Dr. Michaela Schneider, Managing Partnerin des Beratungsunternehmens zeb Austria, im Austrian Business Woman-Interview.
Laut Ihrer aktuellen Analyse sind nur 14 Prozent der Vorstandsmitglieder in österreichischen Banken weiblich. Was muss sich Ihrer Meinung nach konkret verändern, damit mehr Frauen den Sprung in diese Führungspositionen schaffen?
Das liegt zum einen an ungünstigen Rahmenbedingungen und zum anderen an fehlenden Maßnahmen von Seiten der Unternehmen. Um die Vereinbarkeit von Karriere und Familie zu fördern, braucht es z.B. flexible Arbeitsmodelle wie Jobsharing auf Vorstandsebene, Führung in Teilzeit oder ein erweiterter Ausbau der Kinderbetreuungsangebote.
In den Unternehmen fehlt es zum Teil an klaren Aufstiegskriterien und gezielten Förderprogrammen für weibliche Talente. Mentoring und Sponsorship durch Top-Führungskräfte sind ebenso von entscheidender Bedeutung. Für eine wirklich nachhaltige Veränderung müssen die Diversitätsziele in der Unternehmensstrategie verankert und verbindliche Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit gesetzt werden sowie ein klares Bekenntnis des Top-Managements vorliegen. Nur so können traditionelle Unternehmenskulturen aufgebrochen und langfristig von vielfältigeren und leistungsfähigeren Führungsebenen profitiert werden.
Unternehmen mit klar definierten Diversitätszielen weisen bereits jetzt signifikant höhere Frauenanteile in Führungspositionen auf. Banken, die heute handeln, sichern sich morgen den Zugang zu einer breiteren und vielfältigeren Führungsebene. Ein Investment, das sich auszahlt.
„Es braucht einen Kulturwandel in der Finanzbranche. Diversität in Führungsetagen ist kein Selbstzweck, sondern ein echter Wettbewerbsvorteil.“
Sie sprechen davon, dass Diversität kein Selbstzweck, sondern ein echter Wettbewerbsvorteil ist. Welche konkreten Geschäftsvorteile entstehen durch einen höheren Frauenanteil in den Entscheidungsebenen von Banken und Finanzinstituten?
Studien zeigen, dass divers zusammengesetzte Führungsteams langfristig profitabler sind. Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil in der Führung erzielen oft eine gesteigerte Eigenkapitalrendite und höhere Innovationskraft.
Frauen treffen weltweit etwa 80 Prozent der finanziellen Entscheidungen in Haushalten. Ein diverseres Management ermöglicht es, die Bedürfnisse weiblicher Kunden besser zu verstehen und maßgeschneiderte Finanzprodukte zu entwickeln. Gemischte Teams neigen zudem zu einer ausgewogeneren Risikobewertung und treffen fundiertere Entscheidungen – ein Aspekt, der sich besonders im Bankensektor positiv auswirkt.
Darüber hinaus ist es ein Wettbewerbsvorteil: Banken mit hoher Diversität ziehen mehr Talente an und können die besten Fachkräfte langfristig binden. Auch Regulierungsbehörden und Investoren achten zunehmend auf ESG-Kriterien, einschließlich Diversität. Unternehmen, die klare Strategien zur Förderung von Frauen umsetzen, erfüllen gesellschaftliche Erwartungen und verbessern gleichzeitig ihre Marktstellung.
Dr. Michaela Schneider zu einer aktuellen Analyse, die klar zeigt: Der Frauenanteil in Top-Positionen – auch in der Finanzbranche – ist noch immer viel zu niedrig.
Ein Kulturwandel in der Branche ist dringend notwendig – welche Hürden erleben Frauen in der Praxis am häufigsten auf ihrem Weg nach oben und wie lassen sich diese Hürden rasch abbauen?
Ja, ein Kulturwandel in der Financial-Services-Branche ist unerlässlich, um Frauen den Weg in Führungspositionen zu erleichtern. Immer noch gibt es Vorurteile gegen Frauen in Führungspositionen und männerdominierte Netzwerke erschweren den Zugang zu entscheidenden Karriereschritten.
Schulungen, transparente Beförderungskriterien und gezielte Mentoring- und Sponsoring-Programmen können dazu beitragen, diese Bias zu reduzieren und Hürden abzubauen. Auch die Förderung von Frauennetzwerken sowie die gezielte Nominierung von Frauen für Schlüsselprojekte sind essenziell. Familienbedingte Auszeiten oder Teilzeitmodelle dürfen nicht zu Karriereeinbußen führen.
Flexible Arbeitsmodelle, transparente Nachfolgeplanung und die Anerkennung alternativer Karrierewege sind hier gefragt. Es braucht zudem mehr Sichtbarkeit weiblicher Role Models, die Orientierung auf dem eigenen Karriereweg geben.
„Wir brauchen deutlich mehr Frauen in Entscheidungspositionen von Banken und Finanzinstituten."
Gerade im Top-Management gibt es laut Ihrer Studie zu wenige Frauen. Wie wichtig sind Mentoring-Programme und Netzwerke, um weibliche Führungskräfte zu fördern und wo sehen Sie im Bankensektor den größten Aufholbedarf?
Sehr wichtig – gerade, weil Frauen in Top-Management-Positionen weiterhin unterrepräsentiert sind. Durch gezielte Kompetenzentwicklung und strategische Positionierung unterstützen sie Frauen dabei, Führungsverantwortung zu übernehmen.
Mentoring schafft Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und bereitet gezielt auf Führungsaufgaben vor. Es hilft, Karrierewege klarer zu definieren und fördert den Austausch mit erfahrenen Führungspersönlichkeiten. All das trägt dazu bei, dass Frauen selbstbewusst und gut vorbereitet in höhere Positionen aufsteigen können.
Eine diversere Führungsebene erfordert ein Umdenken in Bezug auf klassische Karrierepfade und Führungsstile. Diversität in Führungsetagen ist kein Selbstzweck, sondern ein echter Wettbewerbsvorteil. Viele Banken verfügen aber über keine systematischen Programme zur Förderung weiblicher Talente.
Oft mangelt es an konkreten Maßnahmen und klaren Zielvorgaben, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Die Vereinbarkeit von Karriere und Familie bleibt eine zentrale Herausforderung – hier ist mehr Flexibilität seitens der Unternehmen gefragt.
Ihre Analyse zeigt, dass Männer ihr Finanzwissen oft höher einschätzen als Frauen, obwohl das Interesse beidseitig ausgeprägt ist. Wie lässt sich das Selbstvertrauen von Frauen bei Finanzthemen stärken, etwa durch nationale Finanzbildungsstrategien oder andere Initiativen?
Studien zeigen, dass finanzielle Bildung bereits in der Schulzeit entscheidend ist, um langfristige Unsicherheiten im Umgang mit Geld zu reduzieren. Initiativen wie die OECD-Strategie für Finanzbildung sowie nationale Programme in Deutschland und Österreich setzen hier an, um frühzeitig Wissen zu vermitteln.
Untersuchungen belegen, dass inspirierende Vorbilder eine wichtige Rolle spielen: durch sie sind Frauen eher bereit, sich mit Finanzthemen auseinanderzusetzen. Netzwerke, wie Female Finance Networks oder Initiativen wie Frauen & Finanzen, fördern gezielt den Austausch und schaffen Räume für finanzielle Weiterbildung. Dies zeigt neue Möglichkeiten der finanziellen Unabhängigkeit auf.
Das unterschiedliche Investitionsverhalten von Frauen und Männern verlangt auch unterschiedliche Ansätze: Unsere Analysen zeigen, dass Frauen tendenziell sicherheitsorientierter investieren und eine langfristige Planung bevorzugen. Sie reagieren auf andere Anlagestrategien als Männer und legen mehr Wert auf Stabilität.
Deshalb sollten Finanzinstitute verstärkt auf zielgruppenspezifische Beratung und Bildungsangebote setzen, um mögliche Hemmschwellen abzubauen. Digitale Plattformen, wie Finanzblogs, Webinare und spezialisierte Apps wie Ellevest oder FinMarie, ermöglichen ein selbstbestimmtes Lernen und genau das stärkt laut Forschung das Vertrauen in eigene finanzielle Entscheidungen. Durch flexible und zugängliche Lernformate können Frauen in ihrem eigenen Tempo Finanzwissen aufbauen und sicher agieren.
„Die Förderung von Frauennetzwerken sowie die gezielte Nominierung von Frauen für Schlüsselprojekte sind essenziell.“
Die Studie verdeutlicht, dass Frauen stärker auf Sparbücher setzen und weniger in Aktien oder Fonds investieren. Welche Gründe sehen Sie dafür und welche Schritte könnten Banken unternehmen, um Frauen für risikoreichere, aber potenziell rentablere Finanzprodukte zu sensibilisieren?
Frauen tendieren dazu, finanzielle Risiken kritischer zu bewerten, was eine stärkere Präferenz für sichere Anlageformen erklärt. Ihre Zurückhaltung bei volatilen Anlageprodukten spiegelt sich häufig darin wider, dass Finanzprodukte und -beratungen nicht ausreichend auf ihre spezifischen Bedürfnisse und Präferenzen zugeschnitten sind.
Soziale und strukturelle Gegebenheiten spielen bei Investmententscheidungen eine große Rolle. Frauen verdienen im Durchschnitt weniger, haben öfter unterbrochene Erwerbsbiografien und tragen überproportional die finanzielle Verantwortung für die Familie. Diese Rahmenbedingungen begünstigen eine sicherheitsorientierte Anlagestrategie.
Eine personalisierte und verständliche Kommunikation, die sich an den individuellen Finanzzielen von Frauen orientiert, kann ihre Investitionsentscheidungen positiv beeinflussen. Flexible, einfach verständliche Einstiegslösungen, wie nachhaltige ETFs oder thematische Investmentfonds, können Frauen schrittweise an den Kapitalmarkt heranführen. Erfolgreiche weibliche Investorinnen als Role Models können helfen, Vorbehalte abzubauen.
Sie fordern eine nachhaltige Finanzbildung schon ab der Volksschule. Was können Banken sonst noch tun, um frühzeitig Mädchen und junge Frauen für Finanz- und Wirtschaftsthemen zu begeistern?
Besonders für Mädchen und junge Frauen ist es entscheidend, finanzielle Kompetenz zu entwickeln, um langfristig wirtschaftlich selbstbestimmt handeln zu können. Um diese finanzielle Kompetenz zu fördern, braucht es frühzeitig altersgerechte Schulprogramme in Kooperation mit Bildungseinrichtungen. Der Ausbau von Partnerschaften mit Schulen und Hochschulen spielt eine zentrale Rolle.
Interaktive Lernplattformen, Apps und Planspiele, die Themen wie Finanzen und Wirtschaft aufgreifen, eignen sich dafür besonders. Dazu gehören auch spezielle Finanz-Workshops und Mentoring-Programme für Mädchen oder Wirtschaftskurse und Finanzclubs für Schülerinnen sowie die Organisation von Praktikumsprogrammen und Schnuppertagen in Banken mit Fokus auf Finanzthemen.
Natürlich sollte Finanzbildung auch in die Schul- und Universitätscurricula integriert werden. Banken sollten verstärkt Erfolgsgeschichten von Frauen in der Finanzwelt kommunizieren und Netzwerke schaffen, die für junge Frauen attraktiv sind. Notwendig sind zudem speziell auf junge Anlegerinnen zugeschnittene Investmentprodukte. Diese sollten niedrige Einstiegsbarrieren bieten und transparent erklärt werden. Banken haben hier eine entscheidende Verantwortung und können maßgeblich mitgestalten.
Sie sprechen von einem langfristigen Prozess. Wie optimistisch sind Sie, dass wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen signifikanten Anstieg an Frauen in den Führungsetagen der Finanzbranche sehen werden?
Die Prognose ist verhalten optimistisch. Regulatorische Vorgaben, unternehmensinterne Diversitätsstrategien und der gesellschaftliche Wandel ebnen den Weg für mehr weibliche Führungskräfte. Dennoch gibt es Herausforderungen, die den Fortschritt verlangsamen könnten. Tief verwurzelte Netzwerke und traditionelle Strukturen stellen jedoch weiterhin Hürden dar.
Frauen werden nach wie vor weniger aktiv für Spitzenpositionen vorgeschlagen. Während Frauen im mittleren Management vermehrt vertreten sind, bleibt der Aufstieg in die obersten Führungsebenen eine Herausforderung.
Aber schauen wir auf die ermutigenden Tendenzen: Die EU-Gleichstellungsrichtlinien sowie gesetzliche Quotenregelungen in vielen Ländern schaffen Anreize für Banken und Finanzdienstleister, Frauen verstärkt in Führungspositionen zu bringen.
Darüber hinaus wird Diversität zunehmend als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor anerkannt, was Unternehmen motiviert, gezielte Fördermaßnahmen umzusetzen. Was es braucht, sind verbindliche Zielvorgaben, gezielte Karriereförderung und ein nachhaltiger Kulturwandel. So kann eine positive Entwicklung beschleunigt werden.
Foto: zeb