Onboarding-Prozesse richtig gut gestalten

Fachkräfte können sich heute aussuchen, bei welchem Unternehmen sie einsteigen. Leider sind die Rekrutierungs- und Onboarding-Prozesse oft nicht so gestaltet, dass man den Eindruck hat, die Unternehmen suchen Fachkräfte und wollen diese auch langfristig an sich binden, weiß Prof. Elke Müller, Expertin für kultursensible und diversitätsbewusste Zusammenarbeit.

Um Mitarbeiter dauerhaft zu binden, sollten Unternehmen das Onboarding von Anfang an mitdenken. Wie sieht die Person, die wir rekrutieren wollen, konkret aus, was erwartet diese Person, wie wird die Einarbeitung gestaltet und welche Maßnahmen werden ergriffen, um eine nachhaltige Bindung zu gewährleisten?

Meine Tipps dazu: Im Recruiting mit Personas arbeiten, je konkreter die Beschreibung, umso leichter gelingt ein zielgruppenspezifisches Recruiting und Onboarding. Den Onboarding-Prozess auf den Karriereseiten des Unternehmens sichtbar machen. Und Pre-Boarding – also die Zeit zwischen Vertragsunterzeichnung und dem ersten Arbeitstag – aktiv nutzen! Hier muss ein enger Kontakt zu den neuen Kolleginnen und Kollegen hergestellt werden, hier können Buddies ins Spiel kommen, hier können erste (virtuelle) Veranstaltungen für die Newbies organisiert werden.

Das große schwarze Loch der Pre-Boarding-Phase

Fast 20 Prozent der neu eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treten ihre Stelle nicht an - das sagen verschiedene Studien. Von vielen hört man in den Unternehmen nie wieder etwas, andere sagen zumindest ab. Die Gründe, warum jemand seine neue Stelle nicht antritt, sind sicher vielfältig. Darunter sind auch Gründe, die im Unternehmen liegen.

Es ist keine Seltenheit, dass nach der Vertragsunterzeichnung und dem eigentlichen Starttag Monate vergehen - Monate, in denen die neuen Kollegen absolut nichts mehr von ihrem neuen Arbeitgeber hören. So kann man natürlich keine Beziehung aufbauen, so weckt man kein Interesse an den neuen Aufgaben und so bindet man ganz sicher niemanden an das Unternehmen.

Meine Tipps dazu: Die Preboarding-Phase aktiv nutzen! Informieren Sie die Newbies über das Unternehmen, schicken Sie Geburtstagsgrüße oder eine kleine Aufmerksamkeit, kommunizieren Sie regelmäßig! Jetzt kann das Buddy-Programm losgehen: Stellen Sie den Newbies einen Buddy zur Seite, der einen Teil der Kommunikation übernimmt und erste (datenschutzkonforme!) Einblicke in den Unternehmensalltag geben kann. Hier entsteht Beziehung! 

Die fachliche Einarbeitung macht noch lange kein Onboarding!

Die Realität in vielen Organisationen ist, dass unter Onboarding die fachliche Einarbeitung verstanden wird. Doch so einfach ist es nicht! Natürlich soll das Onboarding eine optimale fachliche Einarbeitung in den neuen Aufgabenbereich gewährleisten. Dazu gehört, dass die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den notwendigen Ressourcen (Arbeitsmitteln) und Informationen versorgt werden, die ihnen das schnelle Erlernen ihrer Aufgaben erleichtern.

Fast noch wichtiger ist die Integration in das „emotionale und kulturelle Wertesystem“ des Unternehmens oder der Organisation. Dabei geht es um die Übereinstimmung der Werte und den Aufbau einer Identifikation mit dem Unternehmen.

Dazu gehört auch die soziale Integration in das Team und in die relevanten Abteilungen, um Beziehungen zu allen notwendigen Ansprechpartnern aufbauen zu können. Die neuen Kolleginnen und Kollegen sollen sich von Anfang an im Unternehmen wohlfühlen, Wertschätzung erfahren und eine Bindung zum neuen Arbeitgeber aufbauen, was in der Folge die Fluktuationsrate senkt.

Und es geht darum, eine tragfähige Feedbackkultur zu etablieren. Wenn für die ersten Wochen klare Ziele vereinbart werden, die dann in regelmäßigen Feedbackgesprächen abgeglichen werden, wissen die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wo sie stehen, und die Führungskraft oder auch das Team sieht, wo noch nachgesteuert werden muss. So findet Einarbeitung und Integration nicht in einer „Black Box“ statt, sondern ist transparent und vor allem steuerbar.

Es kommen viele verschiedene neue Kollegen und Kolleginnen!

Zielgruppenspezifisches Onboarding

Im Onboarding-Prozess ist es wichtig, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Erwartungen der neuen Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Standardisierte Maßnahmen reichen oft nicht aus, denn die Vielfalt der „Newbies“ ist groß: Es gibt Führungskräfte, Auszubildende, internationale Mitarbeitende, Hochschulabsolventen, Produktionsmitarbeitende oder Menschen mit Einschränkungen.

Das Onboarding sollte daher zielgruppenspezifisch gestaltet werden, ähnlich wie im Marketing die Kunden in Zielgruppen eingeteilt werden. So kann der Einarbeitungsprozess auf die spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten der jeweiligen Gruppe abgestimmt werden. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn bestimmte Gruppen häufiger rekrutiert werden, z.B. internationale Mitarbeitende oder mehrere Auszubildende pro Jahr. Ein maßgeschneidertes Onboarding kann dazu beitragen, die Erwartungen besser zu erfüllen und eine frühzeitige Fluktuation zu vermeiden, indem die Vielfalt der neuen Mitarbeitenden berücksichtigt und auf ihre individuellen Bedürfnisse eingegangen wird.

Zur Person

Nach Stationen im Personalbereich eines internationalen Unternehmens, als Beraterin und Interims-Managerin im Bereich Handel & Dienstleistungen, macht Elke Müller sich 1996 selbstständig im Bereich der interkulturellen Kommunikation. 2002 übernimmt sie einen Relocation-Dienstleister und führt beide Themen immer enger zusammen. Ihr Unternehmen, die compass international gmbh steht für interkulturelle Kompetenz, Diversity & Inclusion, nachhaltiges Onboarding & die Integration internationaler Mitarbeitender.

Sie ist Betriebswirtin mit Spezialisierung im Human Resources Management und seit 30 Jahren als Trainerin mit ihren Herzensthemen interkulturelle Sensibilisierung, Workshops im Bereich der Antidiskriminierung oder die Sensibilisierung für Diversity – meist für Führungskräfte oder vielfältig zusammengesetzte Teams - am Markt unterwegs. 2014 wurde sie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen der Initiative „FRAUEN unternehmen“ als Vorbildunternehmerin ausgezeichnet. Als Beraterin steht sie für Themen wie die Internationalisierung im Personalbereich, der Einführung und Umsetzung von Diversity- & Inclusion-Projekten sowie dem strategischen Onboarding (internationaler) Mitarbeiter. In ihrem Berufsalltag sieht und erlebt sie, dass über Onboarding zwar viel geredet wird - vor allem in Zeiten von Fachkräftemangel - aber gerade der Mittelstand sich noch sehr schwertut, hier nachhaltige und strategische Prozesse auf den Weg zu bringen.

Foto: Uwe Klössing/Ben Schulz & Partner AG


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