Die Arbeitswelt wird zunehmend von Künstlicher Intelligenz (KI) geprägt. Prozesse laufen schneller, Entscheidungen werden datengetrieben, und viele Aufgaben, die einst von Menschen erledigt wurden, übernehmen heute Maschinen. Doch bei aller Begeisterung über die Effizienzgewinne stellt sich eine zentrale Frage: Wo bleibt der Mensch in dieser neuen Arbeitsrealität?
Während Algorithmen Zahlen analysieren und Prozesse steuern, bleibt eine Aufgabe, die keine Technologie übernehmen kann: Menschen zu führen. Führungskräfte stehen vor der Herausforderung, in einer hoch digitalisierten Arbeitswelt nicht nur Innovationen voranzutreiben, sondern auch Vertrauen, Motivation und ein Gefühl von Sicherheit in ihren Teams zu schaffen. Hier zeigt sich die Bedeutung von Positive Leadership, einer Führungsphilosophie, die den Menschen ins Zentrum stellt und sich auf Stärkenorientierung, Wertschätzung und psychologische Sicherheit konzentriert.
Menschlichkeit als Kern moderner Führung
Künstliche Intelligenz mag effizient sein, doch kann sie eine empathische Kommunikation miteinander ersetzen? KI wird gehypt und sicherlich wird es auch zukünftig zahlreiche sinnvolle Einsatzszenarien für künstliche Intelligenz geben. Die Auswirkungen auf Mitarbeitende sind jedoch schon heute zu beobachten, denn es gibt viel Unsicherheit, Angst und in vielen Unternehmen auch noch keine klaren Einsatzregularien.
Hier beginnt die Aufgabe von Führungspersonen, denn sie waren schon immer dafür zuständig, Halt und Orientierung zu geben. Sowohl in Bezug auf die organisatorischen und operativen Prozesse als auch auf die zwischenmenschlichen und psychologisch geprägten Themen. Ihnen sollte es gelingen, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich Mitarbeitende sicher fühlen, in dem Sorgen aufgenommen werden, aber auch die individuellen Motive wahrgenommen werden.
Dabei haben Führungskräfte einen enormen Vorteil gegenüber jeglicher KI, denn sie können für psychische Sicherheit sorgen. Sie können das Gefühl von Unterstützung und Vertrauen vermitteln, zur Seite stehen, wenn Fehler gemacht wurden, die Leistung einer Person zur Diskussion steht oder individuelle Herausforderungen auftreten. Wer handelt und Verantwortung trägt, denkt mit, stellt kritische Fragen oder entwickelt neue Ideen. Das gelingt jedoch nur, wenn die Gewissheit besteht, dass Fehler nicht zu Abwertung oder Sanktionen führen.
Die Brücke zwischen Technologie und Mensch
Positive Leadership setzt auf Stärkenorientierung, eine Strategie, die in der Praxis entscheidend ist. Im Fokus liegen die individuellen Stärken der Mitarbeitenden, der sinnvolle Einsatz dieser und das Aufgehen in einer Aufgabe, bei der individuelle Stärken gefördert werden, sowie gute und tragfähige Beziehungen untereinander.
Dies motiviert Mitarbeitende unabhängig von Gehalts- und Bonistrukturen. Darüber hinaus reduziert es Krankentage, erhöht die Identifikation und Zugehörigkeit von Mitarbeitenden zu Unternehmen und es sorgt für einen „Safespace“, in dem Menschen Ideen einbringen, sich ausprobieren und sich auf Neues einlassen können. Dies wird besonders in einer Arbeitswelt wichtig, die von Technologie durchdrungen ist.
Menschen wollen nicht durch Maschinen ersetzt werden, viel mehr sollte KI unsere Arbeit sinnvoll ergänzen. Dafür braucht es Mitarbeitende mit offenen Mindset, die unterstützt werden bei ihrer Kompetenzerweiterung, deren Bedenken und Unsicherheiten offen angenommen und Schritt für Schritt reduziert werden.
Ein Beispiel: Wenn eine Person im Team stark in der Datenanalyse ist, könnte sie in der Zusammenarbeit mit KI-gestützten Tools glänzen. Eine andere Person, deren Stärke in der Kommunikation liegt, könnte die Ergebnisse dieser Analysen für Kundinnen und Kunden oder andere Abteilungen aufbereiten. Führungspersonen, die solche Stärken erkennen und gezielt fördern, schaffen nicht nur ein produktives, sondern auch ein motiviertes Team.
Zudem ist Kommunikation ein unverzichtbares Element von Positive Leadership. Veränderungen erzeugen Unsicherheit, und Unsicherheit führt oft zu Widerstand. Führungspersonen müssen daher nicht nur transparent über den Einsatz von KI sprechen, sondern auch die Vorteile und Grenzen der Technologie klar benennen. Regelmäßige Gespräche, in denen auch Ängste und Bedenken Platz haben, fördern Vertrauen und Offenheit im Team.
Menschlichkeit ist der Schlüssel zum Erfolg
Die Einführung von KI ist nicht das Ende menschlicher Führung – sie ist eine Gelegenheit, Führung wahrzunehmen und in einzelnen Teilen auch neu zu definieren. Positive Leadership zeigt, dass Empathie, Vertrauen und die Förderung individueller Stärken die Basis für nachhaltigen Erfolg sind, gerade in einer Arbeitswelt, die sich rasant verändert. Der Carefaktor in der Führungsarbeit und -verantwortung ist wichtiger denn je, denn er vermittelt Sicherheit. Sowohl beim individuellen Kompetenzerwerb, als auch beim Ausprobieren.
Organisationen, die diesen Ansatz leben, schaffen nicht nur eine motivierte und engagierte Belegschaft, sondern auch eine Kultur, die Innovation und Resilienz fördert. Denn am Ende des Tages sind es nicht die Maschinen und Tools, die den Erfolg eines Unternehmens bestimmen – es sind die Menschen, die mit ihnen arbeiten. Führungspersonen, die diesen menschlichen Aspekt erkennen und fördern, legen den Grundstein für langfristigen Erfolg in der sich entwickelnden Welt.
Zur ABW-Gastautorin
Alexandra Hagemann ist Expertin für Erwachsenenbildung, spezialisiert auf Neuropsychologie und Medienpädagogik. Als Diplom-Pädagogin, Trainerin und Coach verbindet sie wissenschaftliche Kompetenz mit Empathie. Ihre Fähigkeit, Brücken zwischen Menschen zu bauen, zeichnet sie als Expertin aus, die nicht nur mitfühlt, sondern echte Unterstützung bietet. Alexandra Hagemann Gewann im Jahr 2023 mit ihren Trainings gleich zweimal den Europäischen Trainingspreis. Sie versteht es, komplexe Inhalte didaktisch fundiert und praxisnah zu vermitteln. Ihre positive Energie, Herzlichkeit und Leidenschaft motivieren die Teilnehmenden, neue Ansätze direkt in die Praxis umzusetzen. Neben zahlreichen Fachartikel zu positiver Führung und stärkeorientiertem Arbeiten erschien 2024 ihr Buch „30 Minuten Empowerment” im Gabal Verlag. Sie ist auch Moderatorin diverser Personal- und Fachmessen.
Foto: Geza Achoff, Bildrechte: A.H.