Patricia Kasandziev, Digitalisierungsexpertin der RLB NÖ-Wien, über Strategien und Zukunftsvisionen

Ein ABW-Gespräch mit der Bereichsleiterin Digitalisierung, Produkte & Prozesse bei der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien.

 

Bitte beschreiben Sie uns kurz Ihren Tätigkeitsbereich.

Ich leite den Bereich „Digitalisierung Produkte & Prozesse“ der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien und habe außerdem die Verantwortung für Digitale Plattformen in der Raiffeisen Bankengruppe Österreich. In meinem Bereich vereinen wir das Produkt- und Prozessmanagement für alle Kanäle und Geschäftsbereiche, den digitalen Vertrieb, das Service Center, die Steuerung von Großprojekten zur Umsetzung der Omnikanalvertriebsstrategie speziell für das Privatkundengeschäft und vieles mehr. 

Mag. Patricia Kasandziev, Bereichsleiterin Digitalisierung, Produkte & Prozesse bei der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien


Welche Digitalisierungsstrategie hat die RLB NÖ-Wien? Welche zukünftige Ausrichtung wird anvisiert?
Eine Omnikanalstrategie, d
enn bei uns entscheidet der Kunde, wie er sein Bankgeschäft macht: persönlich, telefonisch, per Video und/oder digital. Dabei soll in erster Linie das Finanzleben des Kunden so einfach wie möglich gestaltet werden. Deshalb ist es uns wichtig, alle Kanäle – E-Mail, Telefon, Video, unser Online Banking „Mein ELBA“ oder eben den persönlichen Kontakt – miteinander vernetzt anzubieten. Kern unserer Strategie ist es, dass jeder Kunde Top-Qualität und Top-Service erlebt, egal auf welchem Weg er uns kontaktiert.

Nehmen wir an, Sie beginnen Ihr Bankgeschäft zu Hause auf dem Sofa im Internet, entscheiden sich aber dann dafür, doch lieber Ihren Bankberater in Ihrer Stammfiliale aufzusuchen. Dann wird in Zukunft Ihr Berater dort fortsetzen, wo Sie am Abend davor aufgehört haben, damit es für Sie als Kunde so unkompliziert wie möglich ist. Wir sind auf einem sehr guten Weg, dem Kunden diese attraktive Customer Journey anzubieten.

Wie vereinbaren Sie in Ihrem Bereich Kundenwünsche/Marktanforderungen und Unternehmensstrategie?
Wir analysieren das Marktgeschehen und leiten davon – in Bezug auf den Retailbereich und in Zusammenarbeit mit den Fachexperten der Raiffeisen Bankengruppe Österreich – unsere Strategie ab. Um auf Marktanforderungen schnell reagieren zu können, ist unser Bereich flexibel, dynamisch und agil aufgestellt. Somit können wir rasch auf die Wünsche unserer Kunden eingehen, denn daran orientiert sich natürlich unsere Strategie.

Die Weiterentwicklung und Gestaltung von Digitalisierungsprozessen erfordert ein gesamtheitliches Denken über alle Bereichs- und Abteilungsgrenzen hinaus – wie gut ist die diesbezügliche Interaktion der Mitarbeiter?

Erstaunlich gut. Gerade jetzt, in der Corona-Zeit, hat sich gezeigt, dass wir nicht nur bei unseren externen, sondern auch bei unseren internen Digitalisierungsprozessen, sehr fortgeschritten sind. Wir arbeiten agil in bereichs- und abteilungsübergreifenden Teams.

Die digitale Transformation ist – verstärkt durch die Corona-Krise – für viele Unternehmen zu einem „Überlebensthema“ geworden. Wann hat die RLB NÖ-Wien ihre Digitalisierungsoffensive gestartet?

Electronic Banking wurde 1988 gestartet, ELBA-Internet 1997. Für unsere Kunden war unser digitales Angebot – also auch schon vor der Corona-Krise – etwas Selbstverständliches. Aber natürlich hat die Corona-Krise den digitalen Angeboten nochmal einen Schub versetzt und die Akzeptanz beim Kunden erhöht. 

Die Omnikanalstrategie der Raiffeisenbank beinhaltet auch das Bankstellen-Geschäft – wie attraktiv ist dieses noch in digitalen Zeiten?

Es ist nach wie vor attraktiv. Raiffeisen Wien investiert gerade signifikant in die Modernisierung der Filialen in der Bundeshauptstadt. Denn nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die Regionalität, gewinnt in vielen Bereichen zunehmend an Relevanz. Die Corona-Krise hat beide Trends sicher verstärkt. Als größte Regionalbank in der Bundeshauptstadt geht Raiffeisen Wien als „neue Stadtbank“ in die Offensive – mit einem optimalen Mix aus persönlicher Betreuung und digitalem Angebot. Die Digitalisierung spielt im Rahmen der Kundenberatung eine immer größere Rolle, aber auch die Filialen schaffen den Raum dafür.

Welche digitalen Angebote werden von Kunden besonders gut angenommen, welche Neuheiten gibt es?

Wir haben gerade einige Self-Service-Funktionen integriert, zum Beispiel können unsere Kunden nun ihre Kundendaten ändern, abgegebene Einverständniserklärungen verwalten und Debitkarten selbst verwalten. Weiters können Bestandskunden nun online einen Zugang zu unserem Online Banking „Mein ELBA“ oder eine Kreditstundung beantragen. Hier werden weitere Angebote folgen, denn diese Self-Services sind bisher alle besonders gut angenommen worden. 

Neu ist auch die digitale Vermögensverwaltung WILL, die über unsere Webseite für Neukunden bzw. über unser Online Banking „Mein ELBA“ für Bestandskunden einfach und schnell abgeschlossen werden kann. Dabei kann aus vier

Portfolios gewählt werden, die ausschließlich mit nachhaltigen Investments gemanagt werden. Die volle Transparenz über die Umschichtungen und die Performance-Entwicklung bietet eine eigene App. 

Wie weit fortgeschritten ist die Digitalisierung der Kundenschnittstelle? Gibt es für Firmenkunden auch eine vollautomatische Abwicklung diverser Finanzprozesse?

Wir erweitern gerade den Funktionsumfang und arbeiten an einem neuen Portal für Firmenkunden, das perspektivisch unser etabliertes ELBA Business ablösen wird. Firmenkunden werden beispielsweise jederzeit Zahlungsverkehrsbelege, Wertpapierbelege und Verträge abrufen können. Zudem wird an der Digitalisierung der Formulare gearbeitet, um Aufträge elektronisch zu übermitteln und digital zu signieren. Die Mehrwertleistungen werden bereits mit ausgewählten Kunden, die uns übrigens bereits sehr positives Feedback gegeben haben, pilotiert.

Wie gut funktionierten die digitalen Arbeitsabläufe der RLB NÖ-Wien Mitarbeiter während des Corona-Lockdowns?

Der Geschäftsbetrieb war zu jedem Zeitpunkt sichergestellt, unsere Services waren in vollem Ausmaß verfügbar. Wir haben aber auch sehr schnell gehandelt: In unserem Bereich konnten wir sogar noch vor dem offiziellen Lockdown der Regierung die Mitarbeiter auf Teleworking umstellen. Das war vor allem deshalb möglich, da wir uns frühzeitig darum gekümmert haben, dass der Großteil der Mitarbeiter in der Raiffeisenlandesbank und in der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien mit remotefähigen Geräten ausgestattet ist, um im Teleworking zu arbeiten. Auch unser Service Center konnte vollständig auf Teleworking umgestellt werden. Der Lockdown hat gezeigt, dass sich die Investitionen in unsere digitalen Arbeitsabläufe gelohnt haben.

In welchen Digitalbereichen sehen Sie künftig die größten Entwicklungsmöglichkeiten?

Im Bereich des Online Banking und der App, denn dort werden viele Menschen, vor allem junge, also die sogenannten „Digital Natives“, einen Großteil ihrer Bankgeschäfte erledigen. Es gibt viele Szenarien wie das Bankgeschäft der Zukunft sein wird, wir schauen uns z.B. auch den Wandel zum Ökosystem an, Entwicklungen im Mobile Payments Bereich und vieles mehr, wirklich spannende Zukunftsszenarien. Wir sind auf jeden Fall bereit auf geänderte Bedürfnisse einzugehen und unseren Kunden die gewohnte Top-Qualität und das Top-Service weiterhin zu bieten – egal, in welchen Bereichen das sein wird. Klar ist, das Thema Digitalisierung erlaubt es nicht, sich auf Erreichtem auszuruhen, wir müssen uns mit den Kundenbedürfnissen weiterentwickeln.  

Foto: Eva Kelety


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