Vor ein paar Tagen im Aufzug eines großen Konzerns: „Ich bin so glücklich. Endlich habe ich eine Top-Managerin für den Job gefunden. Sie ist so toll! Jung, bestens ausgebildet und hoch motiviert. Hoffentlich wird sie nicht schwanger...“ Ein Gedanke, ausgerechnet von einer Frau geäußert, der tief blicken lässt und mich nachdenklich macht. Denn bis heute ist es uns nicht annähernd gelungen, ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in den höchsten Führungsetagen zu erreichen. Auch 2024 werden Frauen in Vorständen und Geschäftsführungen deutlich in der Unterzahl sein, von einer geschlechtergerechten Besetzung sind wir gefühlte Lichtjahre entfernt. Dazu tragen verstaubte Klischees bei, die sich tief in den Köpfen verankert haben. Zum Beispiel: Kind und Karriere - unmöglich! Stimmt so nicht, sage ich als Mutter von zwei Töchtern, die bereits wenige Wochen nach der Geburt der Kinder wieder gearbeitet hat. Schwierig ja, aber niemals unmöglich!
Sandra Hofer, ihreszeichens Geschäftsführerin von Union Investment Austria, erzählte mir beim Interview für die aktuelle ABW-Ausgabe, das sie selbst erst relativ spät Mutter geworden ist. Weil sie Bedenken wegen der Doppelbelastung hatte. Heute ist sie überzeugt: Es geht. Aber natürlich sei es nicht immer einfach. Sie sieht sich als Mentorin für junge Frauen und will ihnen die Angst vor der Vereinbarkeit von Kind und Karriere nehmen. Damit sie ihren Weg gehen können – als erfolgreiche Mitarbeiterinnen und Mütter.
Auch Herta Stockbauer, die wir viele Jahre begleiten durfte, hat sich stets aktiv für Frauenförderung eingesetzt. Mit 30. Juni übergibt die Vorstandsvorsitzende der BKS Bank an ihren Vorstandskollegen Nikolais Juhasz. Kein ungewöhnlicher Vorgang, dennoch ein schmerzlicher, denn mit Stockbauers Stabübergabe gibt es wieder eine Frau weniger an der Spitze eines heimischen Unternehmens.
Aktuelle Studien zeigen, warum noch viel zu tun ist: In den 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs waren zu Jahresbeginn von 605 Vorstandspositionen 531 mit Männern besetzt. In den Vorständen börsennotierter Unternehmen sind sogar nur in 26 von 223 Vorständen Frauen zu finden. Deutlich besser sieht es bei den heimischen Kreditinstituten aus: Hier sorgt seit 2014 eine spezielle Regelung für mehr Frauen in Aufsichtsrat und Vorstand. Mit einem Frauenanteil von durchschnittlich mehr als einem Drittel im Aufsichtsrat schneiden die großen Banken deutlich besser ab als der Durchschnitt der 200 umsatzstärksten Unternehmen.
Hoffnung verspricht auch die von den EU-Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament beschlossene Geschlechterquote. Sie muss ab 2026 umgesetzt werden und könnte endlich für ausgewogenere Zahlen sorgen. Denn mindestens 40 Prozent der Aufsichtsratsposten und 33 Prozent der Vorstandsposten sollen – so versprechen es die Politiker – an das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht gehen. Es bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung zügig erfolgt und nicht vergessen wird, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht nur für Frauen, sondern für beide Geschlechter zu fördern. Denn erst dann können wir von Chancengleichheit sprechen und antiquierten Ängsten und Ansichten endlich die Stirn bieten.
Meint Ihre
Barbara Mucha
P.S.: Viel Freude beim Lesen der Geschichten unserer Top-Powerfrauen der Finanz- und Versicherungsbranche. Die aktuelle Ausgabe ist ab sofort im Zeitschriftenhandel erhältlich.