Karin Seywald-Czihak, ÖBB: "Marketing ist niemals alltäglich oder langweilig. Was gibt es Schöneres!"

Sie ist für die Inhouse-Agentur und die Vermarktung von ÖBB Werbeflächen im öffentlichen Raum verantwortlich. Ein ABW-Interview mit Geschäftsführerin Karin Seywald-Czihak.

 

Hat sich das Werbeverhalten der Kunden in Corona-Zeiten verändert? 

Ja, Corona hat deutliche Spuren am Werbemarkt hinterlassen. Die Unternehmen sind zurückhaltender und abwartender geworden, die Buchungen erfolgen bis heute sehr kurzfristig und spontan. Es ist ein Phänomen dieser Zeit, dass man die Entwicklungen nicht absehen kann und deshalb sehr vorsichtig ist mit Buchungen und Werbeberechnungen. 

Welche Werbeformen sind bei den Kunden besonders beliebt?

Sehr beliebt sind die digitalen Werbeformen der ÖBB, weil wir hier entsprechend flexibel sind. DOOH-Werbung ist eines der beliebtesten Produkte der Kunden geworden. 

2020 sollten die neuen „interaktiven“ 75 Zoll Stelen angepriesen werden – dann kam Corona. Wie war das Feedback der Werbewirtschaft? 

Wir haben den österreichweiten Ausbau 2020 erfolgreich abgeschlossen, sind aber noch dabei, interessante Einzelstandorte im Westen Österreichs zu erkunden, konkret planen wir den Ausbau in Jenbach, Lienz und Feldkirch. Momentan bieten wir an den 77 größten Bahnhöfen Österreichs ein digitales Werbenetz an. Es handelt sich dabei um ein äußerst attraktives Produkt, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat.

Unser DOOH-Netz wird entsprechend gerne gebucht. Bei den digitalen Außenwerbescreens haben wir auch im letzten, herausfordernden Jahr ein Wachstum verzeichnen können, denn viele Kunden sind von analogen zu digitalen Werbeformen gewechselt. 

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den externen Kreativteams seit der Umstellung auf Inhouse Produktionen entwickelt? Wie wichtig ist der kreative Input von außen?

Es ist sehr wichtig, den kreativen Input von außen zu bekommen. Wir haben mittlerweile auch ein hervorragendes internes Kreativteam mit viel Markennähe, aber für unsere großen Kampagnen setzen wir weiterhin auf unsere externen Kreativpartner. Es geht dabei vor allem um das „Out of the box-Denken“, nur so ist es möglich, mit dem nötigen Abstand von außen an die Aufgabenstellungen herangehen zu können. 

Gibt es zwischen der ÖBB Werbung und den anderen Außenwerbungsanbietern Schnittstellen? 

Wir arbeiten sehr partnerschaftlich mit anderen Unternehmen zusammen. Dabei versuchen wir Synergien bestmöglich zu nutzen. Unsere Partnerschaft mit Goldbach ist ein gutes Beispiel dafür. Gemeinsam mit dem Screen-Vermarkter bringen wir programmatische Werbung in den öffentlichen Raum. Seit Ende des Vorjahres können alle 101 digitalen Bildschirmsysteme der ÖBB Werbung auf den größten heimischen Bahnhöfen programmatisch gebucht werden. Kunden ist es nun möglich, Werbespots in genau definierten Zeitfenstern ausspielen zu lassen, um die Zielgruppe optimal zu erreichen. 

Gibt es, was die Vermarktung von Werbung betrifft, bei den ÖBB mittlerweile auch regionale Vertriebsbüros? 

Grundsätzlich arbeiten wir auch mit regionalen Anbietern zusammen, um die Produkte direkt vor Ort beim Kunden anbieten zu können. Wir haben in den letzten Jahren vermehrt Vertriebspartnerschaften mit Agenturen in den Bundesländern gestartet und nützen deren Kompetenz, damit erschließen sich auch für uns indirekt neue Kundenschichten. Der Großteil aller Werbeaktivitäten wird aber nach wie vor von der Wiener Zentrale aus gesteuert.

Wo liegen dieses Jahr die Schwerpunkte als Werbeflächenvermarkter und als Inhouse Agentur? 

Solange die Pandemie nicht vorbei ist, werden wir weiterhin auf Sicht fahren. Auch 2021 ist ein herausfordernderes Jahr. Wir nutzen die Zeit, um unsere Produkte und Prozesse in der Phase der Neuausrichtung der Werbung weiter zu optimieren. 

Ende 2020 wurden Sie von der IAA als Marketerin des Jahres? Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung? 

Ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut und bin sehr stolz darauf. Außerdem war es das 25-jährige Jubiläum dieser Auszeichnung, also eine doppelte Ehre für mich. Gerechnet habe ich nicht damit, denn die Konkurrenz war sehr groß. 

Was macht für Sie die Faszination des Marketings aus? 

Ich liebe die Abwechslung und die unterschiedlichen Aufgabenstellungen. Marketing ist niemals alltäglich oder langweilig. Was gibt es Schöneres. 

Sind Sie derzeit im Homeoffice oder im Büro? 

Da gibt es ganz klare Regelungen: Wenn es nicht unbedingt erforderlich ist, dann ist die ganze Mannschaft im Homeoffice. Ich bin einmal in der Woche im Büro. Gewisse Dinge kann ich einfach nicht von zuhause aus erledigen. Aber sonst funktioniert das sehr gut. 

War die Umstellung auf Homeoffice für Sie schwer?

Es war anfangs ungewohnt, denn wir wurden von der analogen in die digitale Welt hineingestoßen. Zum Glück hat es sehr rasch gut funktioniert. Mittlerweile sind wir alle schon Profis, wie wahrscheinlich die meisten Menschen, die im Homeoffice arbeiten müssen. Wichtig ist, sich genaue Grenzen zu setzen und Privates von Beruflichem zu trennen. Sonst kann man nicht abschalten und die Belastung wird zu groß. Als Mutter von zwei mittlerweile erwachsenen Töchtern habe ich schon zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn im Homeoffice gearbeitet. Trotzdem ist es eine große Herausforderung, Kinder und Job zu managen. Ich ziehe meinen Hut, denn Frauen leisten in dieser schwierigen Zeit Außerordentliches. 

Die Doppelbelastung ist für Sie also kein Thema mehr. 

Nein, nicht wirklich. Meine jüngere Tochter wohnt noch bei mir, als Studentin hat sie derzeit auch kein einfaches Leben. Die sozialen Kontakt, die sehr wichtig sind, sind kaum vorhanden, da ist Motivation zuweilen nötig. Als Mama habe ich für ihre Wünsche und Sorgen natürlich immer ein offenes Ohr.

Welche Lehren haben Sie aus der Corona-Krise gezogen? 

Die sozialen Kontakte haben einen viel höheren Stellenwert bekommen. Grundsätzlich denke ich auch, dass in jeder Krise eine Chance steckt und wir daran wachsen können. Die Wichtigkeit der Digitalisierung während der Pandemie ist vielen Menschen noch bewusster geworden und auch der Umstand, dass wir Regionalität – trotz Globalisierung – stärker unterstützen müssen.  

Stellen sie sich vor, Corona ist morgen plötzlich vorbei  und kein Thema mehr– was würden Sie sofort tun?

Einen Urlaub buchen und zum Wirt ums Eck gehen. Aber das ist ja jetzt bald wieder möglich.

Foto: ÖBB/Wegscheider


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