Mag. Veronika Haslinger ist Direktorin der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien. Seit 18 Jahren ist sie im Unternehmen tätig. Ein ABW-Gespräch über Kundenbedürfnisse, Frauen im Finanzsektor und eine gute Ausbildung.
Welche sind zur Zeit die größten Herausforderungen für die Finanzbranche?
Es sind – nach wie vor – „die drei Klassiker“: anhaltendes Niedrigzinsumfeld, zunehmende regulatorische Anforderungen und Digitalisierung.
Die Finanzbranche ist unter diesen Bedingungen stark gefordert und steht vor immer neuen Herausforderungen – auch Kosten, wenn man an die Regulatorik denkt. Im Bankenbereich stellen neue Anbieter die Interessen und Gewohnheiten der Kunden oft ganz anders in den Mittelpunkt, als diese es lange gewohnt waren. Die Kundenbedürfnisse ändern sich im Finanzdienstleistungssektor rasant. Nie waren die Angebote vergleichbarer und ein Wechsel gegebenenfalls einfacher.
Deswegen geht es darum, die Balance zwischen Mensch und Digitalisierung zu finden und letztendlich auch klar zu machen, dass die Digitalisierung dem Menschen dient – und nicht umgekehrt.
Auf welchen Punkten liegt derzeit der Fokus Ihrer Arbeit?
Im Fokus steht die nachhaltige Ausrichtung der Dividendenpolitik sowie die Beibehaltung und Optimierung der Wertschöpfung und Liquidität in der Unternehmensgruppe.
Auch wenn Konsolidierung und Kostenoptimierung im Vordergrund stehen, darf man Innovationen nicht vernachlässigen. Sie sichern die Erfolge der Zukunft eines Unternehmens. Wir setzen daher viel daran – gemeinsam mit dem operativen Management der jeweiligen Beteiligungsunternehmen – durch veränderte Blickwinkel in innovative Denkansätze neue Geschäftschancen entstehen zu lassen.
Auch für die Raiffeisen-Holding NÖ-Wien selbst sind vorwärtsorientiertes Denken und der Blick in die Zukunft wichtiger Bestandteil der Strategie. Als nachhaltig agierender Investor sind uns daher Marktbeobachtung sowie Stärkung der Region wichtig.
Man darf nicht außer Acht lassen, dass Raiffeisen Niederösterreich-Wien mit seinen Beteiligungen rund 19.000 Arbeitsplätze in Österreich sichert. Der gesamte Bruttowertschöpfungseffekt von Raiffeisen NÖ-Wien beträgt österreichweit rund 1,9 Milliarden Euro.
Sind beim Beteiligungsportfolio, respektive den vier Geschäftsfeldern, Veränderungen/Neuerungen geplant?
Es ist nicht geplant, unser Portfolio zu verändern. Im Gesamten haben wir als Raiffeisen-Holding NÖ-Wien ein strategisch durchdachtes Beteiligungsportfolio (mit den Geschäftsfeldern Bank, Agrar, Infrastruktur und Medien). Wir sind ein langfristiger und stabiler Eigentümer sowie verlässlicher Partner für unsere Beteiligungsunternehmen. Wir sind nachhaltiger Finanzinvestor, das jeweilige Management in unseren Beteiligungen ist so schlagkräftig aufgestellt, dass die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt fallen.
Als eigenständig agierende Holding prüfen wir als Raiffeisen-Holding NÖ-Wien klarerweise auch Geschäftschancen an Beteiligungsmöglichkeiten gemäß unserem Portfolio und unserer Strategie.
Vor mittlerweile 18 Jahren haben Sie bei der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien gestartet und eine beachtliche Karriere gemacht. Ihr Erfolgsgeheimnis?
Man braucht Chancen um sich zeigen zu können, letztlich zählt aber die Qualität der Leistung. Gerade als Frau – insbesondere im Finanzsektor - steht man im besonderen Fokus und nimmt auch eine gewisse Vorreiterrolle ein. Mir persönlich war es immer ein Anliegen in den Bereichen Fehlerkultur und Kommunikation Verbesserungen zu erwirken. Ich empfinde auch die weibliche Sicht der Dinge als eine Bereicherung für jedes Unternehmen. Letztendlich gehört auch eine Liebe zur eigenen Arbeit und eine Loyalität zum Unternehmen dazu, um erfolgreich zu sein.
Wie vereinbaren Sie Familie und Beruf?
Mit dem Versuch, das Beste aus beiden Welten als positive Verstärkung zu nutzen. Ein familiärer Blick ist manchmal eine Bereicherung für die Unternehmenssicht, aber auch umgekehrt. Das bringt eine gewisse Art der Erdung, in beide Richtungen.
Welche Ausbildung empfehlen Sie Ihrem Sohn?
Als Mutter ist mir erst so richtig bewußt geworden, wie wichtig eine gute Bildung gerade in der heutigen Zeit ist. Diesbezüglich gibt es in unserer Gesellschaft doch erhebliche Unterschiede. Ich achte daher auf ein gutes Bildungsniveau meines Sohnes, das für mich neben seinen Interessen und Anlagen auch eine gute soziale Kompetenz beinhaltet. Letztendlich wird er selber entscheiden, wo seine beruflichen Interessen ihn hinführen. Ich wünsche ihm, dass er seine Berufung finden und leben darf.
Welche Tipps können Sie jungen Frauen geben, die in der Finanzbranche Karriere machen möchten?
Das kann man nicht verallgemeinern, jeder Mensch darf und soll sich selbst ausprobieren. Gerade die Finanzbranche bietet vielfältige Möglichkeiten und interessante Betätigungsfelder. In jedem Fall sind eine fundierte fachliche Ausbildung sowie ein hohes Maß an Sozialkompetenz erforderlich, um in der heutigen Zeit den neuen Anforderungen an die Geschäftswelt gerecht zu werden. Unverändert gilt allerdings, dass die Finanzbranche in der Führungsebene immer noch sehr männerlastig ist.
Foto: Raiffeisen NÖ-Wien/Günther R. Artinger
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