Dr. Susannen Baumann-Söllner Vorstand IAKW-AG: Der Kongress tanzt (derzeit) nicht

Das Kongress-Business war als erste Branche von Verboten betroffen. Die finanziellen Einbußen sind gewaltig. Susanne Baumann-Söllner über digitale Besucher, neue Konzepte und künftige Veranstaltungen. 

 

Die derzeitige Situation ist für die gesamte Veranstaltungsdestination Wien eine noch nie dagewesene Herausforderung“, sagt Dr. Susannen Baumann-Söllner. Als Österreichs größtes Veranstaltungszentrum sei man vor allem auf internationale Großkongresse spezialisiert. Normalerweise bringe man jährlich weit über 100.000 Kongressgäste nach Wien, was immense positive Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft habe – laut IHS spreche man über einen BIP-Effekt von über 500 Millionen Euro. „Die letzten Jahre waren durchgehend sehr erfolgreich für unser Haus und unter normalen Umständen hätten wir 2020 diese guten Ergebnisse nochmals übertroffen. Uns trifft die Krise auch insofern besonders hart, weil das Kongress-Business die erste Branche war, welche von Verboten betroffen war. Und es dürfte auch eine der letzten sein, welche wieder im gewohnten Umgang hochgefahren werden kann“, vermutet die Managerin.

Schaden ist noch nicht abschätzbar

Die Höhe des Gesamtschadens werde man erst in ein bis zwei Jahren seriös bewerten können. Es werde entscheidend sein, wie lange die derzeitige Situation noch anhalte. „Die ersten Wochen der Krise waren wir vollauf damit beschäftigt, in Abstimmung mit den Veranstaltern Kongresse in die nächsten Monate und Jahre zu verschieben. Dies ist uns bisher sehr gut gelungen und wir konnten so den Schaden für uns als Kongresszentrum sowie für die gesamte Kongressdestination Wien entsprechend reduzieren. Wien hat einen extrem guten Ruf als Kongressstandort und ist seit Jahren unter den Top 3 weltweit – gemeinsam mit Barcelona und Paris. Damit dies so bleibt, sind wir in laufender Abstimmung mit Kunden, Partnern, der Stadt Wien und den anderen Kongresszentren vor Ort“, so Baumann-Söllner. 

Digitale Kongressteilnahme wird zunehmen

Unsere besondere Herausforderung ist es, dass wir es – wie noch nie zuvor – mit einer internationalen Krise zu tun haben. Selbst wenn wir in Österreich bzw. in Europa schon in absehbarer Zeit den Virus im Griff haben sollten, wird sich die derzeitige Krise auch mittelfristig auf das Kongresswesen auswirken. Die letzten Jahre hat es weltweit einen ungeheuren Boom zu immer größeren Kongressen und immer mehr Teilnehmern gegeben, nun rechnen viele Experten mit einer komplett anderen Entwicklung. Der klassische Kongress vor Ort wird weiter erhalten bleiben. Allerdings wird zukünftig ein signifikant höherer Anteil der Teilnehmer nur noch digital – das heißt von zu Hause aus – dabei sein. Für die gesamte Branche ist es daher entscheidend, entsprechende Konzepte und Möglichkeiten schnell zur Verfügung zu stellen.“ Man habe das Glück, mit dem Radiologenkongress ECR bereits viele Jahre einen der weltgrößten „hybriden“ Kongresse im Haus zu haben. Aufbauend auf diesen Erfahrungen werde man zukünftig sicher viele zusätzliche Veranstaltungen vor Ort und digital erleben.

Die Maßnahmen der Regierung wirken sehr gut 

Mit den Maßnahmen der Regierung ist die Kongressexpertin zufrieden. „Aus meiner Sicht wirken die Maßnahmen sehr gut, schon beginnend in der Virusbekämpfung, wo Österreich als Vorreiter aufgetreten ist. Entscheidend war hier auch die vorbildliche Krisenkommunikation, daher wurden die Maßnahmen auch von den allermeisten Österreicherinnen und Österreichern mitgetragen und die Anzahl der Infizierten konnte sehr schnell reduziert werden. Ebenso wichtig sind die umfassenden wirtschaftlichen Maßnahmen: Durch die Kurzarbeit wurde sehr viel abgefedert. Nun gibt es bereits einen klaren Fahrplan zum schrittweisen Hochfahren von Geschäften, Gastronomie, Schulen, Kindergärten.“

Home-Office und Kurzarbeit

Und wie hat sich der Lockdown auf die Mitarbeiter des Austria Center Vienna ausgewirkt? „Für knapp zwei Monate war ein Großteil unseres Teams im Homeoffice tätig – ausgenommen natürlich jene Mitarbeiter, welche für die technische Instandhaltung des Gebäudes sowie die Betreuung unseres absolut im Plan liegenden Umbauprojektes vor Ort sind. Als von der Krise stark betroffenes Unternehmen nutzen wir außerdem das Angebot der Kurzarbeit für einen Teil der Mitarbeiter und bieten ihnen die Möglichkeit, diese Zeit zur digitalen Fortbildung zu nutzen. Wir haben schnell festgestellt, dass gerade in Zeiten wie diesen die laufende Abstimmung sowie eine transparente Krisenkommunikation sehr wichtig ist – auch wenn sie nur digital erfolgt. In einer wöchentlichen Mitarbeiterversammlung über Microsoft Teams geben wir ein Update, was es an wichtigen Neuigkeiten gibt. Dazu gibt es die laufenden Abstimmungen, Jour Fixes, Intranet-Meldungen. Sehr viele Mitarbeiter haben Betreuungspflichten von Kindern, welche ebenfalls zuhause sind – entsprechend flexibel gestalten wir unseren Arbeitsalltag“, erzählt die IAKW-Chefin. Ab Mai würden die Mitarbeiter nun schrittweise wieder ins Büro kommen – unter klar definierten Sicherheits- und Hygienevorgaben. Auch mit den Kunden halte man laufenden Kontakt, dabei gebe man regelmäßige Updates über die allgemeine Lage sowie über aktuelle Konzepte und Maßnahmen. Dies werde durchwegs sehr positiv aufgenommen. 

Spätestens im Herbst geht es wieder los 

Derzeit sei besonders die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit aller Unternehmen gefordert. Eine Krise wie diese habe nahezu niemand voraussehen können und sie treffe Unternehmen dementsprechend hart. Besonders schwierig sei die Unsicherheit über die künftige Entwicklung und Dauer der Krise, wobei in Österreich zumindest der Vorteil bestehe, dass man schneller als andere Länder reagiert habe und es im internationalen Vergleich auch eine klarere Linie für zukünftige Maßnahmen und Einschränkungen gebe.

„Das führt mich auch zu einem konkreten Beispiel von Anpassungsfähigkeit: Internationale Großveranstaltungen, einheitlich offene Grenzen und reduzierte Sicherheitsbestimmungen dürften frühestens erst ab 2021 bzw. ab einer vorhandenen Covid19-Impfung wieder realistisch sein. Wir erwarten daher, dass wir den kommenden Monaten deutlich mehr nationale Veranstaltungen als bisher im Hause durchführen. Aufgrund unseres einmaligen Platzangebots mit 24 Sälen und 180 Räumen bringen wir die besten Rahmenbedingungen mit, sichere Raumkonzepte mit ausreichenden Mindestabständen und hygienischen Top-Standards anzubieten. Wir sind zuversichtlich, dass spätestens im Herbst wieder nationale Veranstaltungen unter strengen Auflagen stattfinden können und werden auf jeden Fall bestens vorbereitet sein“, meint Dr. Baumann-Söllner abschließend. 

Foto: AKW-AG/Andreas Hofer