Johanna Mikl-Leitners Karriere ist eindrucksvoll: Von der Privatwirtschaft wechselte sie in die Politik, wurde Landesrätin, Innenministerin und ist seit 19. April 2017 die mächtigste Frau von Österreichs größtem Bundesland.
Ein Austrian Business Woman-Interview über Frauenpower, Gestaltungswillen und die Ziele für die kommenden Jahre.
Anlässlich unseres Jubiläums ersuchen wir um einen Blick zehn Jahre zurück – welche politische Funktion übten Sie damals aus?
2007 war ich Landesrätin in Niederösterreich und verantwortlich für die Bereiche Soziales, Arbeit und Familie. In diesem Jahr haben wir mit der Aufnahme von 2,5-Jährigen in die Kindergärten einen familienpolitischen Meilenstein in Niederösterreich gesetzt.
Hätten Sie sich vor zehn Jahren vorstellen können, einmal die mächtigste Frau Niederösterreichs zu werden?
In der Politik ist es zwar wichtig, Zukunftsvisionen zu haben, aber mehr für den Bereich, für den man verantwortlich ist, und weniger für die eigene Person. Die Menschen erkennen sehr schnell, ob sich jemand für seine Aufgabe oder für sich selbst einsetzt.
Sie sind seit knapp zwei Monaten NÖ-Landeshauptfrau – Ihr bisheriges Resümee?
Wir haben den Generationenwechsel in Niederösterreich und den Start in neue Zeiten sehr gut hinbekommen. Die ersten Schwerpunkte im Bereich der Digitalisierung, Mobilität und im Sozialbereich wurden bereits vorgestellt. Und wir leben auch ein ehrliches Miteinander im Land – über die Parteigrenzen hinweg.
Was sind die wichtigsten Eigenschaften, die man als Landeshauptfrau haben sollte?
Man muss das Land und die Menschen mögen. Denn nur im direkten Kontakt mit den Menschen ist es möglich, ihre Anliegen und Sorgen aufzunehmen. Dafür nehme ich mir auch viel Zeit. Denn die Menschen spüren sehr schnell, wer es ernst meint mit ihnen und wer nicht.
Sie sind die erste Frau in dieser Funktion – wir erklären Sie sich diesen Umstand?
Mit Erwin Pröll hatte Niederösterreich über Jahrzehnte einen erfolgreichen Politiker an der Spitze. Nach über 25 Jahren hat er seinen Rückzug aus der Landespolitik angetreten. Wir sind heute in einer Zeit, in der vieles in Veränderung und Bewegung ist. Immer mehr Frauen tragen in Spitzenpositionen Verantwortung – das gilt für die Politik wie auch für die Wirtschaft. Und ich bin davon überzeugt: Mehr Frau tut allen Bereichen gut.
Welche Tipps geben Sie Ihren Töchtern auf den (beruflichen) Lebensweg mit?
Wir leben heute in einer Zeit, die Kindern und Jugendlichen alle Möglichkeiten und Chancen bietet. Jede und jeder kann seine Talente und Kreativität entfalten, jede und jeder kann mit Fleiß und Ausbildung vieles erreichen. Dieses Bewusstsein will ich meinen Kindern mit auf den Weg geben.
Wie nutzen Sie die knappe Zeit mit der Familie?
Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie ist mir sehr wichtig. Radfahren und Inlineskaten oder Spaziergänge mit unserem Hund Milou stehen da am Programm. Trotz der knapp bemessenen Zeit schaffen wir es gut, unser Familienleben zu genießen und unseren Töchtern dabei auch Geborgenheit und Zusammenhalt zu vermitteln. Schon bei meinen Eltern, die immer viel gearbeitet haben, war die gemeinsame Zeit das Wertvollste und diese Zeit gilt es, gut zu nutzen.
Wie hilfreich ist Ihre Ausbildung im Job?
Ausbildung ist das zentrale Element für späteren Erfolg im Berufsleben. Nach meinem Studium der Wirtschaftspädagogik habe ich einige Zeit auch in der Privatwirtschaft gearbeitet. Diese Erfahrungen helfen mir heute in meiner politischen Arbeit.
Sind Sie für eine Frauenquote in Aufsichtsräten?
Mit einem Beschluss im Nationalrat wurde eine 30-prozentige Frauenquote für börsennotierte Unternehmen und Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern festgeschrieben. Jetzt braucht es auch in der operativen Ebene einen 30-prozentigen Anteil für Vorstände und Geschäftsführung.
Aufgrund Ihrer eindrucksvollen Karriere sind Sie Vorbild für viele Menschen – welche Tipps würden Sie Frauen geben, die im Berufsleben aufsteigen wollen?
An erster Stelle stehen die Qualifikation und die Bereitschaft, Verantwortung übernehmen zu wollen. In vielen Fällen bedeutet das aber auch, mehr Zeit als andere zu investieren. Ein beruflicher Aufstieg passiert nicht einfach so nebenher, das muss man schon auch richtig wollen und dafür kämpfen.
Bitte beschreiben Sie uns Ihre Arbeitsweise.
Hart in der Sache und herzlich im Umgang. Darüber hinaus setze ich auf ein ehrliches Miteinander im Land. Dazu zählt auch ein ehrliches Miteinander zwischen den Parteien in der NÖ Landesregierung und im NÖ Landtag.
Werden Sie von Männern eher geachtet oder gefürchtet?
Aus der Erfahrung kann ich sagen, dass es mir gegenüber immer einen respektvollen Umgang gegeben hat. Umgekehrt ist das natürlich auch der Fall. Im Übrigen braucht sich niemand vor mir zu fürchten.
Wie gehen Sie mit Widerstand und Kritik um?
In meiner Zeit als Innenministerin habe ich bei der Migrationskrise durchaus Widerstand und Kritik einstecken müssen, aber meine Linie weiterverfolgt. Diese Linie hat nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa zu einem Umdenken geführt. Heute sehen wir, dass die Schließung der Balkanroute eine wichtige und richtige Entscheidung für die Sicherheit gewesen ist.
Was fasziniert Sie an der Politik?
Ich habe schon immer die Politik mit wachen Augen verfolgt, bis ich schließlich auch aus Neugier angefangen habe, mich selbst zu engagieren. In der Politik kann man so viel bewegen, wenn man nur will. Ich wollte und will noch heute unser größtes Bundesland mitgestalten und dazu beitragen, es zum schnellsten zu machen. Auch in Sachen Gleichberechtigung liegt noch sehr viel Arbeit vor uns.
Welche Ziele peilen Sie für die kommenden Jahre an?
In meiner Regierungserklärung habe ich gesagt: Ich will, dass Niederösterreich nicht nur das größte Bundesland ist, sondern auch zum schnellsten Bundesland wird. Natürlich wird sich nun die eine oder andere fragen, was meint sie jetzt mit schnell? Schlank ist schnell, wenn es um Entscheidungen für Betriebe und neue Arbeitsplätze in Niederösterreich geht, wenn es um Verfahren und Planungen geht und wenn es um Entscheidungen für die Anliegen der Menschen geht. Für diese Ziele werden wir uns auch der Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung bedienen – und zwar so, dass sie Land und Menschen hilft. μ
Foto: ÖVP NÖ