Antonia Gössinger, Chefredakteurin Kleine Zeitung Kärnten und Osttirol, im ABW-Interview

Antonia Gössinger ist seit 2015 Chefredakteurin der Kleinen Zeitung Kärnten und Osttirol. Die vielfach ausgezeichnete, unbeeinflussbare Journalistin ist für ihre klaren Worte bekannt und gefürchtet.

 

Speziell den Kärntner Freiheitlichen galt sie lange Jahre als Feindbild und Zielscheibe für persönliche Angriffe. Ihren geradlinigen Weg hat sie jedoch nie aufgegeben.

Antonia Gössinger wurde als Tochter einer Glantaler Bauernfamilie geboren. Nach Absolvierung der Pflichtschulen, einer AHS und dem Berufseinstieg mit einer mehrjährigen Bürotätigkeit folgten erste journalistische Engagements als freie Mitarbeiterin der Kärntner Volkszeitung und schließlich die hauptberufliche Anstellung als Lokal- und später Politikredakteurin bei der Volkszeitung.

Sie ist von der „Zeitung“ fasziniert, „denn dieses Medium ermöglicht Einblicke in alle Bereiche des Lebens, in alle Schattierungen der Gesellschaft und das rund um die Erde.“

1983 wechselte Antonia Gössinger zur unabhängigen Kleinen Zeitung mit den Stationen Lokal-, Wirtschafts- und Politikressort. Politik hat es ihr besonders angetan, weil sie alle Themenbereiche umfassend ist. „Es kommt darauf an, welchen Zugang man zu Themen wählt. Ich bevorzuge den lebensnahen Zugang, den Zugang über die von Politik-Entscheidungen betroffenen Menschen“, so Gössinger, die als Journalistin auf Authentizität und Geradlinigkeit setzt. 

Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit

Ab den 1990-er Jahren profilierte sich Antonia Gössinger, die ihre Arbeitsweise als fokussiert, konzentriert und sachlich beschreibt, mit der Politik-Kolumne „Salz & Pfeffer“, mit der die Hintergründe politischer Entwicklungen für die Bevölkerung und Leserschaft transparent gemacht werden.

Der unbeeinflussbare, geradlinige journalistische Weg wird im Laufe der Jahre zum großen Konfliktherd zwischen der Kleinen Zeitung und der führenden Regierungspartei, den Kärntner Freiheitlichen mit Jörg Haider an der Spitze. Mit Abbestellungskampagnen, Inseratenboykott und Streichung der Presseförderung wird versucht, politischen Druck auszuüben. Antonia Gössinger wird zum Feindbild stilisiert und ist starken persönlichen Angriffen ausgesetzt.

Im Sinne der journalistischen Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der Kleinen Zeitung wird der Kurs beibehalten und mit den renommiertesten österreichischen Auszeichnungen honoriert: Antonia Gössinger erhält 2006 den Kurt-Vorhofer-Preis, 2007 den Sonderpreis für Mut des Branchenmagazins „Journalist“ und 2009 den Concordia-Preis für den Einsatz für den Erhalt der Pressefreiheit.

Der Concordia-Preis geht im Jahr 2012 an die gesamte Redaktion der Kleinen Zeitung Kärnten. Von ihrer Heimatgemeinde Liebenfels erhält Antonia Gössinger im Jahr 2008 das Goldene Ehrenzeichen für besondere Verdienste für die Marktgemeinde Liebenfels. Seit 2015 ist sie Chefredakteurin der Kleinen Zeitung Kärnten und Osttirol.

Worauf ist diese Erfolgsgeschichte zurückzuführen? „Auf konsequentes Dranbleiben und die Unabhängigkeit unseres Hauses, des Styria-Konzern und der Kleinen Zeitung. Dieser Rückhalt hat es mir ermöglicht, über die Jahrzehnte hinweg die Fehlentwicklungen in der Kärntner Landespolitik schonungslos aufzuzeigen. Letztendlich haben die dramatischen Ergebnisse dieser Politik unseren kritischen Kurs bestätigt.“

Print- oder Online-Medien – beide werden geschätzt

„Online ist bequem, weil die früheren Zeitungsstapel daheim wesentlich kleiner geworden sind und einem im Urlaub nichts mehr entgeht. Print ist unverzichtbar beim Frühstück und schön in ruhigen Stunden auf der Couch“, sagt Gössinger, die in der zunehmenden Digitalisierung keine Gefahr für alle Medien sieht. 

„Nur für jene, die sich nicht weiterentwickeln. Wir sehen die Informationsvermittlung als unsere Aufgabe. Der Kanal, auf dem dies geschieht, ist zweitrangig. Wir bespielen mittlerweile alle Plattformen. Print hat auf jeden Fall Zukunft, wenn auch in anderer Form. Fand-statt-Berichterstattung ist überholt, weil heute jeder Mensch auf der ganzen Welt nahezu in Echtzeit Geschehnisse mitverfolgen kann. Angesichts dessen kommt den Qualitätsmedien die Aufgabe des Analysierens, Kommentierens, des Einordnens und des Ausleuchten der Hintergründe zu“, so Antonia Gössinger, die Österreichs Medienlandschaft vom Angebot her als übersichtlich beurteilt  – mit einer teilweisen Wettbewerbsverzerrung zugunsten des Boulevards, nachteilig für die Qualitätsmedien. Zu ihren Lieblingsmedien – neben den Styria-Medien "Kleine Zeitung" und "Presse" – gehören die Bundesländerzeitungen "Kurier" und "Standard".

Erfolgreiche Teamarbeit

Hinter jedem erfolgreichen Boss steht zumeist ein gutes Team. Antonia Gössinger weiß die Einsatzbereitschaft und Flexibilität ihrer Mannschaft zu schätzen, tickt doch im Tagesgeschäft im wahrsten Sinne des Wortes die Uhr. Jede Ausgabe ist ein Wettlauf mit der Zeit.

„Egal, welche Tages- oder Nachtzeit, unser Team ist zur Stelle. Und wenn wir aus Aktualitätsgründen drei Mal am Tag die gesamte Planung umwerfen müssen!“ Welchen Tipp gibt die Chefredakteurin ABW-Leserinnen, die sich für den Journalismus begeistern? „Unbedingt eine fundierte, multimediale Ausbildung absolvieren. Der Abschluss in einem Fachstudium (Jus, Wirtschaft, Ökologie etc.) ist sehr hilfreich. Neugierig sein, alles hinterfragen und immer zu allen und allem Distanz halten. Denn Journalisten haben nur ein Kapital – und das ist ihre Glaubwürdigkeit. Diesen Satz habe ich vor Jahrzehnten von Anneliese Rohrer gehört und er ist seither das Leitmotiv meiner journalistischen Arbeit“, so Gössinger, die Kraft für den oftmals stressigen Berufsalltag in der Großfamilie auf dem heimischen Bauernhof oder bei schönen Urlaubsreisen tankt – obwohl für sie ihr Beruf Berufung und weniger Business ist.

Foto: Kleine Zeitung/Helmuth Weichselbraun


Drucken   E-Mail