WKÖ-Generalsekretärin Mag. Anna Maria Hochhauser im Austrian Business Woman-Gespräch

WKÖ-Generalsekretärin Mag. Anna Maria Hochhauser im Interview mit Austrian Business Woman über Herausforderungen, die Frauenquote und den Wirtschaftsstandort Österreich.

 

Was waren 2016 die größten Herausforderungen für die WKÖ?

In den Augen unserer Mitgliedsbetriebe – das ergab eine großangelegte digitale Befragung – war die wichtigste Aufgabenstellung für die Wirtschaftskammer, Maßnahmen zur Überwindung der anhaltenden Investitionsschwäche der österreichischen Wirtschaft durchzusetzen. Hier ist uns einiges gelungen. Ende Oktober hat die Regierung ein Wirtschaftspaket mit Fokus Klein- und Mittelbetriebe auf den Weg gebracht, in dem die von der WKÖ geforderte Investitionszuwachsprämie und weitere Anreize zur Stärkung des Investitionsstandorts Österreich enthalten sind. Und auch die bereits von der Regierung beschlossene Startup-Förderung wie auch die massive Reduktion der Bankenabgabe wird positive Auswirkungen auf die Unternehmen, auf die Versorgung mit Investitionsmitteln haben. 

Zudem war die WKÖ in diesem Jahr mit einer intensiven Reformdiskussion beim Thema Gewerbeordnung konfrontiert. Auch hier sind wir auf einem guten Weg, um zu Recht bestehende Qualifikations- und Qualitätsansprüche mit notwendigen Modernisierungen insbesondere auch im Anlagenrecht in Einklang zu bringen. Und nicht zuletzt birgt die moderne Wirtschaftswelt – Stichwort Globalisierung, Stichwort Digitalisierung – für die heimischen Unternehmen viele Chancen, bringt aber auch große Herausforderungen. Wir als Wirtschaftskammer setzen alles daran, unsere Betriebe dabei vorausschauend und proaktiv zu begleiten: mit dem Einsatz für zukunftsorientierte  Rahmenbedingungen – etwa für flexiblere Arbeitszeiten - und der Bereitstellung zielgerichteter Services.

Wie beurteilen Sie die Situation der heimischen Wirtschaft?

In den vergangenen Jahren hat Österreich den langjährigen Wachstumsvorsprung gegenüber dem Durchschnitt des Euroraums eingebüßt. Nach vier Jahren Beinahe-Stagnation – das BIP-Wachstum betrug jeweils weniger als 1 Prozent  - ist für 2016 jedoch mit einer Zuwachsrate von 1,5 bis 1,7 Prozent eine zumindest leichte Erholung prognostiziert. Allerdings resultiert dieses Wachstum in erster Linie aus dem höheren Konsum infolge von Steuerreform und Migration, ist also nicht nachhaltig. Und bei den Investitionen müssen wir leider von acht verlorenen Jahren sprechen: Seit 2010 ist die Nettoinvestitionsquote in Prozent des BIP von 10 Prozent auf 5 Prozent gesunken. Die Bruttoanlageinvestitionen liegen immer noch um 1,9 % unter dem Vorkrisenniveau von 2008. Und auch das Investitionsvolumen soll heuer bestenfalls wieder das Niveau von 2008 erreichen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat die Wirtschaft auf Investitionsanreize gedrängt. Gut, dass unsere Rufe nun gehört wurden! Das Ergebnis wirdeine erste Verbesserung Österreichs in den Wettbewerbsrankings wie auch ein freundlicheres Wirtschaftsklima in Österreich sein. 

Welche Pläne/Vorschläge seitens der WKÖ gibt es, um Unternehmen zu entlasten (Stichwort „Lohnnebenkosten“) und bürokratische Hürden abzubauen?

Das Thema Entlastung steht zweifellos auf der Forderungsliste der heimischen Betriebe ganz oben. So unterstützen wir intensiv eine Initiative des Finanzministeriums und des Vizekanzlers, die Körperschaftssteuer von 25 auf 20 Prozent zu senken. Das wäre eine Wachstums- und Beschäftigungs-Turbo in einer nicht einfachen Zeit. Bei den Lohnnebenkosten ist ebenfalls eine deutliche Senkung geboten. Hier hat die Regierung aber – und das ist anzuerkennen - bereits erste wichtige Schritte gesetzt. Dadurch würde es insgesamt zehntausende Arbeitsplätze mehr in Österreich geben. Beim Bürokratieabbau geht es z.B. um die Abschaffung des Kumulationsprinzips bei Verwaltungsstrafen und die Verankerung des Prinzips „Beraten statt Strafen“. Und wir brauchen  dringend Vereinfachungen beim Anlagenrecht, welches in der Gewerbeordnung geregelt ist.  Davon profitiert jeder Betrieb. 

Wo liegen die Stärken des Wirtschaftsstandortes Österreich?

Die duale Ausbildung, qualifizierte Fachkräfte, die hohe Lebensqualität und auch unsere Leistungen im Export dank hochinnovativer Unternehmen sind Trümpfe, mit denen wir international von uns reden machen. Das bestätigen auch diverse Standort-Rankings, wo Österreich zuletzt nach Jahren des Absinkens wieder Plätze gut machen konnte. Damit wir unsere Stärken auch in Zukunft voll ausspielen können, sind aber weitere Maßnahmen zur Standortstärkung nötig – bei den bereits skizzierten Themen Bürokratieabbau und Entlastung, aber auch im steuerlichen Bereich oder bei der Versorgung der Betriebe mit den notwendigen Finanzmitteln; Stichwort: Kreditbremse verhindern. Und nicht zuletzt wären für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer flexiblere Arbeitszeiten bei insgesamt gleichbleibender Wochenarbeitszeit eine win-win-Situation.  

Ist eine Frauen-Quote für österreichische Aufsichtsräte für Sie ein Thema?

Ich wünsche mir natürlich mehr Frauen in Führungsposition und auch in Aufsichtsräten. Der Weg dorthin führt aber nicht über eine Quote, sondern über bessere Rahmenbedingungen für Familie und Beruf, über die Ermutigung von Frauen, über eine Berufswahl jenseits alter Klischees, auch über eine bessere Vernetzung von Frauen. Da ist schon einiges passiert, auch wenn mir das persönlich manchmal zu langsam geht. Die Wirtschaftskammer hat gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium und der Industriellenvereinigung das Führungsprogramm „Zukunft.Frauen“ entwickelt und eine Aufsichtsrätinnendatenbank eingerichtet. Also: Ja, wir müssen alles tun, um Frauen den Weg nach oben zu erleichtern, aber bitte nicht mit Zwangsmaßnahmen, die erfolgreiche Frauen noch dazu stigmatisieren.

Seit 2008 gibt es „Mentoring für Migranten“ – wie erfolgreich ist das Programm? Wie wird es seitens der Wirtschaft angenommen?

Das Programm ist wirklich ein großer Erfolg. Das zeigen mehr als 1500 Mentoring-Paare in insgesamt 45 Durchgängen seit 2008. 9 von 10 Mentoren und Mentees halten das Programm für wichtig und sinnvoll, 8 von 10 Mentoren - das sind in der Regel Unternehmerinnen und Unternehmer bzw. Unternehmensvertreter - sehen darin einen Vorteil für ihre Auslandsaktivitäten. Qualifizierte Migranten sind ein wichtiges Arbeitskräftepotenzial für die heimischen Betriebe und fungieren als eine Art Brückenbauer für die Exportwirtschaft. Und nicht zuletzt trägt es zum sozialen Zusammenhalt in unserem Land bei, wenn Menschen mit Migrationshintergrund - darunter auch anerkannte Flüchtlinge, auf die wir aufgrund der aktuellen Situation nun den Programmschwerpunkt legen - auf dem heimischen Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Denn Arbeit muss ganz klar Vorrang vor Transferleistungen haben. 

Welche Maßnahmen sind nötig, um berufliche Qualifizierung und Integration zu meistern?

Für eine erfolgreiche Integration sind Spracherwerb, Einstieg in den Arbeitsmarkt und Wertevermittlung essenziell. Zudem geht es darum, die vorhandenen Qualifikationen mit den am Arbeitsmarkt bestehenden Bedürfnissen zusammenzubringen bzw. wenn notwendig eine Weiterqualifizierung zu ermöglichen. Die WKO ist selbst im Bereich Integration aktiv und hat gemeinsam mit dem AMS und in Kooperation mit Wirtschafts- und Sozialministerium ein Pilotprojekt zur überregionalen Lehrstellenvermittlung gestartet. Ziel ist es, jugendlichen Flüchtlingen aus Wien im Zuge einer überregionalen Vermittlung eine berufliche Perspektive in Berufen und Regionen mit Lehrlingsmangel zu bieten. 

Stichworte „Ceta“ und „TTIP“: Panikmache oder berechtigte Sorgen? Was meinen Sie?

Die Panikmache, die da von manchen betrieben wurde, ist nicht nachvollziehbar. Wenn wir nicht mit einem hochentwickelten Land wie Kanada, das so wie wir über hohe Sozial- und Umweltstandards verfügt, ein Handelsabkommen schließen können, mit wem dann? Ich bin erleichtert, dass CETA nun doch wie geplant 2017 vorläufig in Kraft gesetzt werden kann. Es ist ein modernes Abkommen, dass vor allem auch den kleinen und mittleren Unternehmen nützt. CETA ist gut für die Europäische Union und besonders gut für eine Exportnation wie Österreich.

Sie sind nicht nur Generalsekretärin der WKÖ, sondern bekleiden zahlreiche wichtige Funktionen. Wie/wobei finden Sie Ausgleich zum Job? Wie halten Sie sich fit?

Indem ich so oft wie möglich Zeit mit meiner Familie in meiner Heimat in Oberösterreich verbringe und durch sportliche Betätigung, am liebsten in der Natur.

Bitte ergänzen Sie folgende Sätze:

– Mein Berufswunsch war…Krankenschwester

– Mein Tag beginnt mit…Medienlektüre und einem guten Frühstück

– Als Frau in einer Führungsposition nervt mich… gar nichts. Aber ich würde mich über noch mehr Frauen in Führungspositionen freuen.

– An meiner Arbeit schätze ich... die Vielfältigkeit und Gestaltungsmöglichkeit

– Luxus ist für mich...Zeit mit meiner Familie

Foto: WKO