Zwischen regulatorischem Umfeld und digitaler Disruption zeigt Mag. Karin Kafesie, wie moderne Führung in der Versicherungsbranche funktioniert. Als Leiterin des Bereichs CO³ treibt sie den unternehmensweiten Kulturwandel massgeblich voran.
Von außen betrachtet ist die Versicherungswelt ein Bollwerk der Stabilität: geregelte Märkte, langfristige Verträge, konservative Risikokultur. Doch hinter dieser Fassade vollzieht sich in vielen Häusern ein Kulturwandel. Einer der spannendsten Schauplätze dieses Umbaus liegt derzeit im Zentrum von Wien.
Dort steuert Karin Kafesie für die Vienna Insurance Group (VIG) als Head of Communication, Internal Cooperation & Collaboration – kurz CO³ – einen tiefgreifenden Transformationsprozess. Ihr Ziel: den Austausch innerhalb einer föderalen Gruppe von 50 Gesellschaften in 30 Ländern zu vertiefen und ein lernendes System zu schaffen. Im Kern geht es um einen systematischen Wissenstransfer: erfolgreiche Innovationen sowie neue Produkt- und Servicelösungen sollen gruppenweit geteilt werden. Kafesies Prinzip lautet: „Wir bieten an, wir zwingen nicht auf.“ Damit schafft sie den schmalen Grat zwischen Integration und Autonomie.
Partizipation als Führungsprinzip
Karin Kafesies Führungsstil ist partizipativ. „Nur wer den Kontext kennt, kann seinen Beitrag richtig einordnen“, sagt sie. Diese Kontextualisierung ist entscheidend in einem multikulturellen Umfeld, das von Litauen bis Albanien reicht. Besonders hilfreich sind dabei die sogenannten CO³ Ambassadors: freiwillige, von den lokalen Versicherungen nominierte Multiplikatoren, die den Know-how Austausch für ihre jeweilige Gesellschaft orchestrieren. „Wir sind keine Konzernzentrale, die diktiert, sondern ein Netzwerk von Experten, die voneinander lernen.“ Der Erfolg zeigt sich bereits: Was man anfänglich unter dem Kürzel CO³ schwer greifen konnte, wir heute aktiv nachgefragt. „Der Austausch hat sich etabliert“, freut sich Kafesie.
„Es geht darum, mit CO³ über die Jahre einen Mindset-Wandel zu etablieren. Der Prozess trägt bereits jetzt erste Früchte.“
Erfahrung in zwei Welten
Geboren im Waldviertel, begann Karin Kafesies Weg in die internationale Finanzwelt schon früh. Mit 17 zog sie nach Wien, um Betriebswirtschaft zu studieren. Ursprünglich hatte sie mit dem Gedanken gespielt, Journalistin zu werden – ihre Liebe zu Sprache und Storytelling prägt bis heute ihren Kommunikationsstil.
Nach dem Studium folgte der Einstieg in die Versicherungsbranche. Stationen bei Zurich International und der Wiener Städtischen brachten sie schnell in verantwortungsvolle Führungspositionen. Dabei stand sie anfangs nicht nur fachlichen Herausforderungen gegenüber: „Vor 20 Jahren musste ich mich als junge Frau in einem Raum mit vorwiegend männlichen und deutlich älteren Marketingleitern behaupten. Authentizität und akribische Vorbereitung waren dabei immer entscheidend.“
Besonders prägend war der Aufbau des Corporate Start-ups ‚viesure‘, dessen Geschäftsführung Kafesie fünf Jahre in einer Doppelfunktion mit der Marketingleitung der Wiener Städtischen innehatte. Sie und ihr Team skalierte das Unternehmen von null auf 50 Mitarbeitende. Das Besondere: ‚viesure‘ vereinte digitale Talente ohne Versicherungshintergrund mit den Fachexperten der Muttergesellschaft – ein gelungener Brückenschlag zwischen jungen Tech-Experten und dem Versicherungsunternehmen.
KI, Kommunikation und die Grenzen der Automatisierung
Technologie begleitet Kafesie täglich, doch sie bleibt realistisch. Auch hinsichtlich KI. Diese kann zwar Standardmeldungen schreiben, Übersetzungen liefern und Daten aufbereiten – doch strategische Kommunikation, sagt sie, sei mehr. „Es braucht immer noch Menschen, die Gespür für Botschaften und ihre Wirkung haben.“ Genau deshalb sieht sie soziale Intelligenz als zentrale Zukunftskompetenz. Fachliche Exzellenz sei Grundvoraussetzung. Entscheidend werde aber sein, Komplexität zu strukturieren, sensibel auf unterschiedliche Kulturen zu reagieren und tragfähige Netzwerke zu knüpfen.
LinkedIn als Strategieplattform
Dass Kommunikation in der internationalen Versicherungsgruppe längst auch über Plattformen wie LinkedIn läuft, ist für Kafesie selbstverständlich. Der Content wird gezielt gesteuert, um sowohl die interne als auch externe Vernetzung der Gruppe zu stärken. Die VIG rangiert bei Interaktion und Reichweite mittlerweile unter den führenden ATX-Unternehmen.
„Wir stehen noch am Anfang eines neuen Mindsets, das auf Transparenz und einer gemeinsamen Lernkultur basiert“, betont Kafesie.“ Gerade in einem dynamischen, aber auch zunehmend komplexen internationalen Versicherungsmarkt werden genau diese Fähigkeiten über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen entscheiden. Und sie werden bestimmen, wie attraktiv Versicherungsunternehmen künftig für junge Talente sein werden. Der kulturelle Wandel, den CO³ stärkt, wird die VIG auf Jahre hinaus prägen. Nicht durch revolutionäre Disruption – sondern durch leise, aber konsequente Evolution.
Der private Kompass
Trotz länderübergreifender Verantwortung steht für Karin Kafesie ihre Familie im Mittelpunkt. Sie lebt mit ihrem Mann, der ebenfalls aus dem Waldviertel stammt, und ihrem Sohn, der gerade die Junior High School abgeschlossen hat, in Wien. Den Begriff Work-Life-Balance sieht sie kritisch: „‚Work‘ neben ‚Life‘ zu stellen, halte ich für falsch, weil der Job Teil des Lebens ist. Ich habe es immer als großes Privileg verstanden, mein Kind und spannende Jobs zu vereinbaren. Auch wenn es nicht leicht ist.“ Ihre freie Zeit verbringt sie am liebsten an der Nordsee, auf Sylt. Ich liebe das raue Klima, den Strand und die vielfältigen Farben – die Insel ist für mich Kraftort.
Foto: Marlene Fröhlich/luxlumen.com