Premiere für Technology Impact Summit

Graz (LCG) – Premiere für den Technology Impact Summit in Graz. Über 300 Experten und führende internationale Wissenschaftler tauschen sich am Donnerstag in der Seifenfabrik über unterschiedliche Aspekte Künstlicher Intelligenz aus. Das neue Diskussionsformat ermöglicht einen holistischen Blick und stärkt den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Mit durchaus kontroversiellen und pointierten Diskussionen nähert sich der Technology Impact Summit der Komplexität der Künstlichen Intelligenz an und verortet Österreich auf der internationalen Tech-Landkarte. Im Fokus stehen die Chancen, die Österreichs Wissenschaft und Wirtschaft nutzen können. Mit renommierten internationalen Wissenschaftlern fördert das neue Event von Universität Graz, Technische Universität Graz, JOANNEUM RESEARCH und FH JOANNEUM die internationale Vernetzung, von der gesamte Standort nachhaltig profitieren soll.

„Künstliche Intelligenz ist wie ein Zusatzgehirn. Trotzdem ist jeder zweite Mensch in Österreich kritisch eingestellt und nur jedes zehnte Unternehmen nutzt sie. Die Wirtschaftsleistung kann um bis zu 40 Milliarden steigen, wenn wir konsequent auf Künstliche Intelligenz setzen und gemeinsam in eine neue technologische Ära starten“, begrüßt ORF-Moderatorin Fanny Stapf zur Premiere des Technology Impact Summit in der Seifenfabrik in Graz.

„Es gibt fundamental andere Zugänge zu neuen Technologien zwischen den Vereinigten Staaten und Europa. Im demografischen Wandel mit weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter bieten Automatisierung und Künstliche Intelligenz die Möglichkeit, unseren Lebensstandard zu erhalten und zu verbessern“, erklärt Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft.

Die Arbeitsproduktivität steige in der Europäischen Union trotz zunehmender Digitalisierung schwach an, führt der Bundesminister aus und geht damit auf das Arbeitsproduktivitätsparadoxon ein. Er erkennt qualitative Verbesserungen und verortet das Wachstumspotenzial der Zukunft in Effizienzsteigerungen, die durch neue Technologien erwirkt werden können.

Transparenz sei eine grundlegende Voraussetzung, um gesellschaftlichen Konsens im Umgang mit Technologien zu bilden und daraus einen Wettbewerbsvorteil im globalen Kontext zu generieren. Rund zwei Drittel der Forschungsinvestitionen werden in Österreich von Unternehmen gestemmt, wodurch der Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gestärkt wird. Den AI Act bezeichnet Kocher als „gute Kompromisslösung“, die sich auch US-Unternehmen wünschen, um auf Rechtssicherheit vertrauen zu können. Er warnt davor, sich im beruflichen Kontext zu sehr auf Künstliche Intelligenz zu verlassen. Das Erlernen von Skills auf dem Karriereweg ist wesentlich, um ein Gesamtverständnis zu entwickeln und Technologien gewinnbringend einsetzen zu können.

„Künstliche Intelligenz hat alle Bereiche der Gesellschaft erreicht. Wir kennen noch nicht alle Chancen, aber wir müssen auch die Risiken im Auge behalten. Wir wollen die Chancen maximieren und die Risiken minimieren. Die Menschenrechte müssen unser Leitfaden bei der legislativen Gestaltung sein. Der AI Act hat die Chance, Europa zum Zentrum für die digitale Innovation zu machen. Vertrauen in Technologie stärkt den Wirtschaftsstandort“, sagt Karoline Edtstadler, Bundesministerin für EU und Verfassung, in ihrer Grußbotschaft.

Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl (Wirtschaft, Regionen, Tourismus, Wissenschaft und Forschung): „Wir haben ein zukunftsweisendes Ökosystem aus Wissenschaft und Wirtschaft, um die Steiermark in eine noch innovativere Zukunft zu führen. Wir haben diese Zusammenarbeit institutionell verankert und haben im Bereich Start-ups Initiativen auf den Weg gebracht, die Leitbetriebe mit Innovatoren beflügeln.“

Rektoren im Espresso-Talk

Horst Bischof (TU Graz, KI-Beirat der österreichischen Bundesregierung), Heinz Mayer (JOANNEUM RESEARCH), Martin Payer (FH JOANNEUM) und Peter Riedler (Universität Graz) diskutieren auf die Länge eines Espressos gekürzt mit Stapf über den akademischen Zugang zu Künstlicher Intelligenz. Die Technische Universität Graz hat kürzlich einen Campus für Cyber Security eröffnet, um sich diesem brennenden Thema zu widmen, in dem die steirische Universität in der globalen Forschung führend ist. Am Campus sollen künftig auch Firmen angesiedelt werden, um Wirtschaft und Wissenschaft noch enger zu vernetzen. JOANNEUM RESEARCH hat Künstliche Intelligenz in allen Forschungsthemen integriert und erlangt dadurch europäische Sichtbarkeit im Bereich der Agrarökonomie oder Automobilindustrie.

„Wir wollen Künstliche Intelligenz in Österreich ankommen lassen, sie in die Breite bringen und die Chancen nutzen. Wir können den AI Act nutzen, um ein Zertifizierungssystem aufzubauen und damit eine Vorreiterrolle einnehmen“, meint Bischof.

„Die Wissenschaft hilft der österreichischen Wirtschaft auf einem Top-Niveau zu bleiben und die Standards weiter zu erhöhen. Technologie ist nicht der Feind, sondern unsere Chance auf den Wettbewerbsvorteil“, betont Mayer.

„Der Mensch steht im Vordergrund, um aus Technologie einen Impact zu schaffen. Mit dem Digital Innovation Hub haben wir die Basis, um Innovationen praxisnahe zu fördern und mit offenen Augen und Neugierde zu forschen und zu entwickeln. Damit sprechen wir die Talente der Zukunft an“, betont Payer.

„Wirt brauchen einen Science Deal und ein klares Bekenntnis zu Wissenschaft, Forschung und akademischen Diskurs auf europäischer Ebene. Durch Offenheit für neue Technologien können wir als Gesellschaft und Wirtschaft wachsen – dafür ist Bewusstseinsbildung für Bildung essenziell“, ist Riedler überzeugt.

Wer gehorcht wem? Mensch und Technologie im Wettstreit

Philosoph Konrad Paul Liessmann (Universität Wien) und Viktor Mayer-Schönberger (Oxford University) diskutieren mit Anna-Maria Wallner (Die Presse) über die Frage, wer künftig die Oberhand haben wird – Mensch oder Maschine. Liessmann sieht in Künstlicher Intelligenz eine Nivellierung nach unten, die Jobs mit intellektuellem Potenzial nicht gefährden wird. Chatbots greifen auf historische Daten zurück und haben wenig Möglichkeiten, sinnvoll zu kontextualisieren und eigene Gedanken zu formulieren oder sinnerfassend in die Zukunft zu blicken. Mayer-Schönberger relativiert und ordnet ein, dass weite Teile der Wissenschaft auf bereits erbrachten Inhalten aufbauen.

Er warnt davor, kreative Schöpfungen überzubewerten. Auch Liessmann schätzt Künstliche Intelligenz als Förderung der Bequemlichkeit, jedoch nicht als kulturelle Revolution ein: „Wissen habe mit Verstehen und bedingt mit Lernen zu tun, während die Ergebnisse von Chat GPT oft falsch sind und Gefahren der Manipulation beinhalten.“ Der Philosoph drängt auf mehr Bildung, um mit Technologien überhaupt umgehen zu können und ihre Ergebnisse kritisch zu kontextualisieren. Die Auslieferung an die Digitalisierung bezeichnet Liessmann als „Kniefall vor Fake News“. Der zu frühe Gebrauch von Technologien schränkt die Entwicklung des Gehirns bei kleinen Kindern ein und führt zu einer Abhängigkeit von Technologien.

„Künstliche Intelligenz hat weder Interessen, noch Neugierde und Forschungsdrang. Chat GPT ist ein klassisches Plagiatsverfahren, das den Anschein der Richtigkeit erweckt und Durchschnittlichkeit liefert“, bringt es Liessmann auf den Punkt.

„Die kulturelle Monogamie wird durch die Digitalisierung durchbrochen und bemächtigt uns durch die Vielfalt an Quellen, die Welt besser zu verstehen. Wir greifen auf eine bemächtigende Infrastruktur zurück. Momentan projiziert die Gesellschaft all ihre Zukunftsängste auf Künstliche Intelligenz. Der Mensch neigt dazu, sich selbst in seinen Fähigkeiten zu überschätzen, während er von der Künstlichen Intelligenz absolute Perfektion verlangt“, bringt es Mayer-Schönburg auf den Punkt.

Spielt Europa noch mit?

Mit Elisabeth Lex (TU Graz) diskutieren über Europas Rolle in der technologischen Evolution Jana Lasser (Universität Graz) und Mic Hirschbrich (Apollo.ai). Lasser sieht Europa durch den AI Act und die Berücksichtigung wesentlicher ethischer, gesellschaftlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen in einer Vorreiterrolle. Auch Hirschbrich erachtet Regulierungen durch die weitreichende Komplexität des Themas als dringend notwendig.

Er wünscht sich mehr philosophische und intellektuelle Mitsprache bei der Ausgestaltung der Legislatur, damit Technologie auch künftig zum Wohlstand beiträgt. Trotzdem verortet er in Europa in Sachen Innovationsfreude und Adaptionsfähigkeit einen enormen Aufholbedarf. Durch sinkende Grenzkosten sieht er eine Chance für Europa, im globalen Wettbewerb aufzuholen. Lasser hingegen meint, dass sich Europa emanzipieren müsse und nicht bestehenden Modellen nachlaufen solle. Relevanter erachtet sie die Integration europäischer Werte und humanistischer Ansätze in neue Technologien. Hirschbrich sieht die rigiden Datenschutzgesetze in Europa als großes Hindernis, um Künstliche Intelligenz trainieren zu können.

„Ein Marketingschachzug von Open AI hat die Welt in Aufruhr versetzt. Künstliche Intelligenz braucht menschliches Feedback. Das wurde durch diesen Push erreicht. Gleichzeitig wurde eine gesellschaftliche und juristische Diskussion ausgelöst, die zu sehr auf dieses eine Produkt, Chat GPT, fokussiert. Der Diskurs muss weiter gefasst werden, um eine einheitliche Regulierung mit den Vereinigten Staaten zu finden und keine europäische Insellösung zu kreieren, die zu Wettbewerbsnachteilen führen kann“, erklärt Hirschbrich.

„Europa mangelt es an der Infrastruktur für die großen generativen Modelle. Die Chance liegt in der Spezialisierung und in qualitativ extrem hochwertigen Daten in einzelnen Segmenten. Das ist in Reichweite! Die Austauschprozesse in der Europäischen Union im wissenschaftlichen Bereich liefern die optimale Basis für diese Vision“, ist Lasser überzeugt.

Justizias Blick auf die Künstliche Intelligenz

Matthias Wendland (Universität Graz) widmet sich im Gespräch mit Thomas Burri (Universität St. Gallen) und Jeannette Gorzala (European AI Forum) den rechtlichen Aspekten Künstlicher Intelligenz und analysiert den AI Act der Europäischen Union. Gorzala beschreibt das Gesetz als Framework, das Unternehmen Sicherheit gibt und Skalierung auf einem attraktiven Markt ermöglicht.

Nach ursprünglichen Drohungen sich aus Europa zurückzuziehen, eröffnet Open AI weitere Büros in der Union und siedelt sich unter anderem in Brüssel, Dublin und Paris an. Burri hingegen spricht von einer enormen Verunsicherung und Rechtsunsicherheit, die durch die europäische Gesetzgebung ausgelöst wurden. Die Verunsicherung durch eine Verordnung, die heterogene Anwendungen betrifft, vertreibe Unternehmen aus der Union und hemmt Innovationen. Die Zustimmung einiger Unternehmen aus den Vereinigten Staaten hält Burri für wenig fundiert und Standardisierungs-Institutionen für inhaltlich überfordert.

„Aus einer guten Idee auf einem weißen Blatt Papier wurde mit dem risikoaversen AI Act der Europäischen Union ein Monster geboren. Wir regulieren uns in eine Situation hinein, in der wir größte Freiheit bräuchten“, konkretisiert Burri.

„Regulierungen im dynamischen Tech-Bereich können nur einen Rahmen geben. Wirtschaftspolitische Faktoren wie Infrastrukturen und Finanzmärkte sind die realen Bausteine für Innovation, die entscheidend sind, ob sich Unternehmen in Europa ansiedeln“, meint Gorzala.

Über den Technology Impact Summit

Der Technology Impact Summit ist eine gemeinsame Initiative von Universität Graz, Technische Universität Graz, JOANNEUM RESEARCH und FH JOANNEUM. Er präsentiert aktuelle technologische und wissenschaftliche Entwicklungen und schlägt eine Brücke zwischen unterschiedlichen Fachbereichen sowie heimischen und internationalen Experten.

Der Fokus der neuen multiperspektivischen Plattform für Wissenschaft, Wirtschaft, Start-ups und Politik liegt auf den Auswirkungen technologischer Entwicklungen auf Wirtschaft und Gesellschaft in naher Zukunft. Hohe Prägnanz wird durch Diskussion in Form von Oxford Style Debates oder Präsentationen in Form von „Lightning Talks“ gewährleistet. Der Technology Impact Summit 2024 wird unterstützt von AVL List, ACP, Grant Thornton, Grazer Wechselseitige, LexisNexis, Microsoft, PwC, Schiefer Rechtsanwälte, Steiermärkische Sparkasse, AWS, Bankenverband, BMAW, BMBWF, CANCOM, Energie Steiermark, Holding Graz, Industriellenvereinigung Steiermark, Land Steiermark, Österreichische Post/Business Solution, Raiffeisen-Landesbank Steiermark, SAP, VSG, WKO Steiermark, 4Events und Vrisch.

Weitere Informationen auf ti-summit.com

Foto: Christian Mikes


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