Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ist garant dafür, den erfolgreichen Weg Niederösterreichs auch in den kommenden Jahren fortzusetzen. Was dafür geplant ist, verrät sie im ABW-Talk.
Frau Landeshauptfrau, Niederösterreich gilt als wirtschaftlich erfolgreiches und innovatives Bundesland, wie soll dieser Weg – angesichts schwacher Konjunkturprognosen – fortgesetzt werden?
Was die Konjunktur betrifft, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man bereitet sich rechtzeitig vor, oder man wartet, bis die Gewitterwolken da sind. Wir haben uns ganz klar für die zweite Variante entschieden und mehr als ein Jahr an unserer Wirtschaftsstrategie 2025 gearbeitet. Die Eckpfeiler sind klar definiert: Wir wollen Niederösterreich noch stärker als internationalen Unternehmensstandort positionieren und nachhaltiges Unternehmenswachstum garantieren.
Etablierte Standorte wie die Technopole und Wirtschaftsparks sollen ausgebaut, der Breitbandausbau vorangetrieben werden. Auch die Zusammenarbeit der Unternehmen mit Technologie- und Forschungszentren wollen wir forcieren – wichtig ist mir in diesem Zusammenhang die Einbindung der kleinen- und mittleren Betriebe. Diese wollen wir bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, aber auch in ihrer Weiterentwicklung und im nachhaltigen Wachstum, unterstützen.
Wie zufrieden sind Sie mit der wirtschaftlichen Entwicklung Niederösterreichs?
Ich bin sehr zufrieden, unser Wachstum liegt über dem österreichweiten Durchschnitt und die Prognosen für kommendes Jahr sehen ebenfalls gut aus.
Wie ist dieser Erfolgskurs zu erklären?
Ich glaube, es liegt daran, dass wir uns gut aufgestellt und den Strukturwandel am besten geschafft haben. Wir haben kein Thema vernachlässigt und konnten uns in allen Bereichen positiv entwickeln. Deshalb sind wir heute nicht nur ein bedeutendes Agrarland, sondern auch Wirtschafts- und Industrieland sowie Wissenschafts- und Technologieland.
Zudem sind wir auf dem Weg zum Vorreiter in der Digitalisierung. Highlight unserer Digitalisierungsstrategie ist das „Haus der Digitalisierung“. Es ist eine wichtige Schnittstelle für den digitalen Wandel und wird zur Zeit als interaktive Plattform mit personalisierten Services und automatisiertem Vorschlagssystem zur Vernetzung niederösterreichischer Unternehmen mit Forschungs- und Bildungseinrichtungen, sowie als Begegnungsort für die interessierte Bevölkerung im Bereich Digitalisierung errichtet. Noch handelt es sich um ein „virtuelles Haus“, bis Ende 2020 wird es dann das richtige Haus in Tulln geben. Aufgrund dieser Initiativen sind wir Teil des europäischen Digitalisierungsnetzwerkes geworden und haben schnelleren Zugang zu Informationen und Förderungen.
Stichwort Fachkräftemangel: Was macht Niederösterreich dagegen?
Dieses Thema liegt uns sehr am Herzen. Wir haben deshalb die größte Lehrlingsoffensive Niederösterreichs gestartet. In einer Dimension, die es so noch nie gegeben hat. Wir investieren heuer und nächstes Jahr 46 Millionen Euro und stellen jungen Menschen bis 25 Jahre 7.000 Arbeitsplätze zur Verfügung. Vor allem Jugendliche, die noch nicht wissen, was sie einmal tun sollen und die Lehre oder Schule abgebrochen haben, wollen wir begleiten. Mit dieser Lehrlingsoffensive verfolgen wir zwei Zielsetzungen.
Wir wollen jungen Menschen neue Perspektiven und Chancen geben und dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Der Erfolg gibt uns bisher recht: Im Vergleich zu anderen Bundesländern hat Niederösterreich die geringste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Österreich. Gemeinsam mit den Sozialpartnern haben wir auch eine Qualifizierungsoffensive für alle über 25-jährigen beschlossen und stellen dafür 3.500 Plätze und 31 Millionen Euro zur Verfügung, um diese Menschen im Arbeitsprozess zu halten oder ihnen ein neues Sprungbrett zu bieten.
Was ist in den Bereichen Gesundheit und Pflege geplant?
Wir nehmen hier eine große Verantwortung an, denn wir wollen nachhaltig Gesundheit und Betreuung in Niederösterreich garantieren können. Wir tun das durch die Schaffung einer Landesgesundheitsagentur, mit der wir Vorreiter in Europa sein werden. Diese Agentur wird alle 27 Kliniken sowie die 50 Pflege-, Betreuungs- und Förderzentren, und damit 27.000 Mitarbeiter, unter einem Dach vereinen, um Gesundheit und Pflege zentral managen, steuern und planen zu können.
Bis Ende des kommenden Jahres wollen wir den Prozeß abgeschlossen haben. Es handelt sich dabei um die größte Reform in Niederösterreich der zweiten Republik mit einem Budgetvolumen von bis zu 3,5 Milliarden Euro. Die gesetzlichen Grundlagen wurden geschaffen und von Regierung und Landtag beschlossen, am 1. Jänner 2020 treten sie in Kraft. Damit wollen wir dann eine wirklich zukunftssichere Struktur geschaffen haben.
Uns geht es dabei nicht nur um eine fitte Organisationsstruktur, sondern auch um die Bewältigung des Fachkräftemangels im Pflege- und Ärztebereich. Deswegen haben wir eine ganz klare Forderung an die neue Bundesregierung: Wir brauchen mehr Medizin-Studienplätze.
Vor zwanzig Jahren hatte Wien 2.000 Studienplätze, jetzt haben wir in ganz Österreich 1680. Abzüglich der 25 Prozent-Quote von Studierenden, die nicht aus Österreicher sind, bleiben 1.260 Studienplätze übrig. Ich stelle aber nicht nur Forderungen, sondern wir setzten auch selbst um. Deshalb haben wir unsere Studienplätze für Humanmedizin an der Karl Landsteiner Universität bereits um 500 Plätze aufgestockt – jetzt brauchen wir nur noch die Bewerber. Sie sehen: Alles was wir in diesem Bereich tun können, tun wir.
Klimaschutz ist ebenfalls ein Kernthema der Politik – welche Initiativen setzt Niederösterreich in diesem Bereich?
Es geht darum, dass jeder für sich einen Beitrag leistet. In Niederösterreich betreiben wir schon seit vielen Jahrzehnten aktive Klimapolitik. Wir waren das erste Bundesland, das Klimaschutz im Jahr 2004 in seiner Verfassung verankert hat. Bisher wurden von uns 230 Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen umgesetzt.
Da passiert unglaublich viel, weil wir mit gutem Beispiel vorangehen möchten. In den Gemeinden wurde beispielsweise flächendeckend auf LED-Leuchtmittel umgestellt, jüngst wurde unser letztes Kohlekraftwerk stillgelegt, es entsteht dort ein Zentrum für erneuerbare Energie. Nachhaltigkeit beweisen wir bei den Lebensmitteln – egal ob im Kindergarten, in Kliniken oder in Pflegeheimen. Für unsere über 100 Großküchen gilt nicht das „Billig-Prinzip“, sondern das Bestbieter-Prinzip, nur nachhaltige und regionale Produkte werden gekauft und genutzt.
Sind Sie zufrieden mit 2019?
Ja! Es war ein sehr erfolgreiches, wenn auch intensives Jahr, speziell was die Wahlen und Wahlkämpfe betrifft. Aber die Ergebnisse auf EU- und Bundesebene sprechen für sich.
Abschließend ein Karriere-Tipp für unsere Leserinnen.
Bleiben Sie eine Frau und versuchen Sie niemals, ein besserer Mann zu werden. Vetrauen Sie auf Ihre Sensibilität. Beweisen Sie Ausdauer und Mut und verzichten Sie, trotz Karriere, nicht auf Kinder. Seien Sie hart und konsequent in Entscheidungen, aber vor allem auch sozial und menschlich im Umgang.
Foto: Philipp Lipiarski