Dr. Tamara Maria Christ, Geschäftsführerin der ASFINAG Service GmbH: Neue Talente zu finden ist ein Kraftakt

Seit Mai des Vorjahres ist die Juristin Geschäftsführerin der ASFINAG Service GmbH und in diese Funktion auch für den HR-Bereich verantwortlich.

 

Ein ABW-Interview über die Herausforderungen einer veränderten Arbeitswelt.

Auf welche Erfolgsrezepte setzen Sie beim Rekrutierungsprozess? 

Grundsätzlich sollte man dazu festhalten, dass sich verschiedene demographische als auch externe Faktoren, wie die Corona Krise und daraus entstandene wirtschaftliche Folgen, massiv auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt haben und wir nun einen sehr ausgeprägten Arbeitnehmer-Markt haben.

Einfach gesagt, die Unternehmen müssen sich anstrengen, die Besten der Besten zu bekommen – vom operativen Arbeiter bis hin zur Managerin. Umso mehr müssen neue Wege im Recruiting ausprobiert und umgesetzt werden. Egal ob „WhatsApp“ Bewerbung oder Video-Interview – wichtig ist, dass der Bewerber im Mittelpunkt steht und sich gut im Bewerbungsprozess aufgehoben fühlt. Nicht zu vergessen, dass Schnelligkeit siegt. Langwierige Recruitings gehören der Vergangenheit an. Unsere Quick-Apply Funktion bietet Bewerber daher die Möglichkeit, sich ganz schnell und unkompliziert auf interessante Vakanzen zu bewerben.

Wir konzentrieren uns verstärkt darauf, die Candidate Experience laufend weiter zu optimieren. Dabei hinterfragen wir sehr genau, welche Methoden und Tools in der Vergangenheit gut funktioniert haben und welche neuen Ideen darauf aufgebaut werden können. Kreative neue Wege in der Kandidatenansprache werden von unseren Recruiting-Spezialisten laufend evaluiert und gesellschaftsübergreifend als Best Practice geteilt. Neben der Ansprache setzen wir im Attracting auch auf eine konstante Weiterentwicklung unserer Angebote. Beispielsweise legen wir verstärkt Fokus darauf, Shared Job und Shared Leadership Positionen anzubieten und geeigneten Tandems in Teilzeit eine spannende Entwicklungsmöglichkeit zu geben. 

Wie überprüfen Sie die Motivation und Leistungen der Mitarbeiter?

Wir haben einen jährlichen Performance Dialog und diesen nehmen wir im Sinne unserer Mitarbeiter und Führungskräfte sehr ernst. Dabei steht vor allem die persönliche Entwicklung im Vordergrund und wird entsprechend mit Maßnahmen ergänzt. Das schätzen unsere Mitarbeiter sehr. Aber das ist nicht alles, wir leben eine ausgesprochen offene und wertschätzende Feedback-Kultur, in der sich in mehreren Formaten über Projekte, Arbeitserfolge oder Ähnliches ausgetauscht wird. 

Gestresst, ausgebrannt, unmotiviert – was hilft dagegen?

Ausgewogenheit! Wir alle wissen, dass das eine Projekt oder der Monatsabschluss zu Mehrarbeit führen kann, die sich bei einigen von uns aufgrund ganz verschiedener Faktoren leider in Stress auswirkt. Einfach gesagt, so gern ich es mir wünschen würde, so ganz komplett ohne Stress läuft leider kein Business ab. Daher ist es wichtig, dass unsere Mitarbeiter ausreichend Möglichkeiten und Flexibilität haben, um etwaige Stresssituationen für sie so verträglich wie möglich zu gestalten. Sei es die Arbeit aus dem Homeoffice oder Sport in der Mittagszeit – es gibt bereits heute viele Gruppierungen innerhalb der ASFINAG, die mit Spaß und Freude für ein wenig Ablenkung und Ausgewogenheit sorgen.

Welche Faktoren binden Mitarbeiter ans Unternehmen?

Mitarbeiter bleiben, weil sie sich wohl fühlen und einen Beitrag leisten wollen. Bei beiden Kriterien spielen Führungskräfte eine enorm wichtige Rolle. Hierbei setzen wir gezielt Maßnahmen, damit unsere Führungskräfte entsprechend agieren können. Ich spreche daher ungern von „der“ Strategie oder dem „einen Weg“, weil eine gesunde und menschlich geprägte Führung mit entsprechenden sozialen Fähigkeiten die Mischung macht. „People Management“ und „People Centricity“ sind wichtige Skills die Führungskräfte mitbringen sollen.

Unser Ziel ist es, unsere Mitarbeiter mit spannenden Aufgaben, einer gesunden Unternehmenskultur und einer hohen Stabilität langfristig zu binden. Gott sei Dank, gelingt uns das schon seit vielen Jahren sehr gut. Neue Talente zu finden und zu binden ist dennoch ein enormer Kraftakt. Wie schon erwähnt, haben wir einen extremen Arbeitnehmer-Markt und auch unsere Top-Talents haben ausreichend Möglichkeiten, sich außerhalb der ASFINAG zu beweisen. Daher gehört für uns das Teamgefühl und die Zugehörigkeit zu den Schlüsselkriterien, um Talente zu halten. Kombiniert mit immer herausfordernden Projekten, wie etwa unserem Rastplatz der Zukunft oder CITS, bieten wir dafür genug Spielraum. 

Wie leicht oder schwer ist es für die ASFINAG geeignete Mitarbeiter zu finden?

Auch wir suchen in einigen Bereichen immer schwerfälliger nach geeigneten Kandidaten. Insbesondere im handwerklichen Bereich und bei den Betriebstechnikern ist es teils schwer,  Mitarbeiter zu finden. Wir versuchen natürlich, lokale Netzwerke zu etablieren. So sind unsere Autobahnmeistereien in den entsprechenden Ortschaften gut verbunden. Und manchmal etablieren sich dadurch neue Kandidaten. Ebenso setzen wir sehr auf unsere Auszubildenden, die wir nach erfolgreicher Ausbildung natürlich weiterentwickeln wollen. 

Welche Entwicklungen erwarten Sie im HR-Bereich?

Gerade der Austausch mit Expertinnen und Experten zeigt, welche ungeahnten Möglichkeiten erst noch vor uns liegen. Es gibt mittlerweile Software, welche den Unternehmen ermöglicht, durch KI Talente weltweit ausfindig zu machen etwa um Schlüsselpositionen zu besetzen. Gleichzeitig ist HR mit so vielen Daten von Mitarbeitern versorgt, dass entsprechende Auswertungen bereits heute in modernen Systemen Abwanderungsgefährdungspotentiale aufzeigen können. Man kann sich überlegen, wie schön das wäre, würde man eine Person durch spannende Projekte oder persönliche Entwicklungsmöglichkeiten wieder mehr für das Unternehmen begeistern können. Doch dafür braucht es noch eine Menge Transformation, denn auch wir stehen da noch ganz am Anfang.

Für mich ist es spannend zu beobachten, wie sehr es HR durch die Digitalisierung bisheriger hoch administrativer Prozesse schafft, Platz für neue Entwicklungen zu etablieren. HR als administrative Abarbeitung langer Formulare gehört der Vergangenheit an und die neue Rolle wird deutlich strategischer und weitreichender sein. Während HR Leitende in der Vergangenheit gerne stark administrativ „verhaftet“ waren, gehören sie heute deutlich mehr in die Agenden der Geschäftsführungen und des Vorstandes. Nicht umsonst bekommt die Rolle des CHRO eine immer wichtigere Bedeutung. Für mich bleibt es das Ziel, dass HR die Geschäftsführung als Sparring Partner warnt, konzeptionell unterstützt, Leitplanken vorgibt und Entwicklungen vorausschaut. Um HR-Abteilungen auf diesem Transformationsweg zu unterstützen, braucht es neben digitalem Support noch weitere flankierende Maßnahmen.

Abschließend Ihr Rat an Frauen, die Karriere machen wollen?

Bleibt so wie ihr seid und verstellt euch nicht. Wir Frauen können viele Dinge und sollten darauf vertrauen, dass diese Kompetenz auch gebraucht und wertgeschätzt wird.

 Zur Person

Tamara Maria Christ studierte Rechtswissenschaften und absolvierte darüber hinaus weitere Ausbildungen, wie jene für Aufsichtsräte der Wirtschaftsuniversität Wien sowie ein Ausbildungspaket zum Thema Revision. Sie startete ihre berufliche Laufbahn bereits 2003 bei den Austrian Airlines.

Nach einer einjährigen Tätigkeit am Oberlandesgericht Wien und der Universität Wien kehrte Tamara Maria Christ wieder zur Luftfahrt zurück, wo sie in mehreren Führungsfunktionen in verschiedenen Gesellschaften tätig war. Bis zum Wechsel in die ASFINAG Geschäftsführung im Mai des Vorjahres, agierte die gebürtige Wienerin als Board Representative Financial Aid, war Prokuristin und Geschäftsführerin der Austrian Beteiligungen GmbH der Austrian Airlines.

Foto: ASFINAG


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