DI Sandra Schneider, AIT: "Frauen müssen das System durchschauen"

Dipl.-Ing. Sandra Schneider hat seit über vier Jahren die Stelle des International Business Development am Austrian Institute of Technology inne.

 

Ihr Vater riet ihr vom Maschinenbau-Studium ab, sie absolvierte es dennoch erfolgreich. In der Chemiebranche leitete sie große internationale Projekte, lebte und arbeitete in Frankreich, Deutschland und China. Seit etwas mehr als vier Jahren hat sie die Stelle International Business Development am AIT übernommen und ist zuständig für die strategische Ausrichtung und den Technologietransfer der Auftragsforschung zu Digitalisierung, Dekarbonisierung sowie Industrie 4.0 am internationalen Markt.

Aktuell ist Dipl.-Ing. Sandra Schneider verantwortlich für das International Business Development der AIT Austrian Institute of Technology GmbH. Sie war auch schon Projektmanagerin für millionenschwere Chemieanlagen-Projekte, Betriebsleiterin, Chefin der Instandhaltung und Director Operations and Supply Chain, also Chefin über mehrere Produktionsbetriebe weltweit.

Das Interesse für Maschinenbau erwachte früh: „Ich bin eigentlich immer meinen Interessen gefolgt. Ich wollte von den Fächern, die mir in der Schule gut gelegen sind, mehr haben. Maschinenbau hat einfach den größten Überschneidungsbereich gehabt. Ich habe mich im Studium sehr wohl gefühlt. Das war also genau die richtige Entscheidung. Obwohl mein Vater, selbst Maschinenbauer, bei meiner Studienwahl meinte, das sei nix für Mädchen“, erzählt Dipl.-Ing. Schneider, die in Frage stellt, ob man Frauen für technische Berufe begeistern solle. „Ich habe in meinem Umfeld mehr Ingenieurinnen, die nicht in Ihrem Fachbereich tätig sind, sondern HR machen oder Kommunikation. Stabstellen ohne Macht bekleiden. Offensichtlich sind wir nicht wirklich im Ingenieursbereich erwünscht. Wenn eine junge Frau nicht von sich aus die Passion dafür aufbringt, würde ich sie nicht zu überzeugen versuchen“, so Schneider, die mit der fachspezifischen Ausbildungssituation in Österreich zufrieden ist. „Ich bin international tätig, also vergleiche ich unsere Ausbildung mit dem Angebot weltweit. Und auch da trifft mein Leitsatz zu: Qualität hat ihren Preis. Unser Preis-Leistungs-Verhältnis ist nach wie vor trippel A. Ich sehe nur gerade jetzt bei der Digitalisierungswelle eine gewisse Schwerfälligkeit des Bildungssystems, neu Fächer wie Datenmanagement oder AI einzuführen.“

Ehrgeiz, Geschick und viel Geduld seien nötig, um in ihrem Bereich erfolgreich zu sein. Aber noch viel wichtiger als Eigenschaften, sei das Verhalten: Selbstbewusstes Auftreten, das System durchschauen, Netzwerken, sich gut vermarkten und einflussreiche Mentoren suchen. Und sich vor allem nicht von Sätzen wie „das haben wir immer schon so gemacht“ einschüchtern lassen.

Die Zukunft mitgestalten

Um in Ihrer Position erfolgreich zu sein, versucht Sandra Schneider neue Fragestellungen, Herausforderung bzw. jedes neue Projekt zuerst aus der Vogelperspektive zu betrachten und dann erst immer näher heran zu zoomen. „Wenn ich in unserer komplexen Welt gleich mit den Kleinigkeiten anfange, dann sehe ich schnell den Wald vor lauter Bäumen nicht.“ Besonders fasziniert sie an ihrer Tätigkeit, dass man die Zukunft mitgestalten könne. Je mehr Forschung umso weiter könne man in die Zukunft vorausdenken. Je mehr Personalverantwortung umso mehr Personen würden in ihre Richtung arbeiten, umso schneller kämen Ergebnisse zustande.

Und worauf ist die TU-Absolventin besonders stolz? „Dass ich bei allem Pragmatismus und als Technikerin sehr gut mit Menschen umgehen kann. Ein Mitarbeiter hat einmal gemeint er wäre davon überzeugt gewesen, ich hätte als Quotenfrau die Stelle bekommen, aber rasch habe er bemerkt, dass ich für ihn die beste Führungskraft war, die er jemals hatte. Diese Feststellung hat auch einen Nachteil:  Wenn sie sich herumspricht bekommt man ausschließlich Funktionen, wo man schwierige Steakholder mit sehr unterschiedlichen Interessen zusammenbringen muss, um einen Konsens herbeizuführen. Meist sind Kollegen daran schon gescheitert – mission impossible.“

Würde Sie, rückblickend betrachtet, heute etwas anders machen? „Ja, ich würde mir früher Verbündete suchen und mehr Zeit in Kontakte nach oben investieren. Vielleicht auch in Statussymbole investieren, um mehr Aufmerksamkeit zu erregen.“ Ihr Rat an Frauen, die sich für Wissenschaft und Forschung interessieren?

„Lasst Euch nicht von dieser Männerwelt abschrecken. Wir alle sind biased und daher assoziieren wir (ja, erst recht wir Frauen!) Exzellenz automatisch männlich. Das müssen wir uns immer vor Augen halten und dieser unbewussten Voreingenommenheit mit bewussten Aktionen begegnen. Die Wissenschaft und Forschung, vor allem die angewandte Forschung und Entwicklung, braucht dringend exzellente, pragmatische Frauen, die die Brücke zwischen Forschung und Industrie schließen, so wie sie auch Familie und Beruf, Projektmanagement und Publikationen, Soziales und Technisches immer perfekt managen. Wie, wenn nicht mit diversen Teams, sollen wir die Lösungen auf die komplexen Herausforderungen unserer Welt kreieren?“

Zur Person

Sandra Schneider hat ihr Studium in Maschinenbau-Verfahrenstechnik an der TU-Wien und INSA Lyon absolviert. Als Mitarbeiterin der Wacker Chemie AG, einem Spezialitätenchemie-Hersteller in Deutschland, konnte sie Erfahrung bei der Leitung von multinationalen Projekten, globalen Business sowie Führungserfahrung in der Instandhaltung und im Betrieb von Produktionsanlagen sammeln. Als Director Operations and Supply Chain war sie zuständig für die weltweite Produktion und Logistik einer Produktgruppe der Wacker-Chemie AG. Sie hat in Frankreich, Deutschland und China gelebt und gearbeitet und hat dabei ihre interkulturelle Kompetenz unter Beweis gestellt und weiterentwickelt.

2014 hat sie am AIT die Stelle International Business Development übernommen. Sie ist zuständig für die strategische Ausrichtung und den Technologietransfer der Auftragsforschung zu Digitalisierung, Dekarbonisierung, Industrie 4.0 am internationalen Markt und insbesondere in Schwellenländern und großen Volkswirtschaften. Sie repräsentiert (neben der Geschäftsführung) das AIT auf offiziellen Delegationsreisen und Veranstaltungen der Außenwirtschaft, und wirkt mit, die Sichtbarkeit Österreichs als Innovations-Nation zu verbessern.

Foto: AIT