Tatjana Oppitz steht seit rund sechseinhalb Jahren an der Spitze von IBM Österreich. Die Topmanagerin im Austrian Business Woman-Gespräch.

 

Vor zehn Jahren erschien die erste Ausgabe ABW. Ein Blick zurück: Wo standen Sie beruflich vor zehn Jahren und hätten Sie sich gedacht, dass Sie einmal an der Spitze von IBM Österreich stehen würden?

Vor zehn Jahren hatte ich eine internationale Rolle bei IBM inne. In meiner Verantwortung als Executive lag der Vertriebsbereich CEMEA. Anfang des Jahres 2011 kehrte ich beruflich nach Österreich zurück und übernahm die spannende Rolle der General­direktorin. Es war schon immer meine Aspiration, in den österreichischen Markt zurückzukehren und eine verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen. Ein Erfolgsfaktor, um dies zu erreichen, war, stets offen für Neues und Veränderungen zu sein.

Bitte nennen Sie uns Ihr berufliches Highlight der vergangenen zehn Jahre?

Einen prägenden Eindruck haben definitiv die Auslandsaufenthalte hinterlassen. Meine Tätigkeit für IBM in Paris sehe ich als ein Highlight meiner beruflichen Laufbahn. Genauso wie den Beginn meiner Executive Karriere, welche mit weiteren internationalen Aufgaben verbunden war. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir dabei die Aufenthalte in Südafrika und Dubai. 

Als berufliches Highlight sehe ich diese Erfahrungen deshalb, weil ein Auslandsaufenthalt und das Arbeiten in einem anderen Land definitiv mit Herausforderungen verbunden sind. Sich in einem dynamischen Umfeld schnell auf unterschiedliche Märkte und Menschen einzustellen, ist dabei eine Grundvoraussetzung. Andererseits waren diese Aufgaben für mich auch stets mit Leidenschaft verbunden und rückblickend sind die größten Herausforderungen auch immer die besten Lehrmeister.

Was muss man mitbringen, um in Ihrer Branche erfolgreich zu sein?

Eiserne Disziplin und eine positive Einstellung – eine „Can-Do-Mentalität“, sowie eine Bereitschaft zur Veränderung. Unternehmensintern Projekte außerhalb meines Verantwortungsbereichs zu suchen, hat mich persönlich immer vorangebracht. Nicht ausschließlich nach den einfachen Projekten Ausschau zu halten, sondern die schwierigen in Angriff zu nehmen. Das gibt einem die Möglichkeit, sich zu beweisen und Visibilität zu erlangen – beides ein nicht zu unterschätzender Karrierefaktor. Ein hohes Maß an Eigenmotivation ist eine der Grundvoraussetzungen in meiner Position. Außerdem bin ich immer bestrebt, mich weiterzuentwickeln, Neues zu lernen und auszuprobieren.

Wie steht es bei IBM um die Förderung von Frauen?

Rund 30% der Beschäftigen der IBM Österreich sind Frauen. In etwa denselben Anteil nehmen Frauen in Führungspositionen ein – ein guter Wert, aber noch nicht gut genug. Ein ausgewogenes Verhältnis wird es erst geben, wenn mehr Frauen technische oder wirtschaftliche Berufe wählen. An technischen Universitäten sind meist nur ein Viertel der Studierenden Frauen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen ein technisches Studium abbrechen, ist zudem um 30% höher als bei Männern. Es gibt also strukturelle Schwachstellen, an deren Verbesserung gemeinsam mit Universitäten und Fachhochschulen gearbeitet wird. 

IBM unterstützt das Engagement der MitarbeiterInnen in Netzwerkgruppen, z.B. dem AWLF (Austrian Women Leadership Forum), dem WIT (Women in Technology) und dem Part-Timer-Netzwerk. Mit der TU Wien hat das WIT die Initiative Blue&Mint ins Leben gerufen, um Studentinnen praxisorientierte Einblicke in die IBM zu geben sowie Mentoring anzubieten. 

Rahmenbedingungen für eine Karriere im IT-Umfeld optimal für Frauen zu gestalten, sieht IBM als eine ihrer Aufgaben. Basis dafür ist das Management: Wir bei IBM erfassen zum Beispiel eine sogenannte „Equal Opportunity Scorecard“. Diese gibt Auskunft, wie sich der Frauenanteil in den einzelnen Unternehmensbereichen, bei Neueinstellungen, bei Beförderungen und auch bei Unternehmensaustritten entwickelt. Denn nur, was man misst, kann man auch steuern. 

Was sind die großen Herausforderungen?

Die Geschwindigkeit des technologischen Fortschrittes ist besonders in der IT-Branche herausfordernd. Wir leben in einer Welt, die immer schneller, vernetzter, transparenter und automatisierter wird. Dabei verändert sich unsere Wirtschaft rasant und Innovationszyklen werden kürzer. Aktuelle Themen wie Digitalisierung, kognitive Lösungen und Blockchain bieten neue Chancen und stellen bestehende Geschäftsmodelle infrage. 

Auch im Hinblick auf die zukünftigen Generationen der Mitarbeiter stellt Flexibilität eine entscheidene Herausforderung an Unternehmen dar. In 10 Jahren werden 70% der MitarbeiterInnen der Generation Y angehören, also nach 1980 geboren sein. Gerade für diese Generation ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine sinnstiftende Aufgabe und die Selbstverwirklichung im Job zentral. Moderne Technologie ermöglicht diese Flexibilität, deshalb muss sich die Unternehmenskultur ebenfalls in diese Richtung entwickeln.

Dennoch dürfen die bestehenden MitarbeiterInnen im Unternehmen nicht in Vergessenheit geraten. Weiterbildung und Vorbereitung auf die Herausforderungen der Zukunft müssen ein fixer Bestandteil der Unternehmensstrategie sein. Es gilt, einen Bogen zu spannen: neue junge MitarbeiterInnen zu halten und erfahrene, bestehende Kräfte im Zuge der Veränderung mitzunehmen. 

Welche Initiativen setzen Sie gegen den Mangel an Frauen in technischen Berufen?

Mithilfe von Mentoring-Programmen und speziellen Trainings für Frauen versuchen wir aktiv, mehr Frauen für die IT zu begeistern. Bei Programmen für Nachwuchsführungskräfte achten wir darauf, 50% Frauen zu nominieren. Generell ist es ein Ziel der IBM, die IT attraktiver für Frauen zu machen. Daher sind wir im Bildungsbereich sehr engagiert. Seit Jahren setzen wir uns für die stärkere Integration von IT-Grundkenntnissen in den Unterricht ein. Die wichtigsten Partner dabei sind die LehrerInnen. Im Februar 2017 nahmen 35 Wiener PädagogInnen aus Grund- und Sekundarstufe bei der ersten Workshop-Reihe „Informatisches Denken und Programmieren für Einsteiger“, veranstaltet von der Österreichischen Computergesellschaft und IBM, teil. Ein weiteres Beispiel ist das Girls!Tech Camp. Im Mai 2017 konnten über 50 Mädchen eine Woche lang bei IBM und den Österreichischen Bundesbahnen ÖBB „Technikluft schnuppern“ und haben sich von der Vielseitigkeit der technischen Themen überzeugt.

Gesellschaftspolitisch ist es entscheidend, dass die Digitalisierung nicht von einigen wenigen elitären (Männer-)Clubs, sondern von heterogenen Teams vorangetrieben wird. Damit der Frauenanteil in der IT nicht weiter stagniert, müssen Mädchen noch stärker angesprochen und für das Thema MINT begeistert werden. Das braucht das Engagement der gesamten Branche, der Politik, des Bildungssystems und aller Eltern. Als Branche müssen wir vermitteln, dass IT ein extrem spannender Arbeitsbereich ist, in dem Frauen Karriere machen können. In keinem anderen Bereich gibt es diese vielfältigen Möglichkeiten gepaart mit flexiblen Arbeitsmodellen. In der IBM Österreich üben z.B. auch MitarbeiterInnen in Teilzeit Führungspositionen aus. Eigentlich sollte Technologie die beste Freundin der Frau sein – wir als Branche müssen das noch stärker vermitteln. 

Glauben Sie, dass die Zahl der Frauen in Führungspositionen – auch in Ihrer Branche – in den kommenden zehn Jahren steigen wird?

Ich gehe davon aus. Vor allem dank gezielter Förderungen in diesem Umfeld, der steigenden Attraktivität der Berufsbilder und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten für Frauen. Vielleicht steigt die Zahl nicht in dem Ausmaß, wie wir es uns wünschen würden, aber sie wird steigen.

Sie haben vor Kurzem bei einer Diskussion sinngemäß gesagt, IBM hat Sie, als Sie noch studiert haben, sehr beeindruckt. Warum?

Weil IBM ein faszinierendes Portfolio an Dienstleistungen und Produkten hat. Kein zweites Unternehmen bietet diesen Umfang kombiniert mit State-of-the-Art-Technologie. Seit Jahrzehnten betreibt IBM in zwölf Forschungszentren auf sechs Kontinenten Grundlagenforschung. Zahlreiche bahnbrechende Technologien in der IT-Branche haben ihre Wurzeln in einem IBM-Labor und werden unser Leben maßgeblich verändern, wie zum Beispiel Watson für Onkologie.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

In zehn Jahren werde ich nach wie vor aktiv sein und mir immer wieder die Frage stellen: „What‘s next?“ Ich werde mich für NGOs oder für wohltätige Zwecke engagieren mit dem Ziel, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.

Foto: IBM

 


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