Anna Maria Reich-Kellnhofer leitet die Kommunikationsarbeit, das Marketing, den Werbeauftritt sowie das Veranstaltungsmanagement der Wiener Linien. Im ABW-Interview verrät sie, wie Markenführung heute funktioniert.
Wie gelingt es heute, in einer zunehmend fragmentierten Medienlandschaft das Vertrauen in eine Marke langfristig zu stärken? Welche Bedeutung haben dabei Werte wie Nachhaltigkeit, Transparenz und Authentizität?
Bei den Wiener Linien profitieren wir davon, dass unsere Marke auf klaren Werten basiert. Werte, die wir in unserer Kommunikation aktiv leben. Das zeigt sich in Kampagnen wie „Wir sind alle gleich da“, in unseren Klimaschutzbotschaften unter dem Motto „Öffis nützen, Klima schützen“ oder in der Kommunikation schwieriger Themen wie Baustellen („Netz erst recht!“). Gerade in einer Zeit, in der Polarisierung zunimmt und geopolitische Themen an Aufschwung gewinnen, setzen wir bewusst auf Transparenz, Haltung und eine klare Sprache. Oft mit einer Prise Mut und Humor. So werden die Wiener Linien emotional erlebbar und das Vertrauen in unsere Marke wird langfristig gestärkt. So wird #ÖffiLiebe nicht nur kommuniziert, sondern auch spürbar.
„Wichtig ist, nicht perfekt sein zu wollen, sondern flexibel und menschlich zu bleiben.“
Wie verändert der Einsatz von KI die Marketing- und Kommunikationsarbeit bei den Wiener Linien? Wo sehen Sie die größten Chancen?
Künstliche Intelligenz verändert unsere Arbeitswelt grundlegend. Einerseits hilft sie uns, tägliche operative Aufgaben wie Medienspiegel, Lageberichte, Zusammenfassungen oder Analysen schneller und effizienter zu erledigen. Andererseits kann KI ein täglicher Sparringpartner für Ideen, Konzepte und Inhalte sein.
So gewinnen wir Zeit für das, was wirklich zählt: strategisches Denken, kreative Ideen und ganzheitliche Kommunikation.
Besonders spannend ist, dass wir mit KI nicht nur bestehende Prozesse optimieren, sondern auch völlig neue Use Cases generieren können, beispielsweise für Feedbackanalysen oder die zielgruppenspezifische Content-Entwicklung. Daraus leiten wir neue Workflows ab, die unsere gesamte Content Journey effizienter und wirkungsvoller machen. Der Mensch bleibt dabei im Zentrum: KI unterstützt uns dabei, klüger zu arbeiten – nicht, uns zu ersetzen.
Marken werden immer öfter an ihrem gesellschaftlichen Engagement gemessen. Wo verläuft für Sie die Grenze zwischen glaubwürdigem Purpose und bloßem „Purpose Washing“?
Das ist tatsächlich eine Gratwanderung, die wir sehr ernst nehmen. Glaubwürdiger Purpose beginnt für uns intern. Was wir nach außen versprechen, muss auch nach innen gelebt werden. Unsere Kampagne „Meine Schicht“ ist ein gutes Beispiel dafür. Sie wird von Kolleginnen und Kollegen geschätzt, weil sie die Realität im Fahrdienst mit all ihren Herausforderungen ehrlich zeigt. Wenn Diskrepanzen auftreten, reden wir sie nicht schön, sondern benennen sie offen und arbeiten an Lösungen. Kommunikation darf und soll auch unbequem sein. Sie ist unser „Frühwarnsystem“. Dort, wo wir Reibung spüren, liegt oft Veränderungspotenzial. Transparenz ist unser wichtigstes Werkzeug gegen Purpose-Washing.
Welche Formate und Kanäle sind aus Ihrer Sicht am effektivsten, um die Zielgruppen der Wiener Linien zu erreichen? Wie gelingt es, in der Content-Flut von Social Media & Co noch echte Relevanz zu erzeugen?
Für uns entsteht Relevanz durch Fokussierung: Wir machen nicht alles für alle, sondern konzentrieren uns auf Themen, die für unsere beste Fahrgemeinschaft wirklich von Bedeutung sind. Dabei unterstützt uns ein starkes Kommunikationsteam mit echtem Themen- und Channel-Know-how. Ob Social Media, Presseaussendung, Newsletter, Out-of-Home-Werbung, Radio, Plakat oder Event: Wir denken Inhalte ganzheitlich, setzen auf Storytelling und aktivieren unsere Communities gezielt. Und wir bleiben mutig. Denn manchmal braucht es auch Reibung, um sichtbar zu bleiben.
„Glaubwürdiger Purpose beginnt für uns intern. Was wir nach außen versprechen, muss auch nach innen gelebt werden.“
Welche Besonderheiten sehen Sie bei der Ansprache weiblicher Kundinnen der Wiener Linien?
Frauen nutzen die Öffis intensiver als Männer. Das macht sie zu einer besonders relevanten Zielgruppe für uns. Dennoch differenzieren wir nicht isoliert nach Geschlecht. Unser Anspruch lautet: Jeder soll sich bei uns sicher und wohlfühlen. Dafür setzen wir auf Werte wie „Vielfalt und Diversity“. Unsere Haltung bringt es auf den Punkt: „Wir sind alle gleich da“ – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Lebensstil. Wichtig ist: Wir gehen respektvoll miteinander um – und ja, ein gültiges Ticket gehört auch dazu.
Sie leiten die Kommunikationsarbeit, das Marketing, den Werbeauftritt und das Veranstaltungsmanagement der Wiener Linien – wie gelingt es Ihnen, Beruf und Familie zu vereinbaren?
Das frage ich mich ehrlich gesagt auch manchmal (lacht). Aber ich habe Glück, denn die Wiener Linien schaffen gute Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das ist nicht selbstverständlich. Mein Mann ist ein echter „Partner in Family“, der viel mitträgt und übernimmt. Und ich habe ein tolles Team, das mitzieht, mitdenkt und auch dann da ist, wenn es eng wird. Aber klar, es ist ein Balanceakt. Manchmal segeln wir auch hart am Wind. Wichtig ist, nicht perfekt sein zu wollen, sondern flexibel und menschlich zu bleiben.
Welche Tipps haben Sie für Frauen, die in der Kommunikationsbranche Karriere machen wollen?
Mein wichtigster Rat ist: Hör auf dein Bauchgefühl! Lass dich nicht von zu vielen Tipps von außen beeinflussen. Gerade in der Kommunikationsbranche ist Intuition oft der beste Kompass. Wenn sich ein Weg richtig anfühlt, dann ist er es meistens auch. Trau dich außerdem, deine Meinung zu sagen, auch wenn sie unbequem ist. Haltung ist kein Luxus, sondern ein Karrierefaktor.
Foto: Wiener Linien/Wöhrer