Der Tourismus boomt, doch die Mitarbeiter fehlen. Was tun? Ein ABW-Gespräch mit Susanne Kraus-Winkler

Der Tourismus boomt, doch die Mitarbeiter fehlen. Was tun? Austrian Business Woman sprach darüber mit HOTREC-Präsidentin Mag. Susanne Kraus-Winkler.

 

Viele Nächtigungen, zu wenig Personal – wo sehen Sie die Ursachen des Fachkräftemangels im Tourismus?

Der derzeit weltweite Fachkräftemangel hat viele unterschiedlichste Ursachen. Wie Sie schon sagen, der Tourismus wächst rasant und dies weltweit, manchmal zwar mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, aber es werden dennoch immer mehr Hotels gebaut und Restaurants, Bars und Cafes eröffnet bzw. neue Destinationen entwickelt. Alleine damit steigt der Bedarf an Mitarbeitern in unserer Branche enorm. Die Kreuzschifffahrtindustrie hat ebenso riesige Wachstumsraten zu verzeichnen, immer mehr und immer größere Schiffe fahren weltweit und benötigt zusätzlich eine immer größere Anzahl an Mitarbeitern. In etlichen neuen Tourismusdestinationen gibt es derzeit noch wenige oder zu wenige Ausbildungsstätten und auch die Hautpausbildungsländer kommen im Grunde nicht damit nach, ausreichend junge Menschen entsprechend auszubilden. Dazu kommen viele neue, oftmals für junge Menschen spannendere Berufe und Möglichkeiten rund um die Digitalisierung. Bei der letzten OECD Tourismuskonferenz im Herbst in Paris, gab es kein einziges Land weltweit, das nicht über akuten Fachkräftemangel im Tourismus berichtet hätte. Es gibt derzeit einen weltweiten Wettkampf um Mitarbeiter in unserer Branche,  vor allem in den Bereichen Küche und Service.

Wie kann man Tourismusberufe attraktiver machen?

Tourismus ist eine attraktive Branche. Arbeit im Tourismus ist bunt und erfindet sich immer neu. Arbeit mit Menschen ist oft sehr befriedigend und kann individuell und oft kreativ in der täglichen Umsetzung gestaltet werden. Aber Dienstleistung und Arbeit im Tourismus haben natürlich auch ihre Herausforderungen. Service am Gast ist nicht immer ein leichter Job, oftmals auch sehr emotional geprägt, Stoßzeiten in der Küche, an der Rezeption oder auf der Etage erzeugen Druck, den man verkraften können muss und flexible Arbeitszeiten passen nicht für jeden Lebensabschnitt. Wie also Jobs attraktiv machen? Wir müssen in Zukunft noch viel mehr die Führungsqualitäten aller Führungskräfte, vom jungen Stationskellner mit erster Teamverantwortung bis zur Rezeption,  entwickeln. Junge Menschen müssen heute noch viel intensiver und sorgfältiger bei ihren ersten Berufsschritten in unserer Branche begleitet werden. Wir werden die Managementfähigkeiten in allen Bereichen eines Betriebs stärker vermitteln lernen müssen, damit wir noch besser strukturierte Arbeitsabläufe, optimierte Dienstpläne und Lebenszeit gerechte Dienstzeiten anbieten können. Es geht um die Kultur des Miteinander und die Kunst Arbeit gut zu gestalten. Arbeit im Tourismus ist geprägt von einem großen Miteinander innerhalb der Teams, die Balance zwischen Job und Familie oder Privatleben gewährleisten zu können, wird in Zukunft eine noch wichtigere Herausforderung für jeden einzelnen Betrieb. 

Eine Lehre/Tätigkeit im Tourismusbereich liegt auf der Wunschliste junger Menschen nicht unbedingt an erster Stelle. Ist die Verantwortung für diese Entwicklung auch bei den Betrieben zu suchen oder handelt es sich dabei um ein gesellschaftspolitisches Phänomen und Versagen der Politik?

Ich denke, wir werden uns überlegen müssen, wie wir Ausbildung moderner, flexibler und zukunftsorientierter gestalten können. Auch Ausbildung ist heute ein Prozess und darf nicht mit zu starren Ausbildungsplänen agieren, die die heutigen Anforderungen nicht beantworten und unantastbar erscheinen. Hier ist aus meiner Sicht die Politik gefragt, Veränderung ist nicht einfach im Österreichischen Ausbildungssystem. Andererseits ist das Problem sicherlich auch ein gesellschaftspolitisches Phänomen. Die Gesellschaft, die Menschen verändern sich durch die Digitalisierung. Kommunikation und Emotionalität werden anders gelebt, Korrektive für richtiges Verhalten von Menschen gibt es immer weniger, die Feedbackgesellschaft korrigiert alles nur nicht sich selbst. Das erzeugt viele Phänomene rund um die Themen Dienstleistung und Service am Menschen. Da will nicht jeder mitmachen und dazu gibt es die große Konkurrenz der neuen, digital getriebenen Jobs, die noch nicht so ganz den Weg in den operativen Alltag unserer Branche gefunden haben. In Zeiten so großer Veränderungen braucht es viel Flexibilität im Umgang mit Althergebrachtem und ein gutes Gespür, wie man dabei richtig agiert. Ich denke, die jungen Menschen werden den Weg in unsere Branche wieder stärker finden, nur muss die Branche auch ihren Weg zu den neuen jungen Menschen und ihren Bedürfnissen finden.

Die Digitalisierung ist eines der Kernthemen der Branche. Hinkt man in den Bereichen Kundendatenverarbeitung und -vermarktung den großen Buchungsplattformen nicht längst hinterher? 

Ja, wir hinken teilweise hinten nach, aber nicht weil wir nicht wüssten was wir wollten, sondern weil es einfach nicht möglich ist, dass eine Branche, die geprägt von vielen kleinen Unternehmen ist, die Ressourcen aufbringen kann, die erforderlichen technologischen Innovationen zu erforschen und zu finanzieren. Dass sich hier die Großen den Luxus der hochtechnischen Entwicklungen gesichert haben, hat ja nicht nur in unserer Branche stattgefunden. Hier geht es nun ganz einfach um ein faires Miteinander, vor allem wo es noch keine fairen Regeln gibt, die “leben und leben lassen“ garantieren.

Wie sensibilisiert man Betriebe für das Thema Digitalisierung (diese ist ja auch mit Kosten verbunden)?

Derzeit kommt es vor allem darauf an, dass wir uns viel aktiver mit allem was so rund um Digitalisierung und neue Technologien passiert, auseinander setzen. Wer dieses Jahr beim ÖHV Kongress war, konnte dazu viel hören oder wer auf die ITB fährt, hat die Möglichkeit in den IT Hallen vieles dazu mitzubekommen. Die HOTREC wird bei unserer Generalsversammlung in Wien im April auch eine neue Hospitality Start Up Plattform vorstellen, um einen Überblick über alle Arten von neuen Start Up Lösungen für unsere Branche  und unsere Betriebe online sichtbar zu machen.

Man muss nicht immer „first mover“ sein, aber man sollte immer einen gewissen Überblick haben, wohin die Reise geht. Wissen ist hier die erste Pflichtaufgabe. Heute geht es bei vielen Systemen ja nicht mehr um den Kauf des Systems, sondern meist sind es Softwarelösungen die man gegen Gebühr für eine bestimmte Zeit nutzt. Man kann daher beginnen, das eine oder andere System auszuprobieren um ein Gefühl zu bekommen, wo muss man dabei sein oder wo sollte man noch auf andere Lösungen warten.

Zuweilen entsteht der Eindruck, es herrscht in manchen Betrieben Abneigung gegen die Technik. Woran kann das liegen?

Na ja, ist ja nicht verwunderlich. Viele Unternehmer haben kaum Zeit sich mit den vielen Neuerungen auseinander zu setzen, für sie wirkt das eher bedrohlich. Vieles kann man sich auch gar nicht vorstellen und bei vielem, wie z.B. den OTSs gab es erst den großen Run und danach das Heulen und Zähne knirschen, weil man die unfairen Praktiken und das Leck zwischen Hotel und Gast erst zu spät erkannt hat. Da ist manchmal Kopf in den Sand schon auch eine Strategie, die kurzfristig Kopfschmerzen abhaltet.

Wo sehen Sie in den kommenden Jahren die größten Herausforderungen und wie stellen Sie sich darauf ein?

Alles was rund um Digitalisierung und Technologie so läuft, wird uns in Atem halten. Wie und wann am besten darauf reagieren, ist die große Frage. Der Digitale Vertrieb wird sich möglicher Weise  wieder völlig verändern. Ich denke Blockchain könnte hier nochmals eine nächste Welle der Veränderung bringen. Zu all dem gehören auch die Themen Zahlungssysteme und natürlich alles rund um Podcasts und Sprachassistentin und wie unsere Webseiten in Zukunft gestaltet sein müssen, daß sie maschinenlesbar sind, sonst wird Alexa beim Wort LOISIUM fragen, ob das ein Fremdwort ist. Für uns ist aber auch das Thema starke Mitarbeiter ein ganz wichtiges, denn ohne gute Teams, werden wir auch in Zukunft keine zufriedenen Gäste und erfolgreiche Betriebe haben.

Was sind Ihre Pläne und Ziele für 2018?

Wir sind gerade dabei verstärkt nach Standorten für weitere LOISIUM Hotels in Europa zu suchen, wollen aber nur als Betreiber auftreten und nicht als Investoren oder Developer. LOISIUM ist so ein schönes Produkt und Wein ist so ein innovatives, emotionales Thema, daß es eine große Freude ist, daran weiter zu arbeiten. Bei der HOTREC habe ich noch 2018 bis zum Ende meiner 2. Präsidentschaft, da wollen wir noch einige der Pläne rund um Digitalisierung, Kommunikation und stärkeres Lobbying umsetzen.

Was zeichnet den idealen Gastgeber aus?

Der ideale Gastgeber ist, wer Leidenschaft für seine Gäste und sein Produkt leben gelernt hat und Menschen liebt. Gleichzeitig muss ein guter Gastgeber aber auch ein guter Kaufmann mit vorbildlichem Führungsstil sein können.

Abschließend: Was wünschen Sie sich von der neuen Regierung?

Die Umsetzung der Versprechen und Aufrichtigkeit in dem was sie sagen und tun.

Foto: WKO


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