmal unsicher?

Als junge Personalleiterin musste ich vor tausenden Mitarbeitenden den großen Stellenabbau verkünden – damals haben mir die Knie geschlottert. Nach 30 Jahren Bühnenerfahrung regt mich eine Rede heute nicht mehr auf und beschert mir schlotternde Knie. Ich denke, ich habe ein sehr gutes Selbstbewusstsein, weil meine Chefs mir einiges zugetraut haben – und ich mir dadurch auch selbst. Ich durfte viel ausprobieren, das hat mir zu einem breiten Erfahrungsschatz und Souveränität in vielen Situationen verholfen. Aber natürlich gibt es auch heute noch Situationen, die neu für mich sind – dann fühle ich mich auch unsicher. Das ist doch sehr menschlich und auch gut so! So kann ich mich noch weiterentwickeln.

Zur die Person

Prof. Heidi Stopper hat viele Jahre als Führungskraft und Vorstand im Personalbereich gearbeitet, zuletzt als Vorstand im MDAX. Coaching und Beratung von Führungskräften aller Ebenen, insbesondere des Topmanagements, war immer ein wesentlicher Bestandteil ihrer Tätigkeit. Heute ist sie Unternehmerin, eine der gefragtesten Topmanagement-Coaches und Beraterin zum Thema Karriere und berufliche Positionierung. Sie sitzt in etlichen Beiräten, ist Kuratoriumsvorsitzende der Macromedia und leidenschaftliche Förderin von Frauen im Berufsleben. Mitte Oktober 2019 wurde Heidi Stopper die Honorarprofessur für Leadership & Organizational Behaviour an der Hochschule Macromedia verliehen.

Foto: Karin Volz/Haus für Fotografie, Interview Nicole Thurn/hercareer

Ein ABW-Interview mit der HR-Chefin von L’Oréal Österreich über Unternehmenswerte, Karrieremöglichkeiten und die Wichtigkeit persönlicher Werte.

 

Auf welche Art sucht man bei L’Oréal Mitarbeiter? 

Oft ist es eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen, die zu den besten Ergebnissen führt. Wir nutzen unsere L’Oréal Karrierewebseite und LinkedIn. Wir setzen aber auch stark auf interne Bewerber, da wir Talente im Unternehmen fördern wollen, und auf Mitarbeiterempfehlungen.  

Bei L’Oréal geht es uns nicht darum, eine Stelle zu besetzen, sondern den richtigen Kandidaten für unser Unternehmen zu finden. Schon in den ersten Gesprächen überlegen wir, was die zukünftigen Karriereschritte sein könnten. Bei L’Oréal gibt es viele Weiterentwicklungsmöglichkeiten, zum Beispiel in verschiedene Geschäftsbereiche zu wechseln oder ins Ausland zu gehen.

Die besten Kandidaten sind für uns die, die sich langfristig bei uns weiterentwickeln wollen, einen gewissen Drive mitbringen und neue Herausforderungen annehmen. Die Persönlichkeit der Bewerber ist uns im gesamten Recruitingprozess sehr wichtig. Wir wissen aufgrund langjähriger Erfahrungen, dass je besser eine Person in das Unternehmen und in ein Team passt, desto länger wird sie auch bei uns bleiben und eine langfristige Karriere bei L’Oréal machen, und genau danach suchen wir.

Welche Veränderungen bemerken Sie im Recruiting-Bereich? 

Der Rekrutierungsprozess hat sich in den letzten Jahren aufgrund technologischer Fortschritte und gesellschaftlicher Veränderungen erheblich verändert. Das merken wir natürlich auch bei L’Oréal. Die Plattformen haben sich verändert, Kandidaten informieren sich auf Instagram Profilen, LinkedIn oder Bewertungsplattformen wie Kununu oder Glassdoor.

Dadurch ist in den letzten Jahren das Employer Branding immer mehr ins Licht gerückt: wir achten verstärkt auf die Darstellung unserer Marke sowie der Repräsentation unseres Unternehmens, um die passenden Kandidat:innen anzuziehen. Die Transparenz bezüglich der Unternehmenskultur, der Werte und der Entwicklungsmöglichkeiten gewinnt hier verstärkt an Bedeutung. Der gesamte Einstellungsprozess wird aufgrund neuer technologischer Möglichkeiten auch erheblich erleichtert und läuft schneller ab. Interviews können aus der ganzen Welt geführt werden, unabhängig vom Standort der Kandidaten.

Nichtdestotrotz setzen wir bei L'Oréal stark auf persönliche Werte und es ist uns sehr wichtig, die Bewerber auch im Gespräch kennenzulernen. Dies bedeutet, dass wir versuchen, alle Kandidaten zu treffen, wenn es geographisch möglich ist. Das ermöglicht es uns ein besseres Bild über die Soft Skills und den kulturellen „fit” zu erhalten: Neben fachlichen Qualifikationen legen wir verstärkt Wert auf Team- und Kommunikationsfähigkeit und einen möglichen Teamfit. Jeder Mitarbeiter soll sich bei uns wohlfühlen. Wir sind davon überzeugt, dass diese so ihr volles Potential am besten ausschöpfen können.  

Wie und wie oft führen Sie Leistungsbeurteilungen durch? 

Wir haben unsere interne Leistungsbeurteilung kürzlich überarbeitet und nennen dieses Tool nun Connect. Hier finden im Jahr mindestens zwei konkrete Leistungsbeurteilungen statt, und mehrere sogenannte Connect Gespräche zwischen den Mitarbeitern und ihrem Vorgesetzten, die schriftlich festgehalten werden.

Anfang des Jahres werden die Ziele festgesetzt, die im Laufe des Jahres immer wieder angepasst werden können. Aktuelle Herausforderungen werden gemeinsam angesehen und die Zusammenarbeit abgestimmt, um den bestmöglichen Weg zur Zielerreichung zu finden. Darüber hinaus bietet Connect auch eine Plattform, sich über die berufliche und persönliche Entwicklung auszutauschen. Das individuelle Wellbeing ist ein wichtiges Thema, Effizienz, Ways of Working sowie der Workload werden offen angesprochen. Der regelmäßige Austausch ist für mich dabei ein maßgeblicher Mehrwert. 

Welchen Stellenwert haben Employee Experience und Unternehmenskultur? 

Meiner Erfahrung nach zeigt sich, dass die Employee Experience einen immer höheren Stellenwert gewinnt vor allem für die jungen Generationen. Employee Experience ist die gesamte Mitarbeitererfahrung, und bezieht sich auf alle Interaktionen, Eindrücke und Emotionen, die ein Mitarbeiter während seiner gesamten Zeit bei L’Oréal erlebt. Das startet bereits bei einem strukturierten und informativen Onboarding, der erste Eindruck zählt!

Ganzheitlich gesehen braucht es eine klar definierte Unternehmenskultur und Werte, eine Work-Life-Balance sowie Anerkennung. So feiern wir auch die wichtigen Momente im Leben eines Mitarbeiters, zum Beispiel Jubiläen, Hochzeit und Geburten. Bei L’Oréal zählt für uns der Mitarbeiter als Ganzes mit Erfolgen im Berufs- sowie Privatleben!  Weiters wollen die Mitarbeiter sehen, dass sie hier nicht nur einen Job machen, sondern wirklich einen Impact haben.

Spannende Entwicklungsmöglichkeiten ist einer der wichtigsten Gründe, warum Mitarbeiter bei einem Arbeitgeber bleiben, dass sie sowohl in ihrer Funktion wachsen und sich weiterentwickeln können. Indem wir unseren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, mehr über ihren Job und ihre Branche zu erfahren, und ihnen Schulungen, Mentorenprogramme oder auch individuelle Trainings und Projekte anbieten, tragen wir aktiv dazu bei, dass sie sich für ihre Arbeit engagieren, was letztlich die Fluktuationsrate senkt.

Eines ist klar, neue Mitarbeiter einzustellen ist teuer. Studien gehen sogar davon aus, dass die Ersetzung eines Mitarbeiters je nach Funktion und Gehalt sechs bis neun Monatsgehälter kosten kann. Das ist enorm! Die Mitarbeiterbindung ist stark geprägt von der Arbeitsumgebung und der Unternehmenskultur.

Bei L’Oréal legen wir viel Wert darauf, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der sich jeder und jede wertgeschätzt fühlt – unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung. Im Rahmen unserer Diversity, Equity und Inclusion Strategie haben wir zum Beispiel interne Netzwerke gegründet, in der sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv einbringen. Das zahlt sich aus, was sich auch in den hohen Zustimmungswerten bei unserer jährlichen Mitarbeiterbefragung widerspiegelt. 

Welche Trends sehen Sie im HR-Bereich? 

Ich habe mich in den letzten Jahren mit einem wichtigen Trend im HR-Bereich beschäftigt – HR sollte ein wichtiger Punkt in jeder Management Agenda sein hier führt nichts daran vorbei! Viele Herausforderungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die HR-Abteilung in Themen wie Quiet Quitting, Fachkräftemangel oder Zufriedenheit sich als verlässliche Navigatoren entpuppten.

Unternehmen, die noch nicht verstanden haben, welchen Mehrwert ihr HR-Team hat, werden sich in den nächsten Jahren schwertun und mit einigen Challenge zu kämpfen haben. Ich bin nicht nur davon überzeugt, dass HR sich weiterentwickeln muss, um auch in Zukunft eine dauerhafte, strategische Rolle zu spielen, sondern dass diese auch eine Schlüsselrolle für die zukünftige Widerstandskraft und die Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens spielen wird. 

Wichtig ist auch geworden, dass das HR-Team im nahen Austausch mit den Mitarbeitern ist. Ich persönlich möchte mit meinem Team für unsere Mitarbeiter da sein, mit ihnen reden und ihnen zuhören. Mit Transparenz und Zugänglichkeit sollte die HR ein vertrauenswürdiger Partner sein. 

Spürt auch L’Oréal die Situation am Arbeitsmarkt? 

Natürlich spüren wir die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt, daran führt leider nichts vorbei. Wir haben die Quellen, woher unsere Kandidaten kommen, diversifiziert und rekrutieren jetzt auf unterschiedlichen Plattformen. Zudem setzen wir vermehrt auf die interne Förderung von Talenten: Bei L’Oréal DACH wollen wir deutsche, österreichische und Schweizer Mitarbeiter:innen entwickeln und fördern – auch in globale Positionen. Bereits heute arbeiten 75 Expats von L’Oréal DACH in ausländischen Tochtergesellschaften. 

Innerhalb der Gruppe ist L’Oréal DACH der fünftwichtigste Markt weltweit und einer der größten Wachstumstreiber. Das bringt vielfältige Karrieremöglichkeiten mit sich. Und das zieht Talente an. 

Außerdem arbeiten wir mit einem internen Referral-Programm: Hier können unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geeignete Kandidaten empfehlen und im Fall einer erfolgreichen Vermittlung Prämien erhalten. 

Welche Skills sind nötig, um im HR-Bereich erfolgreich zu sein? 

HR hat viele verschiedene Facetten: administrative Aufgaben wie Vertragsmanagement, Zeiterfassung und Lohnverrechnung, Recruitment, Arbeitsrecht, Mitarbeitermotivation und -bindung, Coaching, Mentoring, Leadership- und Managementtraining, Employer Branding, HR Analytics, Compensation und Benefits etc.

Eine der ersten Fragen, die ich einem Unternehmen stellen würde: Welchen Stellenwert hat HR im Unternehmen? Generell sind exzellente Kommunikations- und zwischenmenschliche Fähigkeiten, und Fähigkeiten in den Bereichen Konfliktlösung, Verhandlung und Mitarbeiterbetreuung für eine erfolgreiche Karriere im HR-Bereich wichtig. Und eine weitere wichtige Frage ist: Wie sieht es mit Female Empowerement und Karrieremöglichkeiten für Frauen im Unternehmen aus? Mit 50 Prozent Frauen in Führungspositionen und einem Gender Pay Gap von nahezu null ist L’Oréal hier auf einem sehr guten Weg. 

Foto: L’Oréal, Ground Picture/Shutterstock

Die Unternehmerin und ehemalige Politikerin leitet die Rabmer-Gruppe in zweiter Generation.

 

Warum sich Mitarbeiter in ihrem Unternehmen wohlfühlen und was dafür getan wird, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, verrät sie im ABW-Interview. 

Bei der Rabmer Gruppe setzt man seit 60 Jahren auf die Verbindung von Tradition mit laufender Innovation, sowie regionale Verankerung und internationale Aktivitäten. Produkte und Dienstleistungen werden ständig weiterentwickelt, um den sich verändernden Marktanforderungen und Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Darüber hinaus wird – sowohl im eigenen Unternehmen als auch bei den Umwelttechnologien – großer Wert auf Nachhaltigkeit gelegt, um so gemeinsam mit den nationalen und internationalen Kunden dem Klimaschutz Rechnung zu tragen.

„Nicht zuletzt sind die Ausbildung, Förderung und Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter ein zentraler Bestandteil unserer Strategie. Unser engagiertes und gut ausgebildetes Team sowie das gute Betriebsklima sind wesentliche Faktoren für unseren Erfolg“, so Ulrike Rabmer-Koller, die das Unternehmen seit 2011 als alleinige Eigentümerin führt.
Ihren Arbeitsalltag beschreibt sie als geprägt von klaren Zielen, Effizienz und laufender Kommunikation. Als Geschäftsführerin ist es ihr sehr wichtig, die Vision des Unternehmens voranzutreiben und gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umzusetzen. Dabei sind Flexibilität und die Fähigkeit, sich an neue Gegebenheiten anzupassen und rasch Lösungen zu finden, von großer Bedeutung.

„Ich bin grundsätzlich ein sehr optimistischer Mensch und gehe jede Herausforderung auch so an. Wesentlich ist auch der regelmäßige Austausch mit meinem Team sowie unseren Partnern und Kunden“, so die Unternehmerin, die an ihren Mitarbeitern mehrere Eigenschaften sehr schätzt: „Zunächst sind Engagement und Leidenschaft für die Arbeit entscheidend. Meine Mitarbeiter bringen eine hohe Lernbereitschaft und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit im Team mit. Außerdem sind sie in der Lage, Verantwortung zu übernehmen und eigenständig zu arbeiten. Sie sind kommunikativ, teamorientiert, entwickeln Ideen, packen mit an und tragen aktiv zur positiven Unternehmenskultur bei. Ich habe zum Glück ein großartiges Team, mit dem es gelingt, die Herausforderungen zu Chancen zu machen.“  

Arbeitgeber für mehrere Generationen
Um eine offene Position zu besetzen und die besten Kandidaten anzusprechen, werden verschiedene Methoden angewandt: Dazu gehören gezielte Stellenausschreibungen auf verschiedenen Plattformen, die Nutzung von beruflichen Netzwerken und Empfehlungen, sowie eine Prämie, wenn bestehende Mitarbeiter neue Mitarbeiter werben. Neben der fachlichen Qualifikation ist es auch sehr wichtig, dass Kandidaten ins Team passen. Die Mitarbeiterbindung ist in der Rabmer-Gruppe von großer Bedeutung.

„Viele unserer Team-Mitglieder arbeiten schon länger als zehn, zwanzig, dreißig oder vierzig Jahre bei uns – von manchen sind mittlerweile sogar die Kinder und auch Enkelkinder bei uns tätig. Schlüsselfaktoren hierfür sind ein sehr familiäres Miteinander, die Förderung der beruflichen Weiterentwicklung, die Schaffung eines positiven Arbeitsumfelds, eine offene Kommunikation sowie die Anerkennung und Wertschätzung der. Darüber hinaus veranstalten wir regelmäßige Firmenevents und gemeinsame Ausflüge. So lernen sich die einzelnen Mitarbeiter auch abteilungsübergreifend besser kennen“, sagt Rabmer-Koller.

Für sie beeinflusst die Unternehmenskultur maßgeblich, wie sich Mitarbeiter in einem Unternehmen fühlen und wie gut sie sich mit den Unternehmenswerten identifizieren können. „Eine positive Unternehmenskultur fördert die Mitarbeiterbindung, da sie ein Gefühl der Zugehörigkeit und Motivation schafft. Bei der Rabmer Gruppe legen wir großen Wert auf eine offene, kooperative und respektvolle Kultur, die Innovation und persönliches Wachstum unterstützt.“ Trotz aller Job- Vorteile bleibt auch das oberösterreichische Unternehmen der ehemaligen ÖVP-Politikerin nicht vom Fachkräftemangel verschont.
Um diesem entgegenzuwirken, wird verstärkt in die Ausbildung und Weiterentwicklung der bestehenden Mitarbeiter investiert. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Lehrlingsausbildung. Bisher konnten bereits mehr als 100 Lehrlinge in unterschiedlichen Berufen ausgebildet werden. „Karriere mit Lehre“ wird jeden Tag gelebt. Mehrere Führungskräfte haben bei der Rabmer-Gruppe als Lehrlinge begonnen und durch stetige Weiterbildung Karriere gemacht.

Struktur und Planung verhindern Stress
Nur wer gerne arbeitet, arbeitet auch gut. Zu viel Stress macht krank und beeinflusst die Arbeitsleistung erheblich, das weiß auch Rabmer-Koller. „Wir bieten daher die Möglichkeit zu flexiblen Arbeitszeiten und ermutigen zu genügend Pausen. Wichtig sind auch strukturierte Arbeitsabläufe und gezielte Projektplanungen. Offene Kommunikation und das Angebot von Unterstützung bei persönlichen Herausforderungen sind ebenfalls Teil unserer Firmenphilosophie.“ Und welchen Karrieretipp hat die Unternehmerin für unsere Leserinnen?

„Mein Rat an Frauen, die eine erfolgreiche Karriere anstreben, ist, an sich selbst zu glauben und selbstbewusst sowie voller Leidenschaft ihre Ziele zu verfolgen. Suchen Sie sich Mentoren und Vorbilder, die Sie unterstützen können, und setzen Sie sich klare berufliche Ziele. Seien Sie bereit, Verantwortung zu übernehmen und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Netzwerken Sie aktiv und nutzen Sie Ihre Stärken, um sich in Ihrem Arbeitsumfeld zu behaupten. Denken Sie daran, dass Sie genauso fähig sind wie jeder andere, eine erfolgreiche Karriere aufzubauen.“

Zum Unternehmen

Die Rabmer Gruppe ist ein oberösterreichisches Familienunternehmen in zweiter Generation – 1963 von Josef & Maria Rabmer gegründet und seit 2002 von deren Tochter Ulrike Rabmer-Koller geführt. Die Tätigkeitsbereiche umfassen: Umwelttechnologie, Hoch- und Tiefbau, Altbausanierung, Holzbau & Zimmerei, Malerei & Bodenbeschichtungen, Immobilien, Erdbewegungen & Transporte sowie kommunale Dienstleistungen.

Foto: Rabmer-Gruppe

Noch vor zehn Jahren konnten viele Arbeitgeber aus einem Pool an qualifizierten Kandidaten auswählen. In den letzten Jahren hat sich die Situation stark verändert, weiß die Leiterin der Personalabteilung der MedUni Wien.

 

Wie hat sich der Rekrutierungsprozess in den letzten Jahren verändert?

Vor zehn Jahren waren viele Arbeitgeber:innen in der Situation, dass sie aus einem Pool an qualifizierten Kandidat:innen auswählen konnten. Recruiter:innen konnten sich „austoben“ und mit verschiedenen Auswahlmethoden wie Assessment Center, Case Studies oder mehrstufigen Interview-Prozessen arbeiten.

In den letzten Jahren hat sich diese Situation stark verändert. Heute ist die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber in eine Situation gerückt, wo sie oder er oftmals um eine Handvoll veränderungswilliger Personen werben und mit anderen Unternehmen konkurrieren muss. Die Arbeit im Recruiting hat sich insofern verändert, als heute viel mehr an Strategien gearbeitet wird, wie und wo proaktiv auf die relevante Zielgruppe zugegangen wird, um geeignete Personen anzusprechen.

Welche Methoden nutzen Sie, um die besten Kandidaten für eine Stelle zu finden?

Es gibt nicht die „eine“ Methode. Es hängt ganz davon ab, welche Zielgruppe angesprochen werden soll, für welche Branche gesucht wird und wie die Rolle ausgestaltet ist. Eine offene Stelle für eine:n Social Media Manager:in wird eher in sozialen Medien geschalten, Berufseinsteiger:innen können sehr gut über Kontakte und Empfehlungsprogramme akquiriert werden.

Führungspositionen können nach wie vor in Print-Medien inseriert werden. Ist der Kreis an Personen, die in Frage kommt überschaubar, kann eine Direktansprache zum gewünschten Erfolg führen. Insgesamt sollte auf einen ausgewogenen Mix an verschiedenen Maßnahmen geachtet werden, um den „Recruiting-Funnel“ mit möglichst vielen passenden Kandidat:innen zu füllen. Das schließt ebenso eine positiv besetzte Arbeitgeber:innenmarke, Karriereevents, Hochschulmarketing oder den Außenauftritt in Sozialen Medien mit ein.

Wie und wie oft führen Sie Leistungsbeurteilungen durch?

Insgesamt empfehle ich einmal jährlich einen strukturierten gemeinsamen Blick auf vereinbarte Ziele und Entwicklungsmaßnamen zu werfen. Ein einmal im Jahr geführtes Mitarbeiter:innengespräch ersetzt natürlich nicht das laufende, unmittelbare Feedback zur Zusammenarbeit und Arbeit. In Abhängigkeit von der Position ist es z.B. bei Top-Führungskräften wiederum sinnhaft, einen Zeitraum zu wählen, in dem gesetzte Ziele auch realisiert werden können, oft ist dafür eine Jahresroutine viel zu kurz.

Was sind für Sie Schlüsselstrategien zur Mitarbeiterbindung?

Verschiedene Generationen äußern verschiedene Bedürfnisse im Rahmen des Mitarbeiter:innenlebenszyklus. Besonders Generationen, die jetzt in den Arbeitsmarkt kommen, sind durch flexible Arbeitszeitmodelle, eine sinnhafte Ausrichtung der Stelle, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung, oder eine positive und inklusive Führungskultur motivierbar. An der MedUni Wien arbeiten wir laufend an einer transparenten Kommunikation, bieten attraktive Karrieremodelle und ein internationales Umfeld. Für mich persönlich ist es in meiner Führungsrolle immer wesentlich gewesen, Verständnis für individuelle Situationen von Mitarbeitern aufzubringen und faire Entscheidungen zu treffen.

Welche Rolle spielt die „Unternehmenskultur" bei der Talentbindung?

Seit mehr als 10 Jahren führe ich Austrittsgespräche mit Mitarbeiter:innen, die eine Organisation verlassen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bindung einer Person an ein Unternehmen sehr stark am Team, der Führungskraft, dem unmittelbaren Arbeitsumfeld und der Unternehmenskultur hängt. Der „persönliche Fit“ zum Arbeitsumfeld und zur Unternehmenskultur spielt eine wesentliche Rolle bei der Talentbindung. 

Wie hat die Digitalisierung und KI den HR-Bereich beeinflusst?

In den vergangenen Jahren sind, vor allem im Recruiting, diverse Innovationen auf den Markt gekommen: Chatbots, automatisiertes Screening von Bewerbungsunterlagen, Algorithmen die Inserate im Internet vorschlagen oder die Bewerbung via App werden heiß diskutiert. Oftmals entstehen dadurch wertvolle Entwicklungen z.B. im Bereich Anti-Diskriminierung oder Arbeitgeberattraktivität. Es ist wichtig zu differenzieren, dass nicht jede Innovation zu jeder Organisation passt und der rechtliche Rahmen vor dem Einsatz geklärt werden muss. Zudem ist der persönliche Kontakt im Bewerbungsverfahren unerlässlich, um sich als Arbeitgeber zu präsentieren und ein gutes „Gefühl“ füreinander zu bekommen.

Was sind Ihre besten Praktiken für Stressmanagement am Arbeitsplatz?

Nicht jede Sache ist so wichtig, dass sie am selben Tag erledigt werden muss - Prioritäten setzen und Organisation sind wesentlich. Um im Beruf nachhaltig gute Leistungen erbringen zu können, braucht es auch Zeiten für Ausgleich, wie z.B. beim Sport, in der Natur, mit Familie oder Freunden. Ich persönlich gehe gerne Aktivitäten nach, die mit der unmittelbaren Arbeit gar nichts zu tun haben.

Welche Trends sehen Sie im HR-Bereich?

Aktuelle HR-Trends gehen in Richtung bewusstere Wahrnehmung der Rolle und Verantwortung als Arbeitgeber:in, wie Sinnstiftung und Nachhaltigkeit, Inklusion und Diversität oder Lebensphasenmodelle. Digitalisierung, der Einsatz von KI oder „skill based“ Ansätze, also der Wechsel von starren Jobmodellen hin zu einem flexibleren und Kompetenz-orientieren Einsatz von Arbeitskräften, spielen ebenso eine Rolle. Wiederum gilt, Trends sollten ausgereift genug vor dem Einsatz sein, zur Organisation(skultur) passen und vor allem arbeitsrechtlich gedeckt sein.

Wie gehen Sie mit Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz um? 

Es ist ganz wesentlich eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der der persönliche Umgang professionell und wertschätzend erfolgt. Das ist die Basis für ein gutes Miteinander und fördert die Leistungsfähigkeit. An der MedUni Wien gibt es im Rahmen des internen Seminarprogrammes entsprechende Schulungen für Führungskräfte und Mitarbeiter:innen. Gleichzeitig gibt es Anlaufstellen, an die sich Mitarbeiter:innen in schwierigen Situationen wenden können.

Welchen Rat haben Sie für Frauen, die eine Karriere im HR-Bereich anstreben?

Um als „Trusted Advisor“ in Personalfragen wahrgenommen werden zu können, ist es wesentlich das „Geschäft der Kunden“ - also die Branche, die Organisation, die Besonderheiten und Herausforderungen zu kennen und zu verstehen. Das kann schon seine Zeit dauern. Neben den erforderlichen fachlichen Skills, dem regelmäßigen Blick auf neue Trends im HR-Bereich und der Berücksichtigung von Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt empfehle ich ein starkes „internes“ Netzwerk mit Führungskräften, Leitungsteams und „Peers“ in anderen Abteilungen aufzubauen, um passgenau und nachhaltig beraten und agieren zu können.

Foto: Bild: MedUni Wien / feelimage

Vor dreißg Jahren begann die Karriere der Betriebswirtin und Juristin bei den Wiener Linien. Mit 1. Jänner 22 ist die Leiterin Finanzen und Personal in die Geschäftsführung aufgestiegen.

 

Was ihre Arbeit so besonders macht, erzählt MMag. Petra Hums im ABW-Interview. 

Sie sind seit 1993 bei den Wiener Linien, was schätzen Sie besonders an Ihrer Arbeitgeberin? 

Zum einen schätze ich die Entwicklungsmöglichkeiten und die Weiterbildungsangebote, die es in diesem Unternehmen gibt. Ich schätze aber auch die tollen Projekte, die man hier bearbeiten darf, die Vielfalt der Aufgaben und natürlich die Kolleginnen und Kollegen.

Sie kommen aus dem Finanzbereich und sind jetzt in der Geschäftsführung auch für den Bereich Personal zuständig. Fällt Ihnen diese Kombination schwer?

In meinem Studium an der WU habe ich mich für den Schwerpunkt Personalmanagement entschieden. Zusätzlich bin ich auch Wirtschaftspädagogin und habe mich mit den Themen Bildung und Pädagogik intensiv auseinander gesetzt. Der HR-Bereich ist mir daher nicht fremd. Es hat mich besonders gefreut, diesen Bereich bei den Wiener Linien übernehmen zu dürfen.

Damit schließt sich sogar ein Kreis: Als ich mich auf Jobsuche begeben habe, wäre meine erste Wahl die Personalabteilung gewesen. Da es dort aber keine Stelle gab, bin ich im Finanzbereich gelandet. Jetzt kann ich das machen, was ich eigentlich machen wollte. Auch mein juristisches Wissen, das ich mir während des Studiums angeeignet habe, kommt mir dabei zugute. Es ist in allen Berichen durchaus nützlich.

Seit Ende letzten Jahres sind drei Frauen in der Geschäftsführung der Wiener Linien. Was tut das Unternehmen generell für Mitarbeiterinnen?

Das Thema Frauen ist uns sehr wichtig, es kommt nicht von heute auf morgen, dass wir drei Frauen in der Geschäftsführung  haben. Da steckt lange Arbeit dahinter. Frauenförderung ist bei den Wiener Linien schon seit vielen Jahren ein wesentliches Thema. Durch gemischte Teams wird zum einen das Arbeitsklima besser, zum anderen werden Aufgaben aus mehreren Blickwinkeln betrachtet. Die Gesellschaft, die wir auch im Unternehmen repräsentieren, besteht ja zu über 50 Prozent aus Frauen. Also brauchen wir die Frauen auch im Unternehmen, das ist uns ganz wichtig. Wir haben zahlreiche Talentprogramme und versuchen damit Frauen, die bei uns tätig sind, in ihrer Weiterentwicklung zu fördern.

Zusätzlich bieten wir interessante Arbeitszeiten, etwa Teilzeit- und Gleitzeitmöglichkeiten. Auch für technische Berufe versuchen wir aktiv Frauen zu gewinnen.  Das geht über Kooperationen mit Universitäten und mit HTLs. Mittels Technikerinnen-Stipendien unterstützen wir junge Frauen in technischen Studiengängen mit Mentorinnen und Mentoren der Wiener Linien. Und wir versuchen natürlich sehr stark Frauen für eine Lehre zu begeistern, denn auch in den Werkstätten ist Frauenpower gefragt. Zusätzlich sprechen wir gezielt auch etwas ältere Frauen an, die bereits in einem Beruf tätig sind. Im zweiten Bildungsweg ermöglichen wir ihnen eine zweijährige Ausbildung im Bereich „Angewandter Elektronik“ und beschäftigen sie danach im Unternehmen. Sie sehen, wir tun auf vielen Ebenen etwas, um für Frauen eine attraktive Arbeitgeberin zu sein.

Wie alt sind die Quereinsteigerinnen, die bei den Wiener Linien Karriere machen wollen?

Das geht von 20 bis über 50. Wir haben zum Beispiel eine Nageldesignerin oder eine Bäckerin, die sich für eine Umschulung entschieden haben. Diese Frauen haben einen, für damals klassischen Beruf gewähltund jetzt die Chance, in einem technischen Bereich Karriere zu machen und gut zu verdienen. Wir bilden sie für unseren Betrieb aus. 

Wie hat sich das Recruiting in den letzten Jahren verändert?

Wir haben, wie alle Unternehmen, vor allem in Zeiten der Krise, verstärkt die digitalen Möglichkeiten genutzt. Auch heute bespielen wir gezielt alle Kanäle, die bei jungen Leuten beliebt sind. TicToc, Instagram, Facebook ist eher die Zielgruppe 30+ für uns – wir nutzen die ganze Palette der Social-Media-Auftritte, wir haben Empfehlungsprogramme, digitale Kampagnen, Recruiting-Events, Tage der offenen Werkstätten. Aufgrund der unterschiedlichen Bewerber versuchen wir möglichst zielgruppenspezifisch zu rekrutieren.

Denn es ist ein großer Unterschied, ob ich einen Lehrling, einen Straßenbahnfahrer oder einen Tunnelbauexperten rekrutieren möchte. Daher überlegen wir uns, welche Medien diese Menschen konsumieren und wie wir sie am besten erreichen können. Für Lehrlinge veranstalten wir Schnuppertage, wer sich besonders gut anstellt, bekommt das „goldene Ticket“ und kann sofort bei uns mit der Lehre beginnen. Wir haben ein breites Spektrum und das ist heute auch notwendig. Wir konkurrieren mit vielen anderen Unternehmen am Arbeitsmarkt und müssen daher sichtbar sein.

Wird die  Personalbeschaffung in naher  Zukunft vollständig digital sein wird?

Nein, das glaube ich nicht. Der persönliche Eindruck ist noch immer sehr wichtig, deshalb glaube ich nicht, dass das Recruiting in Zukunft komplett digital sein wird. Man kann vieles digital abwickeln, aber das persönliche Kennenlernen ist immer noch das Um und Auf.

Für immer mehr Mitarbeitende wird die Sinnhaftigkeit der Arbeit zum entscheidenden Kriterium ihrer Lebensplanung. Welche Sinnangebote kommunizieren die Wiener Linien? 

Für uns ist Nachhaltigkeit mehr als nur ein Thema. Wer die Wiener Linien nutzt, leistet bereits einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Steigerung der Lebensqualität in einer umweltbewussten Stadt. Auch intern haben wir uns zum Ziel gesetzt, den CO2-Fußabdruck noch weiter zu reduzieren und forcieren entsprechende Projekte, die sich etwa mit der Rückspeisung von Fahr- und Brems-energie, Photovoltaik oder Geothermie beschäftigen. Wer bei den Wiener Linien arbeitet, leistet einen wesentlichen Beitrag zur Klimawende. Es gibt also nichts Besseres, als bei uns einen Sinn in der Arbeit zu finden.

Welche  Strategien werden zur Mitarbeiterbindung genutzt?

Uns ist es wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Lebensphasen einzugehen. Wir sind eine zertifizierte, familienfreundliche Arbeitgeberin und ein Unternehmen in einer Wachstumsbranche. Wir expandieren, bauen U-Bahn- und Straßenbahnnetze, uns wird es also auch in Zukunft geben. Ein sicherer Arbeitsplatz und pünktliche Bezahlung sind wesentliche Argumente für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gerade dabei sind, sich etwas aufzubauen.

Wie hoch ist der Bedarf an neuen Mitarbeitern bei den Wiener Linien?

Wir suchen im nächsten Jahr rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zwar in allen Bereichen. Ob Fahrerinnen und Fahrer, Technikerinnen und Techniker, Fachkräfte in den Werkstätten und natürlich IT-Fachkräfte. Die Welt ist digital und die IT-Systeme entwickeln sich weiter, deshalb ist der IT-Bereich für die Wiener Linien besonders wichtig. Wir suchen aber auch Buchhalterinnen und Buchhalter.

Stichwort „technische Berufe“ - interessieren sich heute mehr junge Frauen dafür?

Ja, das merkt man, auch bei den Auszubildenden. Wir haben im technischen Bereich knapp ein Viertel weibliche Lehrlinge, die bei uns begonnen haben. Wir bieten den jungen Damen und Herren eine Lehre mit Matura an, also eine sehr gute Ausbildung. Auch im bautechnischen Bereich sind viele Frauen tätig. Was uns besonders freut: In der Bautechnik sind fast die Hälfte aller Führungskräfte weiblich. Wo wir noch ein bisschen schwächeln, ist der Bereich Fahrzeugtechnik. Hier sind aber auch die Absolventinnenzahlen an den Universitäten äußerst gering. 

Bieten die Wiener Linien Unterstützung bei der Weiterbildung?

Natürlich, das ist heute gar keine Frage mehr. Wir fördern alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich weiterbilden wollen. Wir haben zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, die berufsbegleitend ein Bachelor- oder Masterstudium absolvieren. Die Weiterentwicklung bringt auch den Wiener Linien etwas. 

Wie wichtig ist den Wiener Linien die Vielfalt ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Sehr wichtig. Bei uns arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 45 Nationen. Diversity steht für vieles: unterschiedliche Nationen, Religionen, Einstellungen. Es geht um Alt und Jung. Jeder Mitarbeiter ist individuell. Jeder Mitarbeiter ist vielfältig und jeder hat das Recht, hier bei uns in einem bunten Team zu arbeiten und darauf sind wir sehr stolz.

Welche Trends sehen Sie im Personalbereich?

Das Thema New Work ist wesentlich. Mehr Teilzeit ist vor allem für junge Kolleginnen und Kollegen wichtig. Natürlich auch das Thema, mehr von zu Hause aus zu arbeiten. Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Und natürlich geht es ganz stark um sinnstiftende Arbeit und ein gutes Betriebsklima. Und dass der Arbeitgeber auf die Lebensphasen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rücksicht nimmt, beispielsweise wenn Kinder betreut werden müssen. Hier sind flexible Arbeitszeitmodelle gefragt. Homeoffice hat einen entscheidenden Vorteil: Wir erreiche auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen längeren Anfahrtsweg haben.

Die Wiener Linien sorgen zum Teil für Aufsehen, wenn neue Mitarbeiter gesucht werden. Etwa mit der 1.000-Euro-Prämie für Buslenker mit D-Führerschein oder bei Großveranstaltungen. Wie ist die Resonanz? 

Sehr positiv. Auf die Anzeige für den D-Führerschein haben sich mehrere hundert Bewerber gemeldet. Damit waren wir sehr zufrieden und werden solche Aktionen weiterführen.

Am 1. September wurden die neuen Lehrwerkstätten der Wiener Linien eröffnet. Wie viele Jugendliche werden dort ausgebildet?

In der Lehrwerkstatt sind die Lehrlinge des ersten und zweiten Lehrjahres untergebracht, derzeit bilden wir dort 140 Lehrlinge aus. Wir werden die Zahl der Lehrlinge in den nächsten Jahren aber kontinuierlich verdoppeln, sodass wir dann 500 Lehrlinge bis 2027 im Unternehmen haben werden. 

Abschließend: Was zeichnet den Arbeitgeber Wiener Linien aus? 

Unsere Jobs machen Sinn. Wir sind ein tolles, buntes Team, in dem man sich entfalten und bei entsprechendem Engagement viel erreichen kann. 

Foto: Luiza Puiu

Die Physikerin und Lektorin an der FH Technikum Wien hat eine Mission: Sie will die Quantenphysik und -information auch Nicht-Physiker verständlich und greifbar machen.

 

Bitte erklären Sie Laien so einfach wie möglich die Quanteninformationstheorie?

Die Quanteninformationstheorie ist eine Brücke zwischen der Welt winziger Teilchen, die wir in der Quantenphysik sehen und der Welt der Mathematik, Information und Computer. Stellen Sie sich vor, Sie haben sehr, sehr kleine Bausteine – so klein, dass sie sich nach den merkwürdigen und oft überraschenden Regeln der Quantenphysik verhalten. Anstatt diese winzigen Bausteine nur zu studieren, fragen wir: Wie können wir sie nutzen, um Information zu speichern oder zu verarbeiten? 

Wann erwachte Ihr Interesse für Quanteninformation und Quanteninformatik?

Ich habe mich vor allem während meines Bachelor-Studiums in Physik an der Universität Wien mit dem Themengebiet beschäftigt. Obwohl ich mich während meines Masterstudiums und meiner Doktoratsstelle stärker auf die experimentelle Quantenoptik konzentrierte – speziell auf ultrakalte Atome und Bose-Einstein Kondensate – hat die Quanteninformatik mich nie wirklich losgelassen. Das Wiedereintauchen in dieses Gebiet während meiner Lehrtätigkeit an der FH Technikum Wien hat meine Begeisterung erneut entfacht.

Wie unterscheidet sich Quanteninformation von klassischer Information?

Die kleinste Einheit der Quanteninformation ist das Qubit. Ein Qubit kann im Gegensatz zum klassischen Bit nicht nur die Werte 0 oder 1 annehmen, sondern auch in beliebigen Überlagerungszuständen aus 0 und 1 sein.

Ein weiteres Phänomen in der Quanteninformation ist die Verschränkung: Zwei (oder mehrere) Qubits können in einem Zustand verschränkt werden, sodass die Messung des Zustands eines Qubits sofort den Zustand des anderen Qubits bestimmt, egal wie weit sie voneinander entfernt sind. Dies widerspricht unserer intuitiven Vorstellung von der Welt und hat keine Entsprechung in der klassischen Informationstheorie. Dieser Zustand der Verschränkung ermöglicht komplexe Informationsverarbeitungsoperationen und Kommunikation, die in einem klassischen System nicht möglich wären.

Welche aktuellen Anwendungen im Bereich der Quanteninformation gibt es, mit welchen dürfen wir noch rechnen?

Zu den aktuellen Anwendungen gehören vor allem das Quantencomputing und die Quantum Key Distribution (QKD), mit welcher kryptographische Schlüssel mithilfe von Quantensystemen verteilt werden, was ein hohes Maß an Sicherheit gegen Abhörversuche bietet.

Darüber hinaus sind Quantensensoren und -metrologie spannende Anwendungsfelder. Mit ihrer Hilfe können Messungen mit einer Präzision durchgeführt werden, die mit herkömmlichen Methoden unerreichbar ist. Zum Beispiel könnten sie genutzt werden, um sehr feine Umweltveränderungen oder kleinste biologische Prozesse zu detektieren.

Wie kann Quantenkommunikation die Art unserer Datensicherung/-verarbeitung verändern?

Wir wissen seit 1994, dass es einen Quantenalgorithmus gibt (den Shor-Algorithmus), der Primfaktoren großer Zahlen viel effizienter als klassische Computer finden kann. Aktuell verwendete Verschlüsselungsmethoden wie beispielsweise die RSA-Verschlüsselung basieren darauf, dass klassische Supercomputer Rechenzeiten von Jahrtausenden benötigen würden, um die Primfaktoren der verwendeten kryptographischen Schlüssel zu finden und sie damit zu knacken. Schätzungen gehen davon aus, dass es bereits in zehn Jahren Quantencomputer geben könnte, die leistungsstark genug sind, um RSA-verschlüsselte Nachrichten zu entschlüsseln.

Quanten-Key-Distribution (QKD) wäre eine Lösung bzw. ein neues Verschlüsselungsverfahren, für die es (noch) keine Quanten-Algorithmen gibt, die effizient entschlüsseln können.

Welche Forschungsbereiche im Bereich der Quanteninformation sind für Sie besonders spannend?

Für mich sind aktuell vor allem die didaktischen Herausforderungen im Bereich der Quanteninformation faszinierend. Das bedeutet, es geht mir darum, Konzepte der Quantenphysik und -information verständlich und greifbar für Nicht-Physiker*innen zu machen. Das Feld der Quantentechnologien wächst und entwickelt sich rasant und es wird immer wichtiger, dass nicht nur Fachleute, sondern auch die breite Öffentlichkeit, Politiker*innen, Unternehmer*innen und Studierende anderer Disziplinen zumindest grundlegende Konzepte verstehen können. 

Welche gesellschaftlichen Fragen sehen Sie in Bezug auf Quanteninformation?

Die Entwicklung im Bereich der Quanteninformation bringt wichtige gesellschaftliche Fragen mit sich. Die Datensicherheit steht an vorderster Front, da viele aktuelle Verschlüsselungsstandards durch Quantencomputer gefährdet sein könnten. Dabei wird die Frage, wer in der Lage ist, rechtzeitig auf neue Technologien umzusteigen und wer Zugang zu der immensen Rechenleistung von Quantencomputern hat, von zentraler Bedeutung sein. Weiterhin müssen wir überlegen, für welche Anwendungen diese Rechenleistung genutzt wird und wie diese Technologien den Arbeitsmarkt und unsere Bildungssysteme beeinflussen. Schließlich wird auch die Regulierung und ethische Kontrolle von Quantentechnologien zu einer zentralen Debatte führen.

Welche Fähigkeiten und Kenntnisse sind besonders wichtig, um in diesem Gebiet erfolgreich zu sein?

Eine gewisse Affinität zu Mathematik oder Physik ist sicher hilfreich.  

Womit beschäftigen Sie sich besonders gerne, wenn es einmal nicht um Quanteninformation geht?

Zur Zeit vor allem mit meinen Kindern und deren Interessen, also Pokemon, diversen (magischen) Tieren und Fabelwesen, glitzernden Einhörnern, Drachen, Prinzessinnen und Rittern.

Zur Person

  • FH Technikum Wien Juli 2022 - heute 

Lektorin Physik, Schwerpunkt Quanteninformation, Quantencomputing und Quantentechnologien

  • FH Technikum Wien August 2020, 2021, 2022 Lektorin Warmup Kurs MATLAB 
  • FH Technikum Wien SoSe 2021 Lektorin Elektrotechnik Grundlagen (im Rahmen des AMS FIT Programms) 
  • TU Wien Mai 2015-Juni 2021 

Projektassistentin (prae doc) in der Arbeitsgruppe ’Atomphysik und Quantenoptik’ bei Prof. Jörg Schmiedmayer
Laborverantwortliche seit Jänner 2018 

  • TU Wien WiSe 2019/20 

Mentorin für Studierende im ersten Studienjahr im Rahmen des Mentoring Programms der Fakultät für Physik 

  • TU Wien 

Betreuung des HeNe-Laser Experiments im Rahmen des PR Quantenphysik 

  • Universität Wien 

Tutorin an der Fakultät für Physik
zur Vorlesung ’Einführung in die Physikalischen Rechenmethoden’ von Prof. Christoph Dellago (Teil der STEOP) 

  • sprungbrett Wien 2011 - 2013 

FIT (Frauen in die Technik) Referentin: Schulbesuche in Wien, NÖ und Bgld. 

Foto: Thomas Astner

Ein ABW-Interview über Mitarbeitersuche, die Wichtigkeit von Unternehmenskultur und die Kunst, im HR-Bereich erfolgreich zu sein.

 

Wie hat sich der Rekrutierungsprozess in den letzten Jahren verändert?

Der Fachkräftemangel und die Digitalisierung waren wohl die mächtigsten Treiber in den letzten Jahren und haben das Recruiting massiv beeinflusst, sei es beim Tempo aber auch bei der Frage, wer die stärkere Position beim Bewerbungsverfahren innehat – Bewerber oder Unternehmen?

Insgesamt wünsche ich mir zukünftig eine noch stärkere Orientierung von Recruitingverantwortlichen an der „Customer Journey“ wie z.B. im Onlinehandel. Was hier längst Standard ist, nämlich jederzeit und in Echtzeit Zugriff auf den Status meiner Bestellung zu haben, ist bei Bewerbungen leider noch in weiter Ferne. 

Welche Methoden nutzen Sie, um die besten Kandidaten für eine Stelle zu finden?

Wir versuchen ein möglichst breites Spektrum zu bedienen und probieren verschiedene Wege aus, um unsere Zielgruppen zu erreichen: Unser „Werkzeugkasten“ reicht von der klassischen internen Ausschreibung über Online-Stellenanzeigen, Jobvideos, Vermittlungsagenturen bis hin zu Social Media Kampagnen. Auch ungewöhnlichere Aktionen wie Baustellentransparente bei der Renovierung des Theater an der Wien nutzen wir, um auf den „Arbeitsplatz Theater“ aufmerksam zu machen.

Wie und wie oft führen Sie Leistungsbeurteilungen durch?

Bei uns gibt es keine institutionalisierte Form der Leistungsbeurteilung, außer vielleicht im Rahmen des jährlichen Mitarbeitergesprächs, wobei der Fokus auch hier nicht auf einer reinen Beurteilung der Leistung liegt, sondern vielmehr versucht wird, alle Faktoren der (Zusammen-)Arbeit zu beleuchten. 

Was sind die Schlüsselstrategien zur Mitarbeiterbindung?

Ich glaube, Mitarbeiter wünschen sich eine allürenfreie Führungskraft, die menschlich nahbar ist und es versteht, Menschen für ein Thema zu begeistern, abwechslungsreiche Aufgaben, klare Abläufe und Prozesse, ein gut ausgestattetes Arbeitsumfeld, kalkulierbare Arbeitszeiten, freundliche Kollegen und natürlich auch eine faire Bezahlung. Schafft man es zudem, (relevante) Informationen leicht zugänglich zu machen, Entscheidungen transparent zu kommunizieren und Raum für persönliche Weiterentwicklung zu geben, dann hat man als Arbeitgeber wohl schon vieles richtig gemacht.

Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der Talentbindung?

Eine wesentliche! Kann ich mich mit der Kultur des Unternehmens identifizieren, dann bin ich auch viel mehr dazu bereit, meine Leistung und meinen Einsatz für genau dieses Unternehmen zu erbringen oder neue Wege mitzugehen. Wenn rationale Rahmenbedingungen wie Arbeitszeit, Ausstattung oder Entlohnung bei verschiedenen Arbeitgebern vergleichbar sind, dann schafft die Unternehmenskultur die Möglichkeit zur Differenzierung und damit auch zur längerfristigen Bindung.

Wie hat die Digitalisierung und KI den HR-Bereich beeinflusst?

HR-relevante Prozesse werden schneller, einfacher und automatisierter. Informationen können zielgruppengerechter vermittelt werden und Kommunikation und Zusammenarbeit können z.B. ortsunabhängig funktionieren. Persönlich beobachte ich in vielen HR-Bereichen in Zusammenhang mit der Digitalisierung die Tendenz, zunehmend die IT-Systeme in den Mittelpunkt zu stellen. Da wünsche ich mir, den HR-Fokus wieder mehr darauf zu lenken, was Systeme leisten können um die (Zusammen-)Arbeit für die Menschen zu erleichtern und nicht umgekehrt.

Was sind Ihre besten Praktiken für Stressmanagement am Arbeitsplatz?

Nein sagen lernen und klare Prioritäten setzen. Mich persönlich stresst ein übervoller Kalender am meisten. Wenn ich nur mehr von Termin zu Termin hetze, ohne Zeitpuffer für Unvorhergesehenes, dann empfinde ich Stress pur. Daher ist es wichtig, schon vorher zu priorisieren und auch mal Termine zu hinterfragen. Wenn es akut wird, hilft dann allerdings nur noch, tatsächlich Nein zu sagen bzw. zu verschieben – schließlich sind unser aller Ressourcen nicht unendlich. 

Welche Trends sehen Sie im HR-Bereich?

Oberflächlich wird wohl die Digitalisierung weiter voranschreiten und Firmen werden sich noch stärker „herausputzen“, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. 

Richtet man den Blick in die Tiefe, so wird man sich damit auseinandersetzen müssen, dass bei vielen Menschen das Bedürfnis nach Sinn, Selbstbestimmung und Freiheit steigt. Das hat Einfluss auf Arbeitsinhalte, die Gestaltung von Hierarchien, Arbeitsorte oder zeitliche Rahmenbedingungen. Darauf werden wir in Organisationen reagieren müssen, um (weiterhin) erfolgreich zu sein. 

Stichwort Mitarbeitermangel: Sind auch die Vereinigten Bühnen Wien betroffen? Wenn ja, was wird dagegen unternommen?

Die Theaterbranche in Österreich ist eine sehr überschaubare, kleine Welt mit einigen Spezialitäten, was z.B. notwendige Ausbildungen oder aber auch die Arbeitszeiten anbelangt. Das Theater als Arbeitsplatz ist außerhalb dieser Welt oft gar nicht präsent. Da hilft es, mit Social Media Kampagnen und Jobvideos auf sich aufmerksam zu machen. Das klappt auch gut, um Theatermenschen aus Deutschland anzusprechen – dort ist die Theaterlandschaft ja eine wesentlich größere. Um dem Fachkräftemangel längerfristig erfolgreich zu begegnen, investieren wir in die Ausbildung und haben unser Lehrstellenkontingent ab Herbst 2023 massiv erhöht. Wir konnten tolle junge Menschen für eine Lehre bei uns am Theater begeistern und freuen uns schon sehr auf den gemeinsamen Weg.

Welchen Rat haben Sie für Frauen, die eine Karriere im HR-Bereich anstreben?

Ich wurde vor vielen Jahren bei einer Podiumsdiskussion einmal gefragt, was im HR-Bereich wichtiger sei, die Business Excellence oder die HR Excellence. Die Frage irritiert mich noch immer, denn, wenn ich – mit Verlaub – das G’schäft nicht verstehe, dann helfen mir auch keine HR-Tools weiter. Viele erfolgreiche HR-Manager, die ich kenne, kommen nicht ursprünglich aus dem HR-Bereich. Sie reüssieren, weil sie durch ihre Vorerfahrung bereits wissen, wie das Unternehmen funktioniert. Daher ist mein Ratschlag, bitte lernen Sie nicht nur HR, sondern setzen Sie sich auch intensiv mit Betriebswirtschaft, Management, Leadership und Strategie auseinander – und mit der Branche, die Sie begeistert. 

Und falls Sie schon eine HR-Stelle innehaben, dann gehen Sie zwischendurch raus aus Ihrem Büro und arbeiten Sie regelmäßig mit ihren Kollegen mit, die täglich das Kerngeschäft bedienen (z.B. im Einzelhandel an der Kassa). Das schafft viel Verständnis für die Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe. 

Foto: Vereinigte Bühnen Wien

Die Vollblut-Personalerin kann auf mehr als 15 Jahre nationale und internationale HR-Erfahrung zurückblicken. Im ABW-Interview wirft sie einen Blick hinter die Kulissen.

 

„Ich schätze die Zusammenarbeit mit Menschen und die Möglichkeit, sie in Ihrer Entwicklung zu begleiten und damit Unternehmen langfristig und nachhaltig zu unterstützen. Die Vielfalt an Aufgaben wie Talente finden, binden und weiterzuentwickeln, machen es für mich zu einem der spannendsten Bereiche in einem Unternehmen. Es geht immer um Menschen und das heißt, es sind immer Emotionen im Spiel – somit ist kein Tag wie der andere“, beschreibt Marion Eppinger ihre Faszination am HR-Bereich. 

Mitarbeiterbindung ist eine Herausforderung

Derzeit agiere man gerade in einem Bewerbermarkt, das heißt für Unternehmen, sie müssen um Bewerber werben. Da diese meist mehr als ein Stellenangebot vorliegen haben, gilt es für Unternehmen, sich von der Konkurrenz abzuheben und schnell sowie effizient auf Bewerbungen zu reagieren. „Manche Unternehmen haben es sich sogar zum Ziel gesetzt, Einstellungszusagen innerhalb von fünf Werktagen ab Bewerbungseingang zu geben. Das ist sportlich, aber entspricht durchaus der Schnelligkeit des Arbeitsmarktes“, so die HR-Expertin. 

Aktuell ist es laut Brancheninsider für Unternehmen schwieriger, denn je die passenden Mitarbeiter zu finden. Diese dann auch langfristig zu behalten, ist nochmals eine ganz andere Herausforderung. Wie allseits bekannt, bleiben zufriedene und engagierte Arbeitnehmer länger und werden am besten durch offene und klare Kommunikation im Unternehmen erreicht: Mitarbeiter wollen verstehen, wohin das Unternehmen sich entwickelt und welche Erwartungen dadurch an sie gestellt werden. Entwicklungsmöglichkeiten, gelebte Wertschätzung und Anerkennung, bedürfnisorientierte Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung sowie der Arbeitsort tragen maßgeblich zur Zufriedenheit bei.

„Eine Kultur, die Zielerreichung und nicht Anwesenheit misst. Daraus resultierend gelingt es Mitarbeitern ihre Work-Life-Balance besser zu managen und Freizeit, Zeit für Familie, Pflege etc. besser unter einen Hut zu bekommen. Je mehr man Mitarbeiter darin unterstützt, das Leben selbst zu managen, desto eher fühlen sie sich wahrgenommen und bleiben somit länger im Unternehmen. Auch Teamarbeit und positiver sozialer Zusammenhalt sind ein essenzieller Bestandteil der Arbeitskultur und binden Mitarbeiter ans Unternehmen“, sagt Eppinger und betont in diesem Zusammenhang auch die Wichtigkeit einer guten Unternehmenskultur. Denn wer wolle schon in einem Unternehmen arbeiten, in dem die Arbeitsmoral niedrig sei und jeder Arbeitstag große Überwindung koste? Wenn die Kultur die Werte und Ziele eines Unternehmens authentisch widerspiegle, dann sei das motivierend. Wenn Mitarbeiter sich mit dem Unternehmen identifizieren können, dann sei die Wahrscheinlichkeit der Bindung recht hoch. 

Die Digitalisierung ist im HR-Bereich noch nicht angekommen

„Ein Großteil der Betriebe hat noch immer kein digitales HR-Tool und die HR-Leader stecken oft bis zum Hals im Administrations-Wahnsinn“, weiß die Unternehmensberaterin. In Österreich habe man in diesem Bereich noch viel Arbeit vor sich.

„HR-Prozesse wie Vertragsmanagement oder Gehaltsabrechnung sind wichtig und müssen gut funktionieren, aber es wäre essentiell, den HR-Teams moderne Tools zur Verfügung zu stellen, damit ein Fortschritt passiert. Die Digitalisierung und in weiterer Folge auch KI haben ein unglaubliches Potenzial in der HR-Welt, besonders, wenn man an Prozesse oder das Recruiting denkt.“ Zurzeit sei die Nutzung von KI in den Köpfen der Östereicher noch negativ behaftet und die Menschen würden Chat GPT mehrheitlich heimlich still und leise nutzen, um beispielsweise Recruiting-Texte zu verfassen. „Ich sage ganz klar: Da geht noch mehr! Die Haltung zur neuen Welt des Arbeitens muss sich ändern. Aber davor gibt es noch viel zu tun.“ 

Etwa das Auswerten und Nutzen der Daten, die im Unternehmen gesammelt werden. Unternehmen sammeln täglich Millionen von Informationen, die nicht genutzt werden oder leicht abrufbar sind, wie z.B. Demografische Merkmale, Arbeitszeiten, Urlaubsanträge, Krankenstände, Recruitment-Kennzahlen (z.B. Anzahl der Bewerbung – Quantität vs. Qualität) oder auch Fluktuation – daraus könnte man unglaublich viel herauslesen. Diese Informationen würden helfen, bessere Entscheidungen zu treffen.

„Im Moment leben wir in einer Zeit, wo vier Generationen in der Arbeitswelt aufeinander treffen, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Hier auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen und Maßnahmen zu setzen, um ein generationenübergreifendes Management zu ermöglichen, ist eine große Herausforderung“, so Marion Eppinger. Auch Upskilling seien ein essentielles Thema: gewisse Berufe werde es zukünftig nicht mehr geben, aber viele neue werden entstehen. „Um langjährige Mitarbeiter weiterhin halten zu können, werden Weiterentwicklung sowie Umschulungen benötigt. Darauf müssen Unternehmen und Arbeitnehmer vorbereitet sein. Die Globalisierung ermöglicht es uns nun von überall aus zu arbeiten, daher müssen remote Arbeitspraktiken unter klar definierten Rahmenbedingungen ausgebaut und mehr forciert werden.“ 

Gemeinsam mehr erreichen

Und welchen Rat gibt die Expertin Frauen, die eine Karriere im HR-Bereich anstreben? „HR ist weiblich, wir brauchen aber unbedingt Frauen, die das auch nach außen repräsentieren. Wenn man sich als Frau einen Beruf mit viel Gestaltungsmöglichkeiten und eigenem Schaffen wünscht, dann ist man in der HR richtig. Denn mit dem richtigen Selbstbewusstsein kann man hier wirklich etwas bewegen. Aber ich rede hier nichts schön: oft werden wir in Unternehmen noch immer nicht als gleichwertige Business-Partner wahrgenommen. Hier müssen wir Fähigkeiten und Fachwissen aktiv einbringen, uns mehr zutrauen und uns dabei für Chancengleichheit sowie Diversität einsetzen, denn hier besteht eindeutig noch Handlungsbedarf in Österreich. In der aktuellen Arbeitswelt bringt eine Frontkämpferin aber alleine leider noch nicht den gewünschten Fortschritt, den sich alle Beteiligten erhoffen. Meine Empfehlung ist, sich Verbündete zu suchen, mit denen man gemeinsam etwas bewegen kann. Abschließend bleibt zu sagen, dass eine Karriere im HR-Bereich bunt wie ein Regenbogen ist, kein Tag gleicht dem anderen und es gibt viel zu tun sowie den Wunsch nach Veränderung. Aber das schaffen wir nur gemeinsam.“

Zur Person

• 15 Jahre nationale & internationale HR Erfahrung

• Studium Personal Management – University of Huddersfield

• über 10 Jahre Führungserfahrung

• Passion für HR, Menschen und die neue Welt des Arbeitens

• Unternehmensberaterin, Coach & Trainerin

Foto: Stefanie Waldecker/www.macherin.at

Als Vorstandsmitglied und Head of Human Resources bei Takeda Österreich weiß sie, was Mitarbeiter brauchen, um im Job nicht nur Bestleistungen zu bieten, sondern sich auch wohl zu fühlen.

 

Bei Takeda liegt der Fokus im Rekrutierungsprozess auf den Talenten der Bewerber. „Wir sind davon überzeugt, dass so jeder das eigene Potenzial voll ausschöpfen kann. Durch Vielfalt können neue Ideen und Denkweisen entstehen, daher engagieren wir uns seit über einem Jahrzehnt aktiv mit vielfältigen Aktivitäten in den unterschiedlichen Diversity-Dimensionen. Und das auch schon im Recruitingprozess. Beispielsweise durch Kooperationen mit Organisationen wie MyAbility oder Specialisterne beginnt Inklusion von Menschen mit Behinderung schon bei der Talent-Acquisition. Bei Takeda stehen immer Patienten, Mitarbeitende und die Umwelt im Fokus. Vor allem beim Thema Nachhaltigkeit merken wir im Recruiting auch, dass es Bewerbern immer wichtiger wird, dass wir uns mit umfangreichen Projekten und Initiativen für eine nachhaltigere Zukunft engagieren“, sagt Alexandra Hilgers, die betont, wie wichtig es sei, Jobs für Bewerber greifbar zu machen.

Dafür stelle man unter anderem Videos zur Verfügung, um zum Beispiel eine bestimmte Tätigkeit im Reinraum zu zeigen. Für Schulen und Universitäten werden Rundgänge vor Ort angeboten, so in der Produktion und im Labor- oder Technikbereich. Zudem wird der Austausch mit Mitarbeiter gefördert, die natürlich am besten berichten können, wie die Arbeit bei Takeda ist. So können sich Talente schon im Recruitingprozess ein sehr gutes Bild von der Tätigkeit machen und man erkenne auch früher, ob es für beide Seiten passt. 

Feedback fördert Vertrauen

In den Leadership Behaviors bei Takeda sind sogenannte Quality Conversations fest verankert. Jede Führungskraft führt regelmäßig Gespräche mit den eigenen Mitarbeiten. Diese sind wichtig für laufendes Feedback in beide Richtungen und vor allem auch für die Weiterentwicklung – für beide Seiten. „Wir sind davon überzeugt, dass dieser kontinuierliche Austausch essenziell für die Individuen, aber auch für den gesamten Team- und Unternehmenserfolg ist“, so die Vorständin. 

Die Arbeitsatmosphäre bei Takeda ist von dem Ziel geprägt, schwer kranken Menschen moderne Therapien anzubieten, die Leben retten und die Lebensqualität nachhaltig steigern können. Im Vordergrund steht die Versorgung von Patienten mit seltenen und komplexen Erkrankungen, für die keine oder nur wenige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Das ist Arbeiten mit Sinn und motiviert die Mitarbeitenden jeden Tag. 

In einem innovativen Umfeld werden attraktive Arbeitsplätze mit individuellen Entwicklungsmöglichkeiten angeboten. Ein breites Programm an Weiterbildungen und Angeboten, wie zum Beispiel internationale Job Rotations, Mentoring und Netzwerkgruppen, ermöglichen, dass Mitarbeitende ihr Potenzial voll entfalten können. Benefits, wie ein umfassendes Wellbeing-Angebot, ermöglichen eine ausgeglichene Work-Life-Balance. 2023 wurde Takeda in Österreich das vierte Jahr in Folge als „Top Employer“ ausgezeichnet. Seit vielen Jahren gilt Takeda außerdem als zertifiziertes, gesundheitsförderndes und familienfreundliches Unternehmen. Takeda wurde dabei auch für seine herausragende Employee Experience und sein Engagement für Inklusion gewürdigt und ist Vorreiter im Bereich der nachhaltigen und verantwortungsvollen Arzneimittelproduktion.

Werte werden aktiv gelebt

Die Unternehmenskultur sei essenziell für die Suche und Bindung von Talenten, ist Hilgers überzeugt. Wir sind sehr stolz darauf, dass unsere Werte, die wir als Takeda-ismus zusammenfassen, im Unternehmen aktiv gelebt werden. Unsere Werte sind ein klarer Kompass für unser tägliches Handeln, das Patienten in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellt. Nur eine starke, von Werten geprägte Unternehmenskultur kann ein motivierendes Arbeitsumfeld sicherstellen, das den einzelnen Mitarbeitenden Wachstum und Entwicklung ermöglicht. Wir fördern eine Speak-Up Culture und ermutigen alle Kollegen, aktiv mitzuwirken und Ideen, Feedback, Meinungen, Bedenken und Verbesserungsvorschläge zu äußern.“ 

Digitalisierung vereinfacht Recruiting-Prozess

Digitalisierung und KI beeinflusst alle Bereiche eines Unternehmens. Genau wie bei Produktionsprozessen, sind es auch aktuelle Themen für den HR-Bereich. Neben dem großen Potenzial neuer Technologien, müssten aber immer auch die Risiken berücksichtigt werden. Wichtig sei, sich zu trauen, neue Tools in einem sicheren Umfeld auszuprobieren. Konkret für HR und das Recruiting sieht Alexandra Hilgers Potenzial für die laufende Optimierung von Stellenausschreibungen.

„Aufgrund der Tatsache, dass bei Takeda in Österreich die gesamte Wertschöpfungskette an einem Standort abläuft, sind die Tätigkeitsfelder und Karrieremöglichkeiten im Unternehmen sehr vielfältig und wir finden daher auch die besten Talente. Es gibt natürlich Stellen, für die man einfacher geeignete Bewerber findet und jene, wo es schwieriger ist. Bei dem Begriff pharmazeutische Industrie denken viele zum Beispiel an Jobs aus dem Bereich Medizin und Pharmazie und doch sind es vor allem auch Talente mit technischen Ausbildungen, nach denen wir momentan suchen. Dafür schaffen wir Awareness und zeigen, welche vielfältigen Möglichkeiten es bei Takeda gibt.“ 

Personalisierte Entwicklungsprogramme

Vor über 20 Jahren wurde bei Takeda ein umfassendes System zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz implementiert, das bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Unter dem Motto „gesund im Gesundheitsunternehmen“ geht es vor allem auch um das Bewusstsein, dass nicht nur die Gesundheit von Patienten im Vordergrund steht, sondern vor allem auch die eigene.

„Zahlreiche Tipps und Impulse zur Stressbewältigung werden angeboten, die ich ebenfalls sehr gerne nutze, wie z.B. eine Entspannungs-App mit sehr guten Tipps für den Alltag im Büro aber auch für zu Hause“, sagt Alexandra Hilgers. Hinsichtlich künftiger Trends im HR-Bereich ist die Expertin überzeugt, dass personalisierte Schulungen und Entwicklungsprogramme immer wichtiger werden, um die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter zu berücksichtigen und ihre Karrieremöglichkeiten zu steigern. Die Definition und Aneignung der „Skills der Zukunft“ seien ebenfalls essenziell für jede Position und jeden Bereich im Unternehmen, um weiterhin erfolgreich zu bleiben. Ihr abschließender Rat an Frauen, die am HR-Jobs interessiert sind: „Das Wichtigste ist, an sich zu glauben und authentisch zu bleiben. Man sollte wissen, wo man hin möchte und was die Ziele sind. Es geht darum, der eigenen Überzeugung treu zu bleiben und nicht zu versuchen, ein Bild oder die vermeintlichen Erwartungen einer anderen Person zu erfüllen.“

Foto: Takeda/Gregor Schweinester

In Österreich ringen Politiker darum, das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen. Wie das funktionieren könnte, verrät Gabriele Kolar im ABW-Interview.

 

Welche konkreten Schritte werden Sie, in Anbetracht der anhaltenden Enttäuschung vieler Bürgerinnen und Bürger über die politische Arbeit in Österreich, unternehmen, um das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen und die Kommunikation zwischen Politik und Bürgern zu verbessern?

Der Grund damals in die Politik zu gehen, war für mich, die Lebensrealität der Menschen zu verbessern. Und das geht nur, wenn man mit ihnen spricht und zuhört. Politik darf nicht in irgendwelchen Hinterzimmern gemacht werden, es braucht eine Kommunikation auf Augenhöhe. Daher bin ich, wann immer es geht, unterwegs, suche das Gespräch und versuche auch konkrete Lösungen für die Probleme der Menschen zu finden, rasch und unbürokratisch. Und oft gelingt mir das dann auch.

Die politische Stabilität in Österreich hat in den letzten Jahren gelitten. Welche Maßnahmen sehen Sie als notwendig an, um langfristige Stabilität und Zusammenarbeit zwischen den politischen Parteien sicherzustellen?

Ja, in den letzten Jahren hat die Zusammenarbeit zwischen den politischen Parteien sehr gelitten, was angesichts der vielen Korruptionsvorwürfe und gewisser veröffentlichter Chats kein Wunder ist. Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Gräben zwischen den verschiedenen politischen Lagern zu überwinden und uns auf gemeinsame Ziele und Werte zu konzentrieren. Eine konstruktive Zusammenarbeit und ein respektvoller Umgang miteinander sind hierbei von zentraler Bedeutung. Es braucht aber auch mehr Transparenz in den politischen Entscheidungsprozessen. Eine bessere Offenlegung von politischen Finanzierungen und die Stärkung von unabhängigen Kontrollinstanzen sind hierbei wichtige Schritte.

Der soziale Zusammenhalt und das Gefühl von Gemeinschaft sind für viele Menschen in Österreich geschwächt. Wie planen Sie, den sozialen Zusammenhalt zu fördern und die gesellschaftliche Spaltung, die durch politische Polarisierung entstanden ist, zu überwinden?

Der soziale Zusammenhalt ist eine der wichtigsten Säulen einer funktionierenden Gesellschaft. Auch wenn es in den letzten Jahren eine politische Polarisierung gab und das Gefühl des Zusammenhaltes schwächer wurde, möchte ich aber nicht von einer Spaltung sprechen. Corona hat uns allen viel abverlangt und Probleme in unserer Gesellschaft verdeutlicht.Jetzt gilt es aber nach vorne zu schauen. Unsere oberste Priorität muss sein, die wirtschaftliche und soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft zu reduzieren. Es ist wichtig, dass wir allen Bürgerinnen und Bürgern faire Chancen auf Bildung, Arbeitsplätze und soziale Absicherung bieten, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem sozialen Status. 

Alle Menschen in Österreich haben ein Recht auf eine ausreichende Gesundheitsversorgung. Wir bewegen uns in großen Schritten Richtung Zwei-Klassen-Medizin und das merken die Menschen tagtäglich. Seit Jahren setze ich mich daher für genug KassenärztInnen in meiner Region ein, mit Erfolg.  

Insgesamt müssen wir uns aber als Gesellschaft darum bemühen, diejenigen zu unterstützen, die es am meisten brauchen, und sicherstellen, dass alle Menschen fair und gerecht behandelt werden. 

Die Klimakrise stellt eine große Herausforderung für Österreich dar. Wie beabsichtigen Sie, umweltfreundliche und nachhaltige Lösungen zu fördern, um den ökologischen Fußabdruck in Österreich zu verringern und den Klimaschutz-Zielen gerecht zu werden?

Als Umweltsprecherin des steirischen SPÖ-Landtagsklubs ist es mir ein großes Anliegen, die Klimakrise zu bekämpfen und damit die Lebensgrundlage der Steirerinnen und Steirer zu erhalten. Denn im Kern geht es um eine zentrale Herausforderung: Klimaschutz ist kein Selbstzweck, sondern die Grundlage dafür, dass auch in einigen Jahrzehnten noch ein gutes Leben für alle Steirerinnen und Steirer möglich ist. 

Deshalb müssen wir auf mehreren Ebenen gleichzeitig aktiv werden. Unsere Energieversorgung muss auf erneuerbare Quellen – also Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und Geothermie umgestellt werden. Im Großen – mit großen Anlagen, wie im Kleinen auf Häusern, Garagendächern & Co. Gleichzeitig müssen wir insgesamt effizienter mit Energie umgehen, denn jede Kilowattstunde die erst gar nicht produziert werden muss, ist die beste für’s Klima. Das ist eine große Aufgabe, aber in der Steiermark sind wir auf einem guten Weg.

Klimaschutz ist aber auch eine Frage des Geldbörserl und ist unmittelbar mit der sozialen Frage verbunden. Ich möchte hier die „Ich tu’s-Initiative“ des Landes Steiermark ansprechen. Seit 2012 werden Steirerinnen und Steirer dabei unterstützt, effizient Energie zu sparen und auf mögliche Förderungen hingewiesen. So geht Klimapolitik für die Menschen, denn nur gemeinsam schaffen wir die Wende.

Angesichts der wachsenden sozioökonomischen Ungleichheit in Österreich – welche politischen Strategien verfolgen Sie, um die Verteilung von Wohlstand und Chancen fairer zu gestalten und insbesondere benachteiligte Gruppen zu unterstützen?

Es ist kein Geheimnis, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Laut der Nationalbank ist das Vermögen der ÖsterreicherInnen noch ungleicher verteilt als wir bisher dachten. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt bis zu 50 Prozent des gesamten Vermögens. Trotzdem tragen den Großteil der Steuerlast die ArbeitnehmerInnen in unserem Land – das muss sich ändern. Mit einer Vermögenssteuer können wir den Erhalt unserer Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, aber auch unserer sozialen Absicherung gewährleisten. Es ist nur gerecht, wenn jeder seinen Beitrag leistet.

Foto: Wolfgang Spekner

Mit 30. September geht an der Wirtschaftsuniversität Wien eine besondere Ära zu Ende: Edeltraud Hanappi-Egger, die erste Rektorin in der Geschichte der WU, verabschiedet sich.

 

Sie hat die Entwicklungen an der WU in den letzten acht Jahren geprägt, so wurde unter ihrer Führung u.a. eine neue Willkommenskultur für Studierende etabliert, mit uLiKe ein prämiertes Leistungsbewertungskonzept eingeführt, ein englischsprachiges Bachelorstudium eingerichtet, eine Stiftung gegründet sowie der Umgang der WU mit ihrer NS-Vergangenheit untersucht. Aber auch das WU Sommerfest, die Etablierung der European University „ENGAGE.EU“, u.v.m. fiel in ihre Wirkungszeit als Rektorin.

Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit hatte sich die Rektorin zum Ziel gesetzt, eine neue Willkommenskultur an der WU gegenüber Studierender einzuführen. Dazu wurden u.a. Unterstützungsmaßnahmen für Studierende erweitert sowie erstmals spezielle Angebote für jene geschaffen, die die ersten innerhalb ihrer Familie sind, die ein Studium beginnen. Mit WU4You startete Edeltraud Hanappi-Egger ein eigenes Stipendienprogramm, das sich an begabte Schüler*innen aus einkommensschwachen Familien in Österreich richtet. Dafür haben alle Rektoratsmitglieder jedes Jahr die ihnen zustehenden Leistungsprämien gespendet.

Wise Women & uLiKe

Da die Unterrepräsentanz von Frauen in obersten Führungsgremien in Österreich nach wie vor eklatant ist, war es ihr ein großes Anliegen, die Karriereambitionen junger Frauen in der Wirtschaft zu unterstützen und zu fördern. Mit Wise Women of WU hat sie ein Mentoringprogramm ins Leben gerufen, das junge WU-Absolventinnen mit erfolgreichen Managerinnen zusammenbringt und sie auf ihrem Karriereweg begleitet. Die Rektorin ist auch mit dem Vorhaben angetreten, traditionelle Leistungsbewertung z.B. in Berufungsverfahren zu überdenken. Die Rektorin dazu: „Der Fokus in der Auswahl passender Bewerbungen liegt im wissenschaftlichen Bereich eigentlich immer auf dem Forschungsoutput: je mehr publiziert wurde, desto besser. Diese Betrachtungsweise lässt aber unterschiedliche Lebenskontexte außen vor. uLiKe – universitäre Leistungsbewertung im Kontext entwickeln bedeutet, dass wissenschaftliche Leistungen einer Person im Verhältnis zu Faktoren, wie u.a. Teilzeit bzw. Vollbeschäftigung und dem akademischen Alter betrachtet werden“. Das Konzept, das 2016 auch mit dem Diversitas des BMBWF ausgezeichnet wurde, fand bei den 66 Berufungsverfahren, die die Rektorin während ihrer Amtszeit durchgeführt hat, Anwendung. Weil sie darunter 29 Professorinnen berufen hat, stieg auch die Frauenquote innerhalb der Professuren auf 31 %. 

Verbesserung der Betreuungsrelationen

Eine große Herausforderung an der WU ist das Betreuungsverhältnis (Habilitierte pro Studierenden), das zu den schlechtesten in Österreich zählt. Rektorin Hanappi-Egger hat sich stets dafür eingesetzt, dass dieses Verhältnis langfristig verbessert werden muss und konnte in den Verhandlungen mit dem Ministerium immerhin 31 zusätzliche Professuren für die WU erreichen. Das Betreuungsverhältnis hat sich damit von 1:84 auf 1:70 verbessert, wobei der österreichische Schnitt bei ca. 1:37 liegt. „Das ist natürlich eine sehr erfreuliche Entwicklung für die WU, aber der Weg ist noch ein weiter“, so die Rektorin und fügt hinzu: „Die größte Herausforderung als Rektorin oder Rektor einer öffentlichen Universität in Österreich ist sicherlich, dass niemals langfristig geplant werden kann. Alle drei Jahre müssen die Budgets mit dem Ministerium neu verhandelt werden und immer wieder herrscht große Unsicherheit, ob ein Sparprogramm kommt, ein Konsolidierungskurs gefahren werden muss oder es zusätzliche Finanzmittel geben wird. Leider fehlt es seitens der Regierung immer wieder an einem klaren Bekenntnis zu Wissenschaft und Forschung und Investitionen in diese Bereiche. Dabei zeigen internationale Beispiele zur Genüge, wie es gehen könnte“.

Digitalisierungsschwerpunkte an der WU

In der vergangenen Amtsperiode wurden auch wichtige Schritte in Richtung Digitalisierung gesetzt: 2019 wurde ein eigenes Vize-Rektorat für Infrastruktur und Digitalisierung eingerichtet, mit dem Projekt „Transforming Tomorrow“ der Weg der WU in eine digitale Arbeits- und Wirkungsstätte gesetzt. 8 wirtschaftswissenschaftliche Professuren mit Digitalisierungsschwerpunkt wurden besetzt, entsprechende Inhalte in den Bachelor-Programmen sowie das Masterstudium „Digital Economy“ geschaffen. Weitere Meilensteine waren die Einrichtung des ersten englischsprachigen Bachelorprogramms „Business and Economics“, das mittlerweile zu den nachgefragtesten Studien in Österreich zählt und zuletzt die große Reform des deutschsprachige Bachelorstudium „Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“ mit dem neuen Schwerpunkt Wirtschaft-Umwelt-Politik. Außerdem wurde 2022 die WU Foundation ins Leben gerufen und damit ein Instrument geschaffen, das finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, die über die Globalbudgets hinausreichen und die Förderung spezieller Projekte erlaubt.

125 Jahre WU und Auseinandersetzung mit Vergangenheit

Wichtig war es der Rektorin auch, dass sich die WU weiterhin mit den dunklen Flecken ihrer Vergangenheit auseinandersetzt. Nach wertvollen Projekten zur Vertreibung von Hochschulangehörigen während der NS-Zeit und der Provenienzforschung hat sie den Blick auf die Rolle der WU sowie ihrer Vorgängerinstitution während und nach der NS-Zeit erweitert und die Überprüfung von akademischen Ehrungen an historisch belastete Personen angestoßen. Im Rahmen des 125 Jahr-Jubiläums, das die WU 2023 begeht, widmete sich eine Veranstaltung dem Widerruf des Titels des Ehrendoktors an Walther Kastner sowie der Kontextualisierung drei weiterer Ehrendoktorate.

Edeltraud Hanappi-Egger abschließend: „Ich habe in den letzten acht Jahren sehr viele schöne Momente erlebt, wie die Sommerfeste, unterschiedliche Veranstaltungen oder die Suche nach den WU Talents, die mir lange in bester Erinnerung bleiben werden. Es waren auch schwierige Zeiten dabei, vor allem die Jahre während der Pandemie und die Lockdowns, die uns sehr gefordert haben, nicht nur organisatorisch, sondern auch atmosphärisch. Aber die WU, oder besser ihre Angehörigen, haben eine ungeheure Kraft und Energie und leisten Unglaubliches. Das hat mich immer sehr stolz gemacht und beeindruckt“.

Foto: Klaus Vyhnalek

 In Österreich wächst die Enttäuschung vieler Menschen über die politische Arbeit. Sabine Scheffknecht nahm das zum Anlass, politisch tätig zu werden.

 

Der soziale Zusammenhalt und das Gefühl von Gemeinschaft sind für viele Menschen in Österreich geschwächt. Wie planen Sie, den sozialen Zusammenhalt zu fördern und die gesellschaftliche Spaltung, die durch politische Polarisierung entstanden ist, zu überwinden?

Spaltung entsteht dort, wo das Verständnis und die Empathie für andere Sichtweisen abhandengekommen ist. Im Zuhören nimmt man oft wahr, dass auf beiden Seiten Sorgen und Nöte da sind, die ernst genommen werden müssen. Leider findet dieses Zuhören im alten politischen System zu wenig statt, und es werden Dinge bewusst populistisch formuliert, um Macht zu erhalten oder zu stärken. Ich sehe unsere Aufgabe als Politiker:innen der neuen Generation darin, diese spalterischen Tendenzen aufzuzeigen und ihnen kraftvoll  entgegenzutreten. Mit einem offenen Ohr für alle Menschen, dem Bemühen, verbindend tätig zu sein und mit der Demut, unser Bestes für ein gutes Miteinander zu tun.

Die politische Stabilität in Österreich hat in den letzten Jahren gelitten. Welche Maßnahmen sehen Sie als notwendig an, um langfristige Stabilität und Zusammenarbeit zwischen den politischen Parteien sicherzustellen?

Ein respektvoller, ehrlicher und fairer Umgang miteinander ist das Um und Auf. Die politischen Meinungen dürfen, ja müssen dabei durchaus unterschiedlich sein. Schließlich gilt es, die unterschiedlichsten Interessen der Menschen zu berücksichtigen. Diesen echten Diskurs und das Ringen um Lösungen, die möglichst vielen Menschen nutzen und vor allem den Blick auf die nächste Generation richten, würde ich mir verstärkt wünschen.

Welche konkreten Schritte werden Sie, in Anbetracht der anhaltenden Enttäuschung vieler Bürgerinnen und Bürger über die politische Arbeit in Österreich, unternehmen, um das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen und die Kommunikation zwischen Politik und Bürgern zu verbessern?

Genau aus dieser Enttäuschung heraus wurde NEOS vor 10 Jahren gegründet und habe ich mich entschieden, politisch tätig zu werden. Ich bin überzeugt davon, dass das alte politische System des Machterhalts ausgedient hat. Es ist gut, dass in den letzten Jahren immer mehr sichtbar wurde, wo Macht missbraucht und Eigeninteressen in den Vordergrund gestellt wurden. Dieser Enttäuschung - also dem „Ende der Täuschung“ - liegt eine echte Chance inne. Die Chance, dass Menschen in die Politik kommen, die eine andere Art von Politik machen wollen. Ehrlich, respektvoll im Umgang mit allen Menschen und mit dem Wunsch, die Weichen für die Zukunft unserer Kinder richtig zu stellen. Wir setzen uns ein für:

  1. Absolute Transparenz – Wie sagt man so schön: Sonnenlicht ist das beste Desinfektionsmittel! 
  2. Mehr direkte Demokratie – Die Menschen müssen vermehrt in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden.
  3. Lernen mit- und voneinander – Zuhören und von der Expertise vieler Menschen zu lernen, ist ebenso wichtig, wie neue Wege der Vielfalt zu gehen. Lehren wir unser Kinder Kreativität, Offenheit und eigenständiges Denken. 
  4. Selbstreflexion – Wir haben hohe Ansprüche an andere. Werden wir dem selbst auch gerecht? Wir ringen jeden Tag darum, besser zu werden.

Die Klimakrise stellt eine große Herausforderung für Österreich dar. Wie beabsichtigen Sie, umweltfreundliche und nachhaltige Lösungen zu fördern, um den ökologischen Fußabdruck in Österreich zu verringern und den Klimaschutz-Zielen gerecht zu werden? 

Im Klimaschutz gilt, wir können uns das ewige Herumdiskutieren nicht mehr leisten. Es gilt jetzt sofort das richtige zu tun. Kurzfristig mit massiven Investitionen in erneuerbare Energien und – wie ich persönlich finde - Tempo 100 auf den Autobahnen. Aber auch in einem Miteinander von Umwelt und Wirtschaft. Ohne technologische Innovationen wird die Klimawende nicht gelingen. Ohne die ehrliche Bepreisung von Umweltverschmutzung auch nicht. Wir haben bereits vor Jahren ein richtungsweisendes Konzept für eine echte CO2-Steuer vorgelegt. Man muss es nur umsetzen. Gleiches gilt für das Thema Bodenverbrauch. Höher und dichter zu bauen, darf nicht ein Lippenbekenntnis bleiben. Wir brauchen den Erhalt der Grünflächen wie die Luft zum Atmen.

Angesichts der wachsenden sozioökonomischen Ungleichheit in Österreich – welche politischen Strategien verfolgen Sie, um die Verteilung von Wohlstand und Chancen fairer zu gestalten und insbesondere benachteiligte Gruppen zu unterstützen? 

Ein starkes soziales Netz, das Menschen auffängt, die in Not sind, ist für uns ein absolutes Muss. Wir dürfen aber auch die Menschen nicht vergessen, die täglich hart arbeiten, um sich und ihren Kindern ein gutes Leben ermöglichen zu können. Sie haben angesichts der massiven Teuerung Zukunftsängste. Das darf nicht sein. Arbeiten muss sich jedenfalls lohnen. Die Steuern und Abgaben auf Arbeit in Österreich sind viel zu hoch und müssen runter – diese Maßnahmen würden sich vor allem positiv auf die Mittelschicht auswirken, die dringend entlastet gehört. Ein weiterer, wesentlicher Stellhebel ist eine qualitätvolle, kostenfreie und flexible Kinderbetreuung. Nur so kann gewährleistet werden, dass Familien – vor allem die Frauen – eine echte Wahlfreiheit haben und in dem Ausmaß erwerbstätig sein können, wie sie es möchten oder brauchen, um glücklich und gut abgesichert leben zu können.

Foto: NEOS

Soziales Engagement, Respekt und Belohnung von Leistung sieht die Nationalratsabgeordnete als politische Erfolgsrezepte.

 

„Beim Reden kommt man zusammen. Ich bin sehr dankbar für jedes Anliegen der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb bin ich viel in der Steiermark unterwegs, um das persönliche Gespräch zu suchen und auf die Anliegen aller Bürgerinnen und Bürger einzugehen“, lässt Corinna Schwarzenberger kein negatives Wort über die Regierungsarbeit fallen.

Aus Sicht der ÖVP habe man ein sehr gutes Arbeitsverhältnis mit dem Koalitionspartner und bringe sehr viele große Projekte auf den Weg, von denen andere Regierungen immer nur geredet hätten, wie etwa die Abschaffung der kalten Progression. Im Rahmen der parlamentarischen Arbeit sei man stets um eine parteiübergreifende Zusammenarbeit im sachlichen Diskurs mit den anderen Fraktionen bemüht. Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, schlägt der Politiker vor, gemeinnützige Vereine zu fördern und Anreize für soziales Engagement zu schaffen. Eine weitere Idee ist die Anerkennung von ehrenamtlichem Engagement in Vereinen durch die Universitäten. Eine respektvolle und offene Diskussionskultur in der Politik soll helfen, den Zusammenhalt in der Gesellschaft wieder zu stärken.

Umfassendes Klima-Paket

Bei der Bewältigung der Klimakrise setzt die Politik auf ein umfassendes Maßnahmenpaket statt auf ein einzelnes Gesetz. Das geplante Klimaschutzgesetz soll in Kombination mit anderen Initiativen wie der ökosozialen Steuerreform und der „Offensive Saubere Wärme“ dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck Österreichs zu verringern. Abschließend thematisiert Schwarzenberger die wachsende sozioökonomische Ungleichheit und die Notwendigkeit, Chancen gerechter zu verteilen und benachteiligte Gruppen zu unterstützen. Dazu sollen Maßnahmen wie die Abschaffung der Grunderwerbssteuer für das erste Eigenheim oder Erleichterungen bei der Kreditvergabe umgesetzt werden. Darüber hinaus wird die Bedeutung der Leistungsgerechtigkeit betont und bereits umgesetzte Maßnahmen wie die Abschaffung der kalten Progression oder die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer genannt.

Foto: ÖVP

Im ABW-Interview plädiert sie für einen respektvollen Umgang miteinander, persönliche Gespräche mit Bürgern und die stärkere Berücksichtigung von Frauenthemen.

 

Welche konkreten Schritte werden Sie, in Anbetracht der anhaltenden Enttäuschung vieler Bürgerinnen und Bürger über die politische Arbeit in Österreich, unternehmen, um das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen und die Kommunikation zwischen Politik und Bürgern zu verbessern?

Nichts ist wichtiger als das persönliche Gespräch: deshalb ist für mich zentral, viel unterwegs zu sein. Bei Vereinen, Organisationen, Veranstaltungen, im öffentlichen Raum, aber auch digital. Im direkten Austausch kann vieles besprochen, aufgeklärt, aber auch mitgenommen werden. Ich finde es wesentlich, Anregungen von Bürger*innen in meiner Arbeit im Parlament aufzugreifen. Auf viele Problemlagen oder Hindernisse wird man durch konkrete Bürger*innenanliegen und Expert*innengespräche aufmerksam gemacht. Die Themen sind vielfältig. Es werden beispielsweise bürokratische Hürden oder unpraktische Gegebenheiten bei der Auszahlung von Beihilfen angesprochen, wo man wiederum sehr direkt - durch das Einbringen in parlamentarischen Ausschüssen - als Abgeordnete Lösungen herbeiführen kann. Aber auch komplexere Felder, wie Frauengesundheit oder Diskriminierung in der Arbeitswelt werden durch Erlebnisse, Zahlen, Fakten geschildert, die sehr konkret in die parlamentarische Arbeit durch Anträge und andere Initiativen fließen. Mir ist wichtig, Betroffene oder Initiator*innen dabei über Fortschritte regelmäßig am Laufenden zu halten!

Die politische Stabilität in Österreich hat in den letzten Jahren gelitten. Welche Maßnahmen sehen Sie als notwendig an, um langfristige Stabilität und Zusammenarbeit zwischen den politischen Parteien sicherzustellen?

Es muss klar sein, dass Demokratie und Parlamentarismus hohe Güter sind, für die wir uns alle tagtäglich einzusetzen haben. Werkzeuge, die für Transparenz und Aufklärung im politischen Geschehen wichtig sind, wie Anfragen oder Untersuchungsausschüsse, dürfen nicht diskreditiert werden. Es ist unser aller Aufgabe, dass die Politik nicht lächerlich gemacht wird, weshalb Integrität und Seriosität wesentliche Eigenschaften von Politiker*innen sein müssen. Man kann anderer inhaltlicher Meinung sein, unterschiedliche Wege finden, um Unmut auszudrücken, auch die politische Debatte im Parlament darf hart geführt werden und Emotionen sind erlaubt, aber persönliche Übergriffe sind immer auf das Schärfste zurückzuweisen. 

Für mich ist wichtig, Kommunikationskanäle offen zu halten - durch das persönliche Gespräch mit Kolleg*innen, konstruktive Zusammenarbeit bei Themen, wo man Überschneidungen findet. Und: im Umgang miteinander respektvoll zu sein. 

Der soziale Zusammenhalt und das Gefühl von Gemeinschaft sind für viele Menschen in Österreich geschwächt. Wie planen Sie, den sozialen Zusammenhalt zu fördern und die gesellschaftliche Spaltung, die durch politische Polarisierung entstanden ist, zu überwinden?

Themeninitiativen, wo man zusammen etwas angeht, ein gemeinsames Ziel bzw. Vision hat, sowie der persönliche Austausch sind Möglichkeiten zueinanderzufinden. Durch Sensibilisierung und Aufklärung kann Polarisierung überwunden werden. Das passiert beispielsweise in Frauennetzwerken, Jugendorganisationen oder auch in sozialen Initiativen, die ich gerne unterstütze. Dort passiert bereits viel im Dialog und als Politiker*innen tragen wir Verantwortung, den Austausch voranzutreiben. Es ist also unsere Aufgabe, dass wir unterwegs sind, ins Gespräch zu kommen, Ungerechtigkeiten und auch Erreichtes zu kommunizieren - dabei können Gräben zugeschüttet werden, wenn dies notwendig ist.  

Die Klimakrise stellt eine große Herausforderung für Österreich dar. Wie beabsichtigen Sie, umweltfreundliche und nachhaltige Lösungen zu fördern, um den ökologischen Fußabdruck in Österreich zu verringern und den Klimaschutz-Zielen gerecht zu werden?

Ein zentraler Schritt wäre, wenn wir im Österreichischen Parlament endlich ein Klimaschutzgesetz beschließen würden. Die Koalitionsparteien sind sich uneinig, als SPÖ pochen wir seit langer Zeit auf eine Lösung. Die Zeit drängt, denn es ist schon 5 vor 12, wenn wir die Klimawende noch schaffen wollen. Ein zweiter wesentlicher Aspekt ist die klimafitte Gestaltung in der Stadt- und Gemeindepolitik. Hitzeinseln in der Stadt entschärfen, bei baulichen Maßnahmen den Klimaschutz berücksichtigen - damit Bürgerinnen und Bürger sich gerne draußen aufhalten und Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung haben. Das ist insbesondere für Frauen wichtig, denn der öffentliche Raum gehört uns allen. Frauen werden aber öfter bei der Planung von Orts- und Stadtteilen weniger berücksichtig. Das beginnt beispielsweise bei abgeflachten Gehsteigkanten, bis hin zu sicherer Beleuchtung von Wegen. All das sind wichtige Aspekte für Frauen, wo Sicherheit, Wohlfühlen und Klimaschutz Hand in Hand gehen müssen. 

Unumgänglich ist für mich auch die Einführung eines Lieferkettengesetzes - als Konsument*in weiß man oft nicht, wo und wie der Weg eines Produktes aussieht. Ein Lieferkettengesetz fordert von Unternehmen arbeits- und umweltrechtliche Standards ein. Das wäre insbesondere für viele Frauen weltweit, die in den Fabrikhallen der Modeindustrie etwa ausgebeutet werden, ein Fortschritt - für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen. 

Angesichts der wachsenden sozioökonomischen Ungleichheit in Österreich – welche politischen Strategien verfolgen Sie, um die Verteilung von Wohlstand und Chancen fairer zu gestalten und insbesondere benachteiligte Gruppen zu unterstützen?

Vermögen und Chancen sind in Österreich sehr ungleich verteilt. Das muss nicht so bleiben: mit einer Erbschaftssteuer auf Vermögen ab 1 Million Euro wäre schon vieles im Bereich der Umverteilung geschafft und das Haus der Großeltern bleibt dennoch unangetastet. 

Statt Almosen und Einmalzahlungen durch die derzeitige Regierung braucht es dringend armutsfeste Maßnahmen und Rechtsansprüche. Mit einem gerechteren Steuersystem könnten wir viele wichtige Dinge finanzieren: eine Unterhaltsgarantie oder Kindergrundsicherung, um insbesondere Alleinerzieherinnen und Kinder aus der Armut zu holen. Denn Armut ist weiblich, wie viele Erhebungen zeigen und mehr als jede 5. Kind ist in Österreich von Armut betroffen oder bedroht. Eine Schande für eines der reichsten Länder der Welt!

Bildung muss auch wieder kostenlos zur Verfügung stehen, denn aktuell fallen entlang eines Bildungsweges viele Kosten an. Das beginnt bei den Bastelbeiträgen in der Kinderbildungseinrichtung und zieht sich bis zu den Studiengebühren an vielen Hochschulen. Bildung darf nicht vom Börserl der Eltern abhängig sein, sondern ist ein Recht von Kindern und jungen Menschen. 

Foto: Melissa Mumic

Warum die Krisenjahre nicht nur Schattenseiten hatten und wie die nahe Zukunft der Kommunikation mittels KI aussehen könnte, erzählt die Unternehmenssprecherin der Styria Media Group im ABW-Interview. 

 

Seit vier Jahren sind Sie Unternehmenssprecherin der Styria Media Group. Seit 2020 folgte ein Krisenjahr dem nächsten. Wie hat sich das auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Wo soll man da anfangen! Es hat sich unglaublich viel getan. Das fängt bei den technologischen Tools und neuen Kommunikations(platt)formen an - wir sind gerade dabei, ein neues Social Intranet zu launchen - und hört bei der klassischen Krisenkommunikation, die in diesen Ausnahmesituationen nicht wirklich greifen konnte, noch lange nicht auf. Wir haben gelernt, noch spontaner zu agieren, viele Entscheidungen schnell zu treffen, absolut auf den Punkt zu sein - thematisch und zeitlich.

Das sind Fähigkeiten, die wir in dieser Kürze, Intensität und Wirksamkeit in keinem Kommunikationstraining hätten lernen können. Dafür bin ich sehr dankbar. Dazu kommt, dass wir vor knapp zwei Jahren einen weiteren, sehr umfassenden Prozess gestartet haben, der natürlich auch die Kommunikation in und für die Styria Media Group prägt und unser Themenspektrum noch vielfältiger macht: Corporate Social Responsibility.

Welche Haltung hat die Styria Media Group betreffs des Einsatzes von KI?
Unsere internen KI-Experten sind davon überzeugt, dass KI im Marketing sehr gut als Assistent eingesetzt werden kann, z.B. Chat GPT beim Brainstorming, um nur ein Beispiel zu nennen. Grundsätzlich müssen wir natürlich abwägen, wie KI (oder das, was wir dafür halten) unsere Arbeit sinnvoll ergänzen kann, wo sie unsere Prozesse verkürzen oder uns Arbeitsschritte abnehmen kann.

Ich gehe davon aus, dass sich hier in nächster Zeit noch viel tun wird. Sicher ist, dass die Möglichkeiten uns dazu bringen werden, unsere Arbeitsweise zu hinterfragen. Daraus das Richtige zu finden und abzuwägen, auch das rechtlich Zulässige, das moralisch Vertretbare und das, was unseren Botschaften und ihrer Verbreitung dient - das ist Chance und Risiko zugleich. Wir müssen sorgfältig entscheiden und immer wieder evaluieren.

Sind bei der Styria Media Group schon KI-Systeme im Einsatz?  
Auf den ersten Blick möchte man sagen: Ja, in mehreren Bereichen, denn die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. In unseren digitalen Marktplätzen wird Machine Learning schon länger eingesetzt, zum Beispiel zur Unterstützung der Suchfunktion. Unsere Anzeigen- und Lesermärkte nutzen KI, um Datenquellen zu verarbeiten oder auszuwerten. Nützlich ist sie - wie erwähnt - als mögliche Inspirationsquelle im Marketing oder für Social Media, aber auch in den Newsrooms als Unterstützung bei der Recherche. Ebenso kann Künstliche Intelligenz interne Prozesse unterstützen, etwa im IT-Bereich. Bei genauerem Hinsehen ist jedoch nicht alles per Definition KI, was man gemeinhin dafür hält. Oft sind es Automatisierungsprozesse, die streng genommen nicht als KI gelten.

Mit welchen KI-Werkzeugen haben Sie bereits gearbeitet? 
Die ersten Anwendungen, die ich als KI gesehen habe, waren automatisierte Übersetzungen, wenn es schnell gehen muss. Aber ich gebe gerne zu, dass ich hier Übersetzer aus Fleisch und Blut bevorzuge, denen ich unsere „Verbal Identity“ oder unser Wording vermitteln kann - damit sie es auch in anderen Sprachen anwenden können und wir unverwechselbar bleiben. Denn genau das macht eine konsequente und erfolgreiche Markenführung aus.

Foto: Winona Pilat

Um das Vertrauen in die politische Arbeit zu verbessern, setzt Irene Neumann-Hartberger auf den Dialog und das Vermitteln von grundlegendem Wissen über demokratische Prinzipien. 

 

Durch den direkten Kontakt mit den Menschen und ein offenes Ohr für ihre Anliegen sollen Kompromisse und gemeinsame Entscheidungen besser verstanden werden, wünscht sich Irene Neumann-Hartberger und betont, dass es wichtig sei, das Bewusstsein für die Wahlentscheidungen der Bevölkerung zu schärfen. Die derzeitige Regierung scheint auf einem guten Weg zu sein, die gesamte Legislaturperiode durchzuhalten.

Sozialer Zusammenhalt und gesellschaftliche Spaltung

Um den sozialen Zusammenhalt in Österreich zu fördern und die gesellschaftliche Spaltung durch politische Polarisierung zu überwinden, sei es notwendig, den Bürgern zu erklären, dass in einer Demokratie nicht jede politische Entscheidung für jeden richtig sein kann. Durch vielfältige Maßnahmen und ein breites Spektrum an Unterstützungsangeboten profitiere aber jeder auf die eine oder andere Weise, so die Abgeordnete, der es ein Anliegen ist, die Verteilung von Wohlstand und Chancen gerechter zu gestalten und insbesondere benachteiligte Gruppen zu unterstützen.

Der Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung und zum Arbeitsmarkt sowie die Förderung von Leistung seien wichtige Komponenten, um gleiche Chancen für alle zu schaffen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird als zentrale Herausforderung gesehen. Klare Vorstellungen hat die Politikerin auch in Bezug auf Klimamaßnahmen: Umweltfreundliche und nachhaltige Lösungen werden durch verschiedene Maßnahmen wie die Förderung energieautarker Bauernhöfe, das Erneuerbare-Energien-Gesetz oder die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Großküchen gefördert. Aber auch die Bevölkerung müsse ihre Verantwortung erkennen und sich der Konsequenzen ihrer Konsumentscheidungen und Lebensgewohnheiten bewusst werden.

 

Foto: Parlamentsdirektion/Photo Simonis

Sie geht auf die Menschen zu und es ist ihr wichtig, das Vertrauen in demokratiepolitische Prozesse zu erneuern und zu definieren.

 

Bitte beschreiben Sie uns Ihre politische Arbeitsweise?

Besonders wichtig ist mir der ständige Austausch mit den Menschen, um zu erfahren, welche Wünsche und Sorgen sie haben und wo ihre Probleme liegen. Ich will mich ernsthaft bemühen, den Menschen konkret zu helfen und immer mein Bestes zu geben, auch wenn die Lösung vielleicht nicht immer dem gewünschten Ergebnis entspricht. Aus diesen Rückmeldungen und Informationen sollen dann gesellschaftspolitische Maßnahmen abgeleitet und demokratiepolitische Prozesse und Entscheidungen entwickelt werden.

In den vielen Gesprächen und Diskussionen, die ich führen darf, mache ich immer wieder bewusst, dass unterschiedliche Wahrnehmungen und Meinungen sein dürfen und ihre Berechtigung haben. Diskussionen darüber sind auf einer wertschätzenden Basis erwünscht und Meinungen dürfen auch geändert werden, basieren auf Grundlagen, die sich oft ändern oder auf zusätzlichen Erkenntnissen, die man sich in der Folge oft noch aneignet.

Was ist zu tun, um die Chancengleichheit zu verbessern?

Unsere Politik darf nicht weiter zu einer „Bittsteller-Situation“ führen, nicht die wirtschaftlich Schwachen müssen bekämpft werden, sondern die Armut an sich. Dazu braucht es mehr Verteilungsgerechtigkeit, insbesondere bei Vermögen und Einkommen. Vor allem Bildung darf nicht vom Elternhaus und vom Geburtsort abhängen. Wir brauchen in Österreich dringend eine Vermögenssteuer und eine Wertschöpfungsabgabe und dafür trete ich ein.

Wie kann die Zusammenarbeit zwischen den Parteien verbessert werden?

Es ist wichtig, das Vertrauen in unsere demokratischen politischen Prozesse wiederherzustellen und zu definieren. Eine Art ethnischer Rat, dem Mitglieder aller politischen Parteien, der Medien und der Bürger angehören, könnte hier Abhilfe schaffen. Dieser könnte Parameter für die Zusammenarbeit festlegen und deren Einhaltung laufend überprüfen und weiterentwickeln. Ich selbst bemühe mich um einen respektvollen und sachlichen Umgang mit den Kollegen der eigenen Partei und der Konkurrenz.

Ihr Ansatz zum Thema Klimakrise?

Das Thema Klimakrise betrifft uns in vielen Lebensbereichen und ist eine Querschnittsmaterie, die ich grundsätzlich in meine Entscheidungen und Diskussionen einbeziehe und in den Mittelpunkt meiner täglichen Arbeit stelle. Klima-, Umwelt- und Artenschutz sowie Nachhaltigkeit und ressourcenschonender Umgang sind Aufgaben für jeden Einzelnen, wobei Umfang und Form sehr unterschiedlich sein können und im Rahmen der individuellen Möglichkeiten liegen müssen. Wir Erwachsene tragen Verantwortung dafür, dass wir unseren Kindern und Jugendlichen, aber auch allen anderen Menschen eine lebenswerte Welt hinterlassen, jeden Tag und in jedem Augenblick.

Foto: Mec Greenie