Eine durch Corona veränderte Arbeitswelt und viele neue Sorgen. Wie man damit umgehen sollte, weiß Neurobiologe Dr. Manfred Täuber.
Die Covid-19-Situation hat die digitale Disruption sowie flexible Formen des Arbeitens beschleunigt. Auch wenn sich viele Menschen die alte Normalität wünschen, ist der Zenit der Transformation noch nicht erreicht. Große Veränderungen in Zusammenhang mit elektronischer Automatisierung, künstlicher Intelligenz und virtuellen Realitäten werden die Arbeitswelt der nahen Zukunft prägen. Für Management und Führungskräfte bedeutet dies, dass enorme Anstrengungen erforderlich sein werden, um diese Veränderungen in den Köpfen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umzusetzen.
Krisen erhöhen das Sicherheitsbedürfnis – eine Negativspirale
„Krisen stellen außergewöhnliche Stressbelastungen dar. Menschen reagieren auf solche Ereignisse mit einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis. Sie sehnen sich nach alten Routinen“, so Bestsellerautor und Neurobiologe Dr. Marcus Täuber. „Doch die wirtschaftliche Situation erfordert gerade jetzt Flexibilität und Innovationskraft. Ein Widerspruch, der Unternehmen rasch in die Negativspirale führen kann“.
Die drei Formen der Motivationssteigerung
Die große Aufgabe für die Chefetagen großer Organisationen: Wie Motivation zum erforderlichen Wandel gelingen kann. Aus Sicht der Hirnforschung ist Motivation nichts anderes als Belohnungserwartung, wobei es grundsätzlich drei Formen der Belohnung gibt:
- Materielle Belohnungen wie Prämien und Gehaltserhöhungen
- Soziale Belohnungen wie Lob und Auszeichnungen
- Intrinsische Belohnungen wie Selbstverwirklichung
Während materielle und soziale Belohnungen meist nur kurzfristige Effekte erzielen und zu Abnutzungserscheinungen neigen, wirken intrinsische Belohnungen nachhaltig. Sie sind allerdings eng mit der Persönlichkeit verknüpft und erfordern ein individuelles Eingehen der Führungskraft auf die Mitarbeiterin und den Mitarbeiter.
„Faulheit“ versus Motivation
Generell „faule“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Ausnahme. Die „Faulheit“ beruht meist auf mangelnder Motivation für eine bestimmte Aufgabe, weil diese zu wenig Belohnung verspricht. Die Tätigkeit muss zur Persönlichkeit und den Bedürfnissen passen. Führungskräfte können dies leicht erkennen: Wer bei Projekten andere arbeiten lässt, ist für diese Tätigkeit nicht geeignet.
Dr. Täuber, der selbst als Abteilungs- und Vertriebsleiter Personalverantwortung hatte, rät, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einem Persönlichkeitsprofiling zu unterziehen. Er hat vier Typen charakterisiert, je nachdem, welche neuronalen Botenstoffe und Hormone das Verhalten besonders prägen.
Brainchanging is gamechanging: Mentale Intelligenz als härteste Währung der Zukunft
Täuber: „Jeder von uns hat die Chance, persönlich gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Unser Gehirn ist in der Lage, Krisen zu bewältigen, und tut dies auch regelmäßig: Geburt, Krankheit, Altern, Schmerzen, Enttäuschungen, Niederlagen, Verluste – all das gehört zum Leben wie das Amen zum Gebet.“
Der Bestsellerautor hat das Konzept der „mentalen Intelligenz“ entwickelt. Es beschreibt die Fähigkeit, dass wir mit unserem Stirnhirn den Fokus auf Gedanken kontrollieren und so unser Denken lenken können. Neben der kognitiven Intelligenz (IQ) und der emotionalen Intelligenz (EQ) macht erst die mentale Intelligenz (MQ) unsere Trilogie der Grundfähigkeiten komplett. Für Täuber ist es erforderlich, dass wir uns regelmäßig aktiv dazu zwingen, alte Denkmuster zu durchbrechen und so den MQ zu trainieren. Sein Tipp: Jedes Unternehmen sollte regelmäßig fixe Zeiten reservieren, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht ihrer regulären Tätigkeit nachgehen, sondern gezielt Neues lernen und auf kreative Weise das Erlernte mit anderen teilen sollen. Für ihn ist die Fähigkeit, altes Denken über Bord zu werfen und sich mit Change anzufreunden, die „härteste Währung“ in einer unsicheren Umwelt.
Das Steinzeitprogramm in uns
Unsicherheiten lösen Sorgen aus, auch Blutabnahmen, Impfungen oder kleine Eingriffe können bei manchen Menschen sehr starke Ängste bis hin zur Panikreaktion auslösen. Besonders stark ist die Angst vor Verletzungen durch Nadeln bei jungen Erwachsenen ausgeprägt. Rund 25 Prozent weist eine entsprechende Phobie auf. Im Alter nimmt die Angst ab und erreicht eine Prävalenz von etwa 3 bis 5 Prozent.
„Die Angst vor Verletzungen ist ein Steinzeitprogramm unseres Gehirns“, so Neurobiologe Marcus Täuber. Wer sich verletzte, hatte ein deutlich erhöhtes Sterberisiko. Die Trypanophobie setzt bei diesem evolutionären Erbe an, und wird durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst.
Manche Menschen sind grundsätzlich eher ängstlich, andere wiederum haben negative Erlebnisse von ersten Arztbesuchen abgespeichert, die schmerzhaft waren. Auch der Kontrollverlust spielt eine bedeutsame Rolle. Eine Impfung wird von manchen Menschen mit einem Gefühl von ausgeliefert sein verbunden. „Dieser Kontrollverlust“, so Täuber, der in seinem neuen Buch „Falsch gedacht!“ Irrtümern in unserem Gehirn auf den Grund geht „bewirkt eine verzerrte Risikowahrnehmung“.
Das ist im Prinzip wie bei der Flugangst: Wir haben in der Regel mehr Angst vorm Fliegen, als vor der Autofahrt zum Flughafen. Statistisch gesehen ist aber zweiteres riskanter. Nur wenn wir selbst am Steuer sind oder auf den Fahrer einwirken können, gibt uns das ein Gefühl von Kontrolle und damit Sicherheit.
Angst ist nicht logisch
„Angst ist nicht logisch“, fasst der Neurobiologe zusammen. Viele Menschen haben ein mulmiges Gefühl, wenn sie im Meer baden. Die Angst vorm weißen Hai ist dabei besonders ausgeprägt. Allerdings: Nur etwa zehn Menschen sterben durchschnittlich pro Jahr weltweit an einer Haiattacke.
Insofern ist die Angst vor einer Impfung vergleichbar mit der Angst vorm weißen Hai. Bei beiden werden wir verletzt, empfinden wir einen Kontrollverlust bis hin zu einem Gefühl des „ausgeliefert seins“, und bei beiden malt sich das Gehirn entsprechende Schreckensszenarien aus. Die Alarmanlage im Gehirn, die sogenannte Amgydala, wird aktiviert und erhöht das Stresshormon Kortisol. Die Bilder aus Hollywood wie auch einzelner Medienberichte zu Haibissen brennen sich besonders leicht in die Amygdala ein.
Was wir gegen die Angst vor Nadel tun können
Marcus Täuber: „Das Tückische an der Angst: Sie führt zu einem Vermeideverhalten. Dadurch aber wird das Problem nicht gelöst. Auswege aus dieser Angst liegen in der kontrollierten Konfrontation.“
Für Täuber ist es wichtig, die Angst wahrzunehmen und zu akzeptieren. „Dazu müssen wir sie uns eingestehen und wie eine gute Freundin betrachten, die uns vor Gefahren beschützen möchte“. Wer sich mit faktenbasierten Aspekten des Impfens beschäftigt und Sorgen mit Vertrauenspersonen sowie der Hausärztin bzw. dem Hausarzt bespricht, legt den Grundstein zu einer Linderung. Tiefe Bauchatmung in Zusammenhang mit inneren Bildern von angsteinflößenden Situationen helfen, mehr Ruhe im Kopf zu erlangen. In ausgeprägten Fällen hilft eine Expositionstherapie, die auch über Virtual-Reality durchgeführt werden kann.
Über Dr. Marcus Täuber
Dr. Marcus Täuber ist promovierter Neurobiologe, Buchautor und Lehrbeauftragter an der Universität Wien sowie der Donau Universität Krems. Der Leiter des Instituts für mentale Erfolgsstrategien bringt Erkenntnisse der Hirnforschung als Vortragender auf den Punkt. Mit fünf erschienen Sachbüchern, unter anderem den Nummer 1-Bestseller „Falsch gedacht! Wie Gedanken uns in die Irre führen und wir mit mentaler Intelligenz zu wahrer Stärke gelangen“, gilt er als einer der Besten seines Faches. Sein Motto: Brainchanging is Gamechanging®.
Foto: IfMES