Am 1. April hat der Österreichische Skulpturenpark in Premstätten nach der Winterpause wieder seine Tore geöffnet – er startet heuer bereits in die 20. Saison. Gefeiert wird das runde Jubiläum mit zwei neuen permanenten Skulpturen.
Der weitläufige Park in Premstätten, der die Entwicklung der Skulptur von der klassischen Moderne bis heute zeigt, wurde 2003 gegründet und macht etwa 80 Werke nationaler und internationaler Künstler*innen erlebbar.
Pünktlich zum Jubiläum wartet der Skulpturenpark mit zwei spannenden Neuzugängen von Judith Fegerl und Christoph Weber auf, die nach zwei Jahren temporärer Ausstellung ab sofort permanent im Skulpturenpark verbleiben. Fegerls sunset, eine Skulptur aus unterschiedlich großen Solarpaneelen, ist eine vielschichtige Arbeit, die künstlerische Formensprache mit Fragestellungen zu Energie und Nachhaltigkeit verbindet. Webers sechs komma vier ist hingegen eine mehrteilige Skulptur aus Beton, die dem natürlichen Ausgangsmaterial Kalkstein nachempfunden ist.
„Die beiden Arbeiten zeigen auf unterschiedliche Weise die Erweiterung des zeitgenössischen Skulpturenbegriffs am Puls der Zeit auf“, erklärt Elisabeth Fiedler, Leiterin des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, zu dem auch der Österreichische Skulpturenpark gehört.
Kehrseiten der „Clean Energy“
Auf schiefer Wiesenebene verankert, montiert Judith Fegerl ihre leicht dystopisch erscheinende Struktur sunset aus dem Jahr 2021, auf der sich unterschiedliche Paneele befinden. Auf dem konstruktiven, etwa kniehohen Stahlgestell finden sich neun zum Teil 20 Jahre alte Solarpaneele unterschiedlicher Größe, Produktion und Anwendungsbereiche aus dem Fundus des Forschungsprojekts PVRE2. Recycling und Reparatur von alten PV-Paneelen sind der Forschungsgegenstand dieser Allianz aus Silicon Labs Graz, Montanuniversität Leoben und OFI (Österreichisches Forschungs- und Prüfinstitut) in Wien.
Mit ihrer Arbeit zeigt Fegerl Energiequellen und deren technische, inhaltliche und zeitliche Verläufe, die als grundlegende Errungenschaft technischer Revolutionen verstanden werden, aber gleichzeitig so gut wie möglich versteckt, so unsichtbar wie möglich ihrer Funktion nachkommen mögen.
Zugleich werden die Kehrseiten der „Clean Energy“, nämlich die Probleme von Herstellung und Entsorgung, thematisiert, die in den Paneelen produzierte Restenergie, die nicht entweichen kann, befragt sowie unterschiedliche Formen, Oberflächen und Formate, Farb- und Materialveränderungen betrachtet.
Im Wissen darum, dass ein Teil des Österreichischen Skulpturenparks einst Mülldeponie war, reflektiert Judith Fegerl den Versuch, Material- und Ressourcenkreisläufe in Gang zu halten. Normalerweise als „Verschandelung“ auf Dächern empfunden, entfalten sich die Paneele hier als autonome Statements.
Anthropogene Masse übertrifft Biomasse
Beton definiert sich als jener Werkstoff, der unsere wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Entwicklung seit der Antike begleitet. Im Jahr 2020 hat die anthropogene Masse jene der Biomasse eingeholt, es existiert also mehr vom Menschen Produziertes, das meiste davon aus Beton, als von der Natur Vorgegebenes.
Interessiert an Entstehung, Bedeutung, Veränderlichkeit und Beeinflussung dieses Werkstoffs wählt Christoph Weber für seine Skulptur sechs komma vier einen etwa 200 Kilogramm schweren Stein, gesprengt im Kalksteinbruch eines Zementwerkes, als Ausgangsmaterial für seine Arbeit sechs komma vier.
Kalkstein wird im industriellen Prozess nach der Sprengung normalerweise weiter zerkleinert, zu Klinker gebacken und zu Zement vermahlen. Weber eruierte die Menge an Zement, die der gewählte Kalkstein abgeworfen hätte, und berechnete, dass in 6,4 Kopien des Originalsteines aus Beton dieselbe Menge an Zement zu finden ist.
Mit dieser tautologischen Schleife thematisiert Weber Fragen nach Vervielfältigung und Ressourcenverknappung und stellt in seinem spezifischen skulpturalen Ansatz anthropozentrischen Einfluss und geologisch Vorhandenes in lakonischer Sentimentalität gegenüber: Die so natürlich wirkende Form des Steines war tatsächlich schon der erste Schritt eines industriellen Prozesses (Sprengung), auch die lapidare Platzierung im Skulpturenpark am Wegesrand nimmt Anleihe an der inflationären Ablage von Steinen ähnlicher Größe, um das Parken von Automobilen in der Wiese einzudämmen.
Foto: Universalmuseum Joanneum/Michael Schuster