Startschuss zur Aufholjagd im Städtetourismus

Wenn Österreich am 19. Mai breite Öffnungsschritte im Tourismus setzt, beginnt auch für Österreichs Landeshauptstädte der lange Weg zurück in die „Gewinnzone“. Offene Grenzen, Verkehrsanbindung und bedarfsgerechte Unterstützung sind Voraussetzung, um Städte wieder zur touristischen Triebfeder für das ganze Land zu machen, erklärt die ARGE Städtetourismus der österreichischen Landeshauptstädte.

Die Bundeshauptstadt Wien und die Landeshauptstädte blicken den Öffnungsschritten am 19. Mai freudig entgegen. „Covid-19 sorgte für drastische Einschnitte im globalen Städtetourismus, dessen Erholung noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Angesichts der bevorstehenden Öffnung vereint uns aber vor allem eines: Optimismus, Mut und die Bereitschaft, den Restart voranzutreiben und die Resilienz der gesamten städtischen Tourismuswirtschaft für die Zukunft zu stärken. Denn eines ist sicher: Wenn es wieder nach oben geht, werden die Städte in ihre langjährige Rolle als Wertschöpfungsmotoren, Innovationstreiber und Garant für touristische Ganzjahresarbeitsplätze zurückfinden“, erklärt Wiens Tourismusdirektor Norbert Ketter in seiner Funktion als Vorsitzender der ARGE Städte, der Arbeitsgemeinschaft Städtetourismus der österreichischen Landeshauptstädte und der Bundeshauptstadt.

„Aus globalen Krisen der Vergangenheit haben wir gelernt: Städtetourismus ist zwar als erster und in der Regel am stärksten betroffen, agiert in der Erholungspause allerdings rasch und flexibel. Mittel- wie langfristiges Wachstum für Österreichs Tourismus ist nur mit den Städten zu bewerkstelligen – das Fundament dafür ist jetzt zu legen.“

Das Leben spielt sich in den Städten ab

Kaum ein Segment in Österreichs Tourismus ist stärker auf offene Grenzen angewiesen als die Städtedestinationen. Kongresse, Firmentagungen und Geschäftsreisen werden nicht nur stark von internationalem Publikum gespeist, sie gelten zugleich als Umsatz- und Wachstumstreiber. Von den so genannten Spillover-Effekten profitiert nicht nur die Wirtschaft in den Städten, sondern im gesamten Land, etwa durch Zulieferbetriebe. Zugleich bieten Städte ein besonders reichhaltiges und vielfältiges Kunst- und Kulturangebot, das im Zentrum des vielzitierten und mittlerweile breitflächig angestrebten Qualitätstourismus steht.

Städte sind Mobilitätsknotenpunkte, eine Gemengelage aus lokaler wie internationaler Kulinarik und vielfältiger Shoppingangebote von Traditionshandwerk bis hin zu globalen Marken, sie bieten Theater, Konzert- und Opernhäuser, Galerien und Museen, Outdoor-Aktivitäten in Parks, Gärten, oder Zoos, architektonische Highlights und Einblick in Jahrhunderte alte Geschichte. Kurzum: Das Leben spielt sich in den Städten ab. „Ohne Städtetourismus werden mittelfristig weder unser Kulturleben noch die erstklassige Infrastruktur im urbanen Raum finanzierbar bleiben – eine Infrastruktur, die als besonders nachhaltig gilt, weil sie ja von BewohnerInnen wie BesucherInnen zugleich genutzt wird,“ erklärt Kettner. Wesentlicher Ansatz bei der touristischen Entwicklung nach Corona sei dabei, die Stadt auch über ihre Kernbereiche hinaus erlebbar zu machen, die Bevölkerung stärker in das Tourismusgeschehen einzubinden – als Gastgeber, als Teil der Atmosphäre einer Stadt, aber auch als Profiteur von infrastrukturellen Entwicklungen, die ohne Tourismus nicht möglich wären.

Im Umkehrschluss könne dies für breite Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen. „Tourismus wird insgesamt ‚smarter‘ werden – Städte haben bereits in der Vergangenheit viele der nun angestrebten Entwicklungen vorweggenommen“, so Kettner.

Voraussetzung: Offene Grenzen und Connectivity über EU-Tellerrand hinaus

Voraussetzung dafür, dass Städte wieder ihre Funktion als Orte der Begegnung, Internationalisierung und Eintrittspforte zum weiteren Erschließen des Landes einnehmen können, ist die Wiedererrichtung internationaler Verkehrswege. „Aus strategischen und wirtschaftlichen Gründen haben die Themen Connectivity, Stärkung der Fluganbindung sowie der Netzwerkfunktion des Home Carriers Austrian Airlines höchste Priorität,“ so Kettner.

Auf kürzeren und mittleren Distanzen gewinnt der immer leistungsfähigere Schienenverkehr – Stichwort Night-Jets – wie auch die Renaissance des Fernbusverkehrs an Bedeutung. Der gezielte Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der Städte mit den ländlichen Regionen verbindet, müsse von preislich attraktiven Angeboten an die Gäste begleitet werden. Gerade dieser Aspekt – im Fachjargon oft als „Last Mile“ bezeichnet – bildet eine Kernkomponente dabei, die Gästeanreise in der Zukunft nachhaltiger zu gestalten.

Österreich Werbung als verlässlicher Partner und Standbein im Ausland

Österreichs Städtedestinationen haben die Zeit der Einschränkungen produktiv genutzt und garantieren Gästen und den MitarbeiterInnen in den Betrieben nicht nur in höchste Sicherheits- und Hygienestandards – auch angebotsseitig wurden zahlreiche Pakete geschnürt, um sicheren Kulturgenuss, vielfältige Outdooraktivitäten und städtisches Flair corona-konform erlebbar zu machen.

Der Trend zur äußerst kurzfristigen Buchung ist in den Städten schon vor vielen Jahren angekommen, Beherbergungsbetriebe und touristische Anbieter begegneten ihrem Publikum bereits vor Corona mit größtmöglicher Flexibilität.

„Nun gilt es, die Stärken der Städte mit voller Marketing-Power zu kommunizieren. Dabei zählen wir auch auf die Unterstützung der Österreich Werbung, deren Auslandsbüros bereits in der Vergangenheit ein verlässlicher Partner und ein nicht wegzudenkendes Standbein im Destinationsmarketing waren – und die durch die Folgen von Corona noch mehr an Bedeutung gewonnen haben,“ regt Kettner an, die längst überfällige, seit nunmehr zwei Jahrzehnten nicht mehr durchgeführte Anpassung des Budgets der Österreich Werbung aktuellen Erfordernissen anzugleichen.

Bedarfsgerechte Unterstützung geschwächter Segmente

Städte sind Ganzjahresdestinationen und als solche auch Ganzjahresarbeitgeber. Zum aktuellen Zeitpunkt ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass vor allem der Städtetourismus länger als andere auf Unterstützung angewiesen sein wird.

„Es wird wohl noch einige Zeit notwendig sein, Nachfrageschwankungen auf betrieblicher Ebene mit Maßnahmen wie Kurzarbeit ein Instrument entgegenzusetzen, um das Wirtschaften in den kommenden, noch nachfrageschwachen Monaten zu ermöglichen. Das Bekenntnis, Österreichs Tourismus gesamtheitlich durch die Krise zu helfen, war wichtig und richtig – in der nächsten Phase sind aber zielgerichtete Förder- und Unterstützungsmaßnahmen wesentlich, um insbesondere den hart getroffenen Städten eine gleichberechtigte Möglichkeit zum Neustart zu geben. Es gibt Zuversicht, dass viele Bereiche vorwiegend im ländlichen Ferientourismus auf eine durchaus perspektivenreiche Sommer-Saison blicken können, ähnlich, wie es bereits im Sommer 2020 der Fall war. Der stark vom internationalen Gast abhängige Städtetourismus und die städtische Meeting-Industrie brauchen für die kommenden Monate dafür umso intensivere Zuwendung. Sie wird in puncto Wirtschaftswachstum nach überwundener Krise mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden“, so Kettner.

Hohe Einbußen durch Corona, viel Potenzial für kommende Jahre

In den vergangenen Jahrzehnten nahm insbesondere der international getriebene Städtetourismus die Funktion einer Triebfeder für die touristische Entwicklung des gesamten Landes ein – die Pandemie sorgte schlagartig für eine Pause. In Summe waren die Bundeshauptstadt sowie die acht Landeshauptstädte 2020 mit einem Rückgang von 68,5% auf 8,2 Mio. Nächtigungen konfrontiert, und damit mit einem doppelt so hohen Rückgang wie gesamt Österreich (-35,9% auf 97,9 Mio. Nächtigungen).

Vor der Pandemie waren allerdings gerade die Landeshauptstädte Treiber der touristischen Entwicklung Österreichs: Ab dem Jahr 2000 – bis Ende 2019 – wuchsen die Gesamtnächtigungen in ganz Österreich um rd. 34%, in den Landeshauptstädten hingegen um rd. 109%, in Wien sogar um 129%. Rund 26 Millionen Nächtigungen zählten die neun Landeshauptstädte noch im Jahr 2019.

Auch was den Heimmarkt Österreich betrifft, ist der Rückgang in den Landeshauptstädten deutlich zu erkennen: Mit 2,8 Mio. an Inlands-Nächtigungen hatten die Landeshauptstädte 2020 mit Einbußen von 51,1 % zu kämpfen, im Vergleich dazu fielen diese in gesamt Österreich mit 31,6 Mio. Inlands-Nächtigungen bzw. einem Rückgang von 20,9% nicht einmal halb so stark aus. Das Fazit: „Inlandstourismus allein kann Österreichs Landeshauptstädte und damit den gesamten Tourismusstandort Österreich auch heuer nicht retten. Wir setzen große Hoffnungen in den grünen Pass, brauchen aber zugleich – und möglichst bald – Reiseprotokolle und Fluganbindung aus zahlungskräftigen, durchgeimpften Überseemärkten wie etwa den USA oder Ländern wie Großbritannien, Israel oder dem arabischen Raum“, schließt Kettner.

Foto: WienTourismus/Peter Rigaud


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