Dr. Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, über Versorgungsicherheit die Bedeutung von Wasserstoff und Resilienz.
Die „Energiezukunft“ ist für Sie ein wesentliches Thema. Welche konkreten Maßnahmen können die Versorgungssicherheit in Österreich langfristig gewährleisten?
Österreich zählt weltweit zu den Ländern mit der höchsten Versorgungssicherheit – damit das auch in Zukunft so bleibt, müssen wir in den kommenden Jahren unser Energiesystem grundlegend erneuern. Unser Strom stammt zwar schon jetzt zu weit über 80 Prozent aus erneuerbaren Quellen, trotzdem importieren wir derzeit etwa zwei Drittel unserer Energie aus dem Ausland. Durch den raschen Ausbau der Erneuerbaren, der Speicher und vor allem der Stromnetze, können wir diese Abhängigkeit deutlich reduzieren und auch in Zukunft eine sichere Versorgung mit Strom gewährleisten.
Umweltverträglichkeitsprüfungen für erneuerbare Energieprojekte können sich über mehrere Jahre hinziehen und somit den Ausbau verzögern. Welche Reformen halten Sie für notwendig, um diese Prozesse zu beschleunigen, ohne dabei Umweltstandards zu vernachlässigen?
Sie sprechen hier einen sehr wichtigen Punkt an. Die Verfahren zur Genehmigung erneuerbarer Projekte sind derzeit langwierig und kompliziert. Die Novellierung des Gesetzes zur Umweltverträglichkeitsprüfung hat zwar erste Verbesserungen im Hinblick auf eine klarere Strukturierung des Verfahrens, die Einführung verbindlicher Verfahrensfristen und Personalaufstockungen bei Behörden und Gerichten gebracht.
Um die Erneuerung des Energiesystems weiter zu beschleunigen, brauchen wir im nächsten Schritt aber dringend das bereits mehrfach angekündigte Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz. Dieses Gesetz soll nachhaltigen Energieprojekten klaren Vorrang im Genehmigungsverfahren einräumen. Bei vielen unserer Projekte gehen Klima- und Umweltschutz bereits Hand in Hand – uns geht es darum Abläufe zu beschleunigen, Prozesse effizienter zu gestalten und klare Prioritäten zu setzen.
Österreich hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt, darunter die Reduktion der Treibhausgasemissionen. Wie trägt die E-Wirtschaft zur Erreichung dieser Ziele bei?
Auch bei der Stromproduktion nimmt Österreich international eine führende Rolle ein: Bereits jetzt stammt der überwiegende Teil unseres Stroms aus erneuerbaren Quellen und nur rund sechs Prozent der Emissionen kommen noch aus diesem Bereich. Trotzdem spielt die E-Wirtschaft auch bei der weiteren Dekarbonisierung des Landes eine zentrale Rolle.
Strom ist die saubere Energieform der Zukunft, die in den kommenden Jahren in der Mobilität, im Wärmebereich und in der Industrie massiv an Bedeutung gewinnen wird. Dafür schaffen unsere Unternehmen schon heute die Voraussetzungen. Dass unser Strom künftig zum größten Teil aus erneuerbaren Quellen stammen soll, ist für uns klar – nun gilt es die Kosten während der Transformation so gering und die Versorgungssicherheit so hoch wie möglich zu halten.
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach Resilienz im Kontext von Nachhaltigkeit und Klimaschutz?
Resilienz ist das Fundament einer nachhaltigen Energiezukunft. Die letzten Krisen haben gezeigt, wie wichtig ein leistungsfähiges und gleichzeitig robustes Energiesystem ist. Ein wesentlicher Schlüssel ist dabei der rasche Ausbau der heimischen Stromerzeugung. Um Resilienz zu schaffen, müssen wir aber nicht nur massiv in erneuerbare Energien investieren – wir müssen sie auch besser in das System integrieren und Schwankungen durch Speicher und intelligente Netze ausgleichen.
Gleichzeitig müssen wir die europäische Zusammenarbeit im Strommarkt stärken, damit wir und unsere Nachbarländer einander im Ernstfall gegenseitig unterstützen können. Resilienz heißt für uns aber auch besser auf mögliche Krisen vorbereitet zu sein. Die Voraussetzungen dafür wurden mit der Reform der Strommärkte, die vor kurzem abgeschlossen wurde, auf europäischer Ebene bereits geschaffen.
Wie schätzen Sie die zukünftige Rolle von Wasserstoff und anderen Speichertechnologien in Österreichs Energiemix ein?
Wasserstoff wird in unserem zukünftigen Energiesystem eine wichtige Rolle spielen. Es ist deshalb entscheidend, dass wir dieses Thema bereits jetzt breit mitdenken – von der Strom- und Wärmeerzeugung bis hin zur Industrie. In der E-Wirtschaft werden wir Wasserstoff vor allem als saisonalen Speicher und zur Dekarbonisierung unserer Wärmekraftwerke nutzen.
Der bereits laufende Aufbau von Elektrolyse-Kapazitäten, etwa im Burgenland oder in Oberösterreich, zeigt, dass wir uns hier auf einem guten Weg befinden. Parallel dazu bleibt die Wasserkraft in Form von Pumpspeichern ein zentraler Bestandteil der Stromversorgung – vor allem im Winter. Aber auch innovative Technologien wie Batterien oder andere Langzeitspeicher werden zukünftig wichtiger. Um diese Lösungen rechtzeitig und im notwendigen Umfang in den Markt zu bringen, müssen wir jetzt die Weichen dafür stellen.
Welche politischen Maßnahmen und Anreize sind aus Ihrer Sicht notwendig, damit der Ausbau erneuerbarer Energien und die Modernisierung der Netzinfrastruktur beschleunigt werden kann?
Wir brauchen einen klaren politischen Rahmen für den Ausbau und die Erneuerung des Energiesystems. Unsere Unternehmen wollen in den kommenden Jahren Milliarden in diese Infrastruktur investieren – dafür brauchen sie Rechtssicherheit, schnellere Genehmigungsverfahren und mehr verfügbare Flächen.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang ein rascher Beschluss des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes und des Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetzes. Außerdem brauchen wir eine konsequente Abstimmung des Netzausbaus mit dem Ausbau der Erneuerbaren. Denn nur ein gut ausbalanciertes Energiesystem liefert uns am Ende eine hohe Versorgungssicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen. Aber aus meiner Sicht am allerwichtigsten: Wir brauchen öffentliche Akzeptanz und die entsprechende politische Unterstützung. Nur so können wir die bevorstehende Transformation erfolgreich meistern
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Zur Person
Barbara Schmidt wurde in London geboren und ist Mutter einer Tochter. Sie absolvierte ihr Diplom- und Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien und qualifizierte sich zudem als Coach und Mediatorin. Ihre Karriere an der Schnittstelle von Energiewirtschaft und -politik begann als Klubreferentin im österreichischen Parlament, bevor sie bei Energie-Control Austria maßgeblich am Aufbau und der Leitung der Schlichtungsstelle sowie an der Erstellung von Marktregeln beteiligt war. Als Public Affairs Beraterin unterstützte sie anschließend Kunden aus dem Industrie- und Energiesektor. Seit 2007 ist sie Generalsekretärin von Oesterreichs Energie und Geschäftsführerin der Oesterreichs Energie Akademie GmbH. Oesterreichs Energie vertritt seit 1953 die gemeinsam erarbeiteten Brancheninteressen der E-Wirtschaft gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit.
Foto: Oesterreichs Energie