Während meiner Ausbildung zum Vertriebstrainer hatte ich einen großartigen Mentor. Wann immer ich ihn gefragt habe, wie ich dies oder jenes angehen soll, hat er gesagt: „Mach es auf deine Art, dann wird es gelingen!“
Das hat mich verwirrt, denn ich wusste nicht, was „meine Art“ war. Ich musste es erst herausfinden, vieles ausprobieren, reflektieren und wieder revidieren. Gelegenheit dazu bietet sich laufend, und zwar jeder und jedem von uns. Denn Verkauf spielt – entgegen der überwiegenden Meinung – in allen Lebenslagen und - bereichen eine Rolle.
Ob wir mit unseren Kindern oder unserem Partner reden, ob wir beim Chef ein Projekt durchsetzen möchten oder Mitarbeiter von etwas überzeugen wollen: Das ganze Leben ist Verkauf und jeder ist Verkäufer. Dabei sind gute Verkäufer – im privaten wie im beruflichen Bereich – stets im Vorteil. Doch wie gelingt Ihnen der Weg zum Erfolg?
Verkaufen verstehen
Verkaufen ist das Grundlegendste im Menschen, die Basis jeder zwischenmenschlichen Beziehung. Dabei hilft ein guter Verkäufer, vereinfacht ausgedrückt, dem Anderen das zu bekommen, was er oder sie braucht. So muss ich beispielsweise meiner Tochter täglich etwas „verkaufen“, sie also zu einer Handlung führen, von der ich glaube: Das braucht sie, sie weiß es nur noch nicht. Zähneputzen zum Beispiel. Genauso sind auch manche Kunden: Sie wollen etwas, wissen aber (noch) nicht, was sie brauchen – und benötigen dafür Unterstützung durch den Verkäufer.
Voraussetzung ist also, den anderen zu verstehen, seine Gefühle und Ängste zu erkennen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die andere Person ein Kunde, das Kind, der Partner, der Chef oder ein Kollege oder Mitarbeiter ist. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Würde jeder wissen, wie Verkaufen funktioniert, müsste es Streit, Krieg und Verfolgung nicht geben. Doch aus Unwissenheit entsteht Angst und aus Angst tun Menschen nur allzu oft die seltsamsten beziehungsweise grausamsten Dinge. Das war schon immer so und ist leider bis heute so geblieben. Was sich verändert hat, ist der Blick auf den Berufsstand der Verkäufer.
Der Verkäufer im Wandel der Zeit
Die alten Handels- und Kaufleute waren einst eine sehr angesehene Schicht. Spätestens in den 1980er-Jahren kam der Imagewandel. Etliche Verkäufer nutzten ihr Wissen zum eigenen Vorteil aus, missbrauchten es und eine ganze Zunft musste dran glauben. Seither werden Verkäufer mit argwöhnischen Augen betrachtet und niemand will mehr etwas verkauft bekommen. Aber alle wollen kaufen! Das boomende Onlinegeschäft verdeutlicht das Problem: Die Menschen vertrauen dem Internet mehr als ihrem Gegenüber aus Fleisch und Blut.
Wie können Verkäufer angesichts dieser Rahmenbedingungen in unserer neuen, digitalen Welt bestehen? Wie können Sie verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen? Die Antwort ist simpel: Indem sie die alten Verkaufsgrundsätze wieder hervorholen, indem sie zum Wohle des Anderen handeln – so wie wir es tagtäglich tun als Partner, als Eltern, als Freunde, als Dienstleister. Das galt damals, das gilt heute und das wird auch in Zukunft so sein.
Dabei müssen die Vertriebswege in Unternehmen natürlich auch die neuen, digitalen Medien nutzen: Am Online-Marketing kommt heute keiner mehr vorbei. So ist die Riege der alten Vertriebler mit der zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft vom Aussterben bedroht, weil sie ihre Geschäftspraktiken nicht anpassen können. Oder wollen. Doch schließt das eine das andere nicht aus: Vielmehr ist es die Summe aller Vertriebswege – on- wie offline – die ein erfolgreiches Marketing auszeichnen.
(Ver-)Kaufen ist individuell
Letztlich sollte Ziel des Vertriebs sein, dem Kunden im persönlichen Kontakt bei seinem Kauf zu helfen. Das erfordert Aufmerksamkeit und persönliches Engagement – auch oder vielleicht gerade in digitalen Zeiten. Denn letztlich gehen die Menschen oft nur aus einem Grund „online shoppen“: Weil sie keine realen Verkäufer mehr finden, die sich Zeit für sieund ihr Anliegen nehmen. Kaufen ist nämlich stets persönlich – für den Käufer wie den Verkäufer.
Machen wir uns die drei Ebenen des Tuns bewusst – das Was, das Wie und das Warum – wird deutlich: Schon in jungen Jahren „lernten“ wir von Eltern, Lehrern, Familie und Umfeld, was wir zu tun haben und wie wir es am besten machen sollten. In der Regel wurde mit guten Argumenten auch gleich noch das Warum mitgeliefert. Dies setzt sich im Erwachsenenalter fort. So geben Vorgesetzte häufig das Was, das Wie und das Warum vor. Aber nicht nur sie: Ratgeber, Anleitungen auf Internetportalen, Blogs, Bücher, Lehrgänge oder Coaches wollen uns erklären, wie wir es richtigmachen.
Ich behaupte: Niemand kann andere zu guten Verkäufern machen, indem er das Wie vorgibt. Denn: Wer es nicht auf seine eigene Art machen darf, kann sein volles Potenzial nicht ausschöpfen, kann seinen Erfolgsmotor nicht in Gang setzen. Standards laufen im Verkauf nicht – ebenso wenig wie die Imitation exzellenter Verkäufer. Dann nämlich tritt der Verkäufer als Persönlichkeit in den Hintergrund – und das merkt der Kunde. Ahmen Sie daher niemals die Verhaltensweisen, die Körpersprache, den Kleidungsstil oder Ähnliches sehr guter Verkäufer nach, auch wenn Vorgesetzte, Ausbilder oder selbst ernannte Verkaufsgurus Ihnen das raten. Letztendlich kauft der Kunde nämlich nicht nur das Produkt oder die Dienstleistung, die Sie Ihm anbieten; er kauft auch Ihre Überzeugung. Vertrauen Sie sich selbst, wird auch der Kunde Ihnen vertrauen.
Auf das Mindset kommt es an
Gute Verkäufer gehen also ihren eigenen Weg und versuchen nicht, andere nachzuahmen: Selbstbewusst ziehen sie ihr Ding durch, machen es genau so, wie es für sie am besten passt – ungeachtet dessen, was die anderen denken und sagen. Doch dieser Weg ist kein einfacher: Müssen wir doch unsere Glaubensgrundsätze, die eher vorsichtig, brav, still, höflich und angepasst sind, über Bord werfen. Wir müssen Verantwortung übernehmen – für uns selbst.
Natürlich gibt es ein paar Grundprinzipien, die man als Verkäufer kennen sollte, doch gilt es, diese individuell zu interpretieren und umzusetzen. So ist der Verkauf in erster Linie eine Frage der Haltung, des Mindset und der Glaubenssätze. Mit der richtigen Einstellung zu uns selbst und zu dem, was und wie wir es in unserer ganz eigenen Art tun, kommen wir in Bewegung und werden mit Erfolg belohnt.
Geben Sie dem persönlichen „Wie“ Raum und Zeit
In Unternehmen ist das Was vorgegeben und häufig auch das Warum. Doch den Mitarbeitern das Wie vorzuschreiben, ist kontraproduktiv. Vielmehr müssen wir den Menschen so nehmen, wie er ist. Wir müssen ihm Raum zur Entfaltung geben – in geschäftlichen wie in privaten Beziehungen.
Hat die Führung eines Unternehmens diese Toleranz, ist es möglich, dass die Bedürfnisse aller gedeckt werden. Und wo Bedürfnisse gedeckt werden, „kaufen“ die Menschen – Ideen, Produkte, Dienstleistungen, ganz egal was. Nur wenn wir die Leute ihren eigenen Weg gehen lassen, können Kommunikation, Führung und Verkauf langfristig gut funktionieren. Wo dieser Raum fehlt, ist Frust vorprogrammiert, entstehen Konflikte, gehen Beziehungen kaputt und Chancen verloren.
Zur Erläuterung des Dilemmas ziehe ich gerne das Beispiel einer Bergwanderung hinzu, die meine Frau und ich gerne unternehmen. Das ist das Was. Während mir vor allem der sportliche Aspekt am Herzen liegt, liebt es meine Frau, die schöne Natur zu beobachten. Das ist unser divergierendes Warum. Ebenso verschieden kann auch das Wie sein: Das ist einerseits situationsabhängig, andererseits – und vor allem – eine Typfrage. Hier können leicht Konflikte entstehen, wenn die Bedürfnisse im Vorfeld nicht klar sind und kommuniziert werden.
Die unterschiedlichen Herangehensweisen meiner Frau und mir werden schon bei der Vorbereitung offenbar. Während ich so wenig wie möglich bei mir trage – festes Schuhwerk ist wichtig und Geld, um auf der Almhütte etwas zu kaufen, sorgt meine Frau für alle Eventualitäten und für alle Familienmitglieder vor: Essen und Getränke, Regenjacken, Reservekleidung, Sonnen- und Mückenschutz, Wanderführer, Kamera, Taschenmesser, Taschentücher, Pflaster und Kaugummi – nichts darf fehlen. Wichtig ist, dass ich die Vorgehensweise meiner Frau nicht bewerte und ihr sage, wie sie es anders oder gar „besser“ machen könnte. Stattdessen denke ich in guter alter Verkäufermanier darüber nach, wie ich ihr dabei helfen kann, „ihr Ding“ zu machen.
Der Erfolg zeigt sich bei der Wanderung an sich: Ich bin gerne schnell, sie lieber etwas langsamer, unterwegs. Zu Beginn unserer gemeinsamen Ausflüge war das oft ein Problem, denn ich war ungeduldig und sie war schnell überanstrengt. Bald haben wir uns darauf geeinigt, dass jeder nach seiner Gangart wandert – ich gehe ein Stück voraus, sie holt mich
bei einer Rast wieder ein. Diese Lösung entspricht am besten unserer Veranlagung und unseren Bedürfnissen. Inzwischen gehen wir sogar meist gemeinsam, weil jeder von uns gemerkt hat, dass er vom anderen nicht für dessen Zwecke „verkauft“ wird, sondern das persönliche Wie ausleben darf.
Seien wir uns also bewusst, dass jeder seine „Gangart“ hat. In einem Team sollten folgende Fragen im Fokus stehen: Wie können wir von den unterschiedlichen Charakteren profitieren? Wie kommen wir am besten zusammen? Wie sind wir am effektivsten? Denn: Wer nach seiner Art handeln darf, hat Spaß und ist motiviert. Und wer motiviert ist, ist produktiver. Nicht umsonst ist Motivation eines der entscheidendsten Themen in der Unternehmenskultur.
Wer ein guter Verkäufer sein will, wer erfolgreich sein will, muss also herausfinden, wer er ist, was ihn ausmacht und schließlich danach handeln (dürfen). Das überzeugt! In jeder zwischenmenschlichen Interaktion – und nichts anderes findet im Verkauf statt – im beruflichen wie im privaten Bereich. Wer dagegen in eine Rolle schlüpft oder sich dauerhaft verstellen muss, hat schon verloren.
Foto: K-Punkt Training